Erregte skandalöse Kunst vor 150 Jahren die Gemüter so sehr, dass sie nur im Verborgenen aufbewahrt wurde, so ist Kunst ohne Skandal heute kaum noch als Kunst erkennbar. Diese Vorrede dient dazu, dass niemand schockiert wird vom Folgenden. Zart besaitete Gemüter sollten selbst wissen, wann es genug ist, wann sie das nächste Wort nicht mehr lesen, nicht mehr weiterscrollen, wegschauen, die Augen schließen müssen. Öffnen können sie die Augen nach dem Signalton wieder, dann ein Klick auf das Kreuzchen oben rechts, und alles wird gut.
Für die hartgesottenen Kunstliebhaber folgt nun ein dröger Überblick über die Geschichte des Ölbildes L’Origine du monde (Der Ursprung der Welt), gemalt von Gustave Courbet 1866. Entstanden als Auftragsarbeit für einen türkischen Diplomaten, der das Bild – anders als seine übrige Kunstsammlung – im Verborgenen aufbewahrte, begann eine wechselvolle Geschichte, die über 100 Jahre lang das Geheime als Konstante kannte. Kunsthändler bewahrten es in verschlossenen Rahmen hinter anderen Gemälden auf, den Zweiten Weltkrieg überstand es in einem Budapester Banktresor, und bald darauf verbarg es der Psychoanalytiker Jacques Lacan in seinem Landhaus hinter einem verschiebbaren Rahmen mit einem Landschaftsgemälde namens L’Origine du monde.
1988 erstmals öffentlich ausgestellt, hängt es seit 1995 im Pariser Musée d’Orsay. Dort ist bis heute ein Wachmann allein mit dem Schutz dieses Bildes beauftragt.[1] Doch genug vom Ursprung der Welt. Nach diesem verschiebbaren Rahmen folgt nun der Ursprung Europas.
Montage mit The last Cent von Nino Barbieri, 2004. Lizenz: CC BY-SA 2.5.
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Dass dieser Zwitter aus Malerei und Gynäkologie gewöhnungsbedürftig ist, dürfte unstrittig sein, obwohl man längst nicht mehr überrascht ist, auf T-Shirts die Zypressen van Goghs mit den Gesichtern von Klabautermännern zu sehen oder bei Vernissagen zu erleben, wie Künstler nach der Enthüllung von Objekten aus Zerlegeschrott, Schmalzstullen und Zigarettenstummeln ein Vollbad in tierischen Innereien nehmen.
Theo-Ullrich Ludwig von Eichenbach
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Sehr bedauerlich, diese Abdeckung. Alles mögliche wird einem erzählt in den Jahren, auch daß Courbets Meisterweg anläßlich einer Themenausschreibung des Pariser Salons entstand, und er tatsächlich den „Ursprung eines jeden“ gemalt hat. Was zum Geier ist mit der Menschheit, daß sie sich ihres Ursprungs schämt? Anhand der Darstellung der Scham einer Frau 😀 völlig durch zu drehen, ist genau, was man von Vertretern einer durch manuelles Geschick und Einfallsreichtum zu hohen Ehren gelangten Affen erwartet. Auch, daß 200 Jahre nachdem man endlich die Tierkadaver organisiert entsorgt, es plötzlich Kunst ist, darin zu waten, (Ist keine Kunst, auch der Fetteimer nicht).
Schade, Courbets „Venus und Psyche“ war bestimmt ein Augenfreudchen. Wir Nachgeborene werdens leider niemals wissen. Erfreuen wir uns, daß hellsichtige Menschen sich fanden, dieses Werk, l´origin du monde, der Menschheit zu erhalten.
Zu einem weitreichenden Gerichtsverfahren kam es, weil ein französischer Lehrer Courbets Bild auf Facebook gepostet hatte https://netzpolitik.org/2016/zensur-facebook-gegen-den-ursprung-der-welt/