Friedensnobelpreis 2011 für Wikileaks?

Erfreut es jene, die schon immer wussten, dass Frieden und Öffentlichkeit einander bedingen, wenn nun die radikalisierte Veröffentlichung des Staatshandelns durch Wikileaks mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden könnte? Ja. Der norwegische Abgeordnete Snorre Valen hat laut einer Reuters-Meldung in seinem Vorschlag an das Nobelkomitee die „Whistleblower-Plattform“ Wikileaks für den Preis nominiert.[1]

Dass ein Zusammenhang zwischen der Friedensschrift Imanuel Kants und der Tätigkeit von Wikileaks besteht, darauf ist Erbloggtes bereits eingegangen: „Botschaften der Botschaften, Wikileaks und neue Politik“. Auch dass dieser Zusammenhang neuerdings offenbar öfter gesehen wird, steht hier beschrieben: „Kant-und-Wikileaks-Konjunktur“. Schließlich war es auch bereits Thema, dass die Mächtigen, die durch die Öffentlichkeit moralisch gezügelt werden sollen, offenbar bereits sind alles zu tun, um diese demokratische (Selbst-)Kontrolle zu diskreditieren, auch „Wikileaks über Assange beschädigen“.

Wird Wikileaks den Nobelpreis 2011 erhalten? Vermutlich nicht. Groß ist die Kritik an der Plattform im Westen (besonders im Wilden Westen), und ihre Erfolge sind 1. kaum unwidersprochen geblieben und 2. noch nicht so recht messbar. Gerade weil das Nobelkomitee so viel Kritik für die Verleihung des Preises an Barack Obama 2009 einstecken musste, schließlich hatte dieser so kurz nach der Amtsübernahme ebenfalls nur wenig Messbares an Tätigkeit für den Frieden vorzuweisen, werden sich die norwegischen Parlamentsabgeordneten nicht der Gefahr aussetzen wollen, von den US-Radikalkonservativen zum Schurkenstaat erklärt zu werden. (Vielleicht würde es auch ein schlechtes Licht auf Nobelpreis und Norwegen werfen, wenn Julian Assange bei der Preisverleihung im Rathaus von Oslo verhaftet und an die USA ausgeliefert würde.)

Doch das Nobelkomitee war sich auch früher schon seines Einflusses bewusst, durch Verleihung des Friedensnobelpreises einen Preisträger in einem gewissen Rahmen sakrosankt zu erklären und ihn so vor staatlichen Repressionen zu schützen – zumindest soweit den betreffenden Staat die internationale Öffentlichkeitswirkung von Misshandlungen eines Friedensnobelpreisträgers noch interessierte. Die Nobelpreiskampagne „Rettet Ossietzky!“ ist ein beeindruckendes Beispiel für dieses Phänomen. Nun sind die Wikileaks-Verfolger nicht Hitler (höchstens Hillary), und Assange sitzt nicht im Konzentrationslager.

Das Nobelkomitee könnte aber dazu beitragen, dass auch keine Schritte in diese Richtung erfolgen. Das Ansehen des Nobelpreises auch in den USA ist zu hoch, als dass Fox News und seine Freunde es wirkungsvoll in den Schmutz ziehen könnten: 21mal ging der Nobelpreis in die USA, davon immerhin sechsmal an Republikaner. Doch nach 1931 scheinen sich diese vom Friedensnobelpreis verabschiedet zu haben, oder er von ihnen: Die Verleihung 1973 an Henry Kissinger, den einzigen seither ausgezeichneten Republikaner, gilt als der vielleicht schwerste Fehler in der Geschichte der Nobelpreise. Nach Kissingers Ehrung wegen Beteiligung an der Aushandlung des Friedensvertrags zur Beendigung des Vietnamkriegs ging der Krieg noch bis 1975 weiter.

Wahrscheinlicher ist jedoch in der gegenwärtigen Situation, dass Wikileaks nicht den Nobelpreis 2011 erhält. Es wird in den kommenden Jahren mehrfach wieder nominiert werden. Und irgendwann dürfte es den Preis erhalten, vermutlich binnen zehn Jahren. Nur zu hoffen bleibt, dass Wikileaks dann noch existiert und Julian Assange nicht vor der Bekanntgabe ermordet wird. Damit konnte bereits im Fall des mehrfach nominierten Gandhi die Verleihung des Friedensnobelpreises verhindert werden.

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4 Antworten zu “Friedensnobelpreis 2011 für Wikileaks?

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