Erfordert es zwar das Berliner Hochschulgesetz, dass Honorarprofessuren nur „auf Grund hervorragender wissenschaftlicher oder künstlerischer Leistungen“ vergeben werden, und zwar entsprechend den Anforderungen, die auch „an Professoren und Professorinnen gestellt werden“ (BerlHG § 116, 1), so lässt sich Derartiges anscheinend leicht substituieren, wenn der Akademische Senat dies beschließt und der Präsident willig ist, das Gesetz zu brechen. Die Hauptsache ist immer, dass niemand kritische Fragen stellt.
Voraussetzungen
Annette Schavan ist seit dem 16. Februar 2009 Honorarprofessorin im Fach Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin. Im Akademischen Senat der FU gab es zuvor Unmut, da Schavan sachlich nicht zur Honorarprofessorin ernannt werden konnte, man die mächtige Bildungsministerin aber wohl schon vorab mit der Loyalitätsbekundung erfreut hatte, ihre hervorragenden Leistungen derart würdigen zu wollen. Warum eigentlich mächtige Bildungsministerin? Bildung ist doch Ländersache, und Schavan hatte sich einst dafür eingesetzt, den Bund aus der Bildungspolitik auszuschließen. (Heute heißt das „Kooperationsverbot“. Damals natürlich noch nicht, denn so ein böses Wort haben die Befürworter des Kooperationsverbotes ja nicht benutzt.)
Aber dann fand sie, die Bundesbildungsministerin mit besten Beziehungen ins Kanzleramt, dieses Kooperationsverbot an den Unis doch etwas störend. Was könnte man nicht alles tun, wenn man den darbenden Unis Geld aus Berlin geben dürfte? Die müssten sich vor Dankbarkeit doch auf dem Boden winden. Und wer sich als ergebenste Einrichtung erweist, kriegt noch ein Zuckerl obendrauf. Das gefällt natürlich.
Also erwies sich Schavan erstmal als äußerst großzügig gegenüber allen, bei denen sie das bereits durfte – und die sich ihr gewogen zeigten. Im Oktober 2007 zum Beispiel, da war die FU in der Exzellenzinitiative zur „International Network University“ ernannt worden. Ausbau angekündigt. Da wäre man ja eine dumme Universität, wenn man da nicht zugriffe und die reiche Tante mit dem einen Ding beeindruckte, das ihr andere Unis nicht verleihen konnten – dem Professorentitel! Billige Provinzunis, die sie durch Schiebereien vor dem Ruin rettete, konnten ja allenfalls einen Ehrendoktor anbieten.
Notwendigkeit
Wie das mit Schavans Honorarprofessur an der FU Berlin genau ablief, das hat Causa Schavan mit Hilfe der öffentlich zugänglichen Materialien im Dreiteiler „Präsident und Nichtwissen“ detailliert nachgezeichnet:
- Teil 1: Lenzen oder die Peinlichkeit des zivilisierten Menschen
- Teil 2: Notorietät oder die zwei Körper der Ministerin
- Teil 3: Voraussetzungen und Erfordernisse heutiger Honorarprofessuren
Der Ausgang der Geschichte ist zwar vorgezeichnet, aber der Zeitpunkt der Entziehung der Lehrbefugnis steht wohl noch nicht fest: Noch ist nicht bekanntgeworden, dass die FU Berlin die wissenschaftlichen Ansprüche, wie sie „an Professoren und Professorinnen gestellt werden“, hinsichtlich Qualität und Qualifikation auch im Fall einer theologischen Honorarprofessur aufrecht zu erhalten gedenkt.
Am 15. Mai 2013 stand auf der Tagesordnung des Akademischen Senats zwar der nichtöffentliche TOP 16: „Honorarprofessur am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften“, der sich nicht auf eine Neu-Ernennung bezog und daher nach aller Wahrscheinlichkeit die Diskussion um eine Entziehung jener Honorarprofessur bedeutete. Doch Ergebnisse drangen nicht nach draußen, und nachgefragt hat wohl auch niemand. Das nährt die Besorgnis, die FU könnte sich im Aussitzen der Honorarprofessur-Frage versuchen, bis im anhängigen Prozess Schavans gegen die Uni Düsseldorf ein Urteil gefallen ist. Doch was, wenn es dann in die nächste Instanz geht? Wie hoch darf der Vertrauensverlust in die Ernsthaftigkeit des wissenschaftlichen Anspruchs an der FU Berlin noch werden?
Die Bildungspolitik der Ära Schavan ist ein Trümmerhaufen, aus dem Leuchttürme ragen. Die morsen immerzu „Danke Anette“ (denn die Leuchtturmwärter haben ja nicht an Schavans Eliteunis studiert und können deshalb ihren Vornamen nicht richtig buchstabieren). Schon zwei Monate vor Beginn ihrer Plagiatsaffäre nannte Martin Spiewak Schavan „Bildungsfern“ und unkte in der Zeit, Schavan werde wohl „unvergessen bleiben: als die Ministerin, die eine nationale Bildungspolitik endgültig abgeschrieben hat.“[1] Und am 16. Mai 2013 waren sich im Bundestag alle einig, dass die Bildungspolitik versagt habe – nur wer daran schuld sei, war umstritten. Schavan war offenbar der Name, der nicht genannt werden durfte[2] (laut Plenarprotokoll wurde sie tatsächlich nur als Anwesende in einer Kultusministerrunde erwähnt).
Erfordernisse

Gut Lachen – Treffen mit Forschungsminister Chinas
Doch die FU Berlin ist nicht dumm. Zwar redet niemand darüber, doch Schavan hat ihre Aspirationen noch nicht aufgegeben, auch weiterhin eine gewichtige Rolle in der deutschen Bildungspolitik zu spielen: Während der neue chinesische Ministerpräsident Li Keqiang sich mit Merkel und Gauck traf, besuchte der chinesische Forschungsminister Wan Gang am Montag Morgen als erstes die Bildungsministerin – Moment! Schavan ist doch gar nicht mehr Bildungsministerin. Warum hat sie einen persönlichen Termin mit dem Forschungsminister der Volksrepublik China, noch bevor der zu einer Elektroauto-Konferenz mit Dr. Peter Ramsauer, Dr. Dieter Zetsche, Dr. Philipp Rösler, Dr. Angela Merkel und Dr. Rüdiger Grube geht? Der wird doch wohl nicht extra vorbeikommen, um Schavan eine perfekte Kopie ihrer Doktorurkunde zu überreichen? Mit Johanna Wanka hatte Wan Gang offenbar keinen Termin.
Denn Wanka ist keine alte Bekannte. Schließlich hat Dr. Wan Gang „an der Technischen Universität Clausthal Antriebstechnik studiert, dort promoviert und auch gelehrt“.[3] Anschließend ging er nach China und war 2004-2007 Präsident der Tongji-Universität. Die Beziehungen zu Schavan pflegte er gern, wie hier im April 2012. Na klar, Tongji, das ist die Uni, von der Schavan ihren chinesischen Ehrendoktor hat. Vielleicht hatte der Minister ja die traurige Pflicht, die Ehrendoktorurkunde wieder abzuholen und nach Shanghai zurück zu bringen?
Von China lernen heißt Siegen lernen, und laut Zeitungsberichten führen Deutschland und China ja jetzt eine „privilegierte Partnerschaft“,[4] sowas wie die Homo-Ehe zwischen Staaten. Dabei geht es der Bundesregierung natürlich besonders um den „Schutz des geistigen Eigentums“,[4] und da kann man ja gewiss annehmen, dass dreiste Kopien und systematische Plagiate nicht länger geduldet werden. Das wird die chinesische Delegation wahrscheinlich fordern, sobald Rösler von den „wichtigen Menschenrechtsfragen im persönlichen Gespräch“ anfängt.[5] Dann gute Nacht, Plagiatorenland!
Vielleicht ist es doch nicht so eine gute Idee, Schavan wieder zur Bildungsministerin zu machen und damit die bildungsbeflissenen Schichten zu brüskieren. Schließlich sollen die Chinesen ja weiter deutsche Produkte kaufen – wegen ihrer Originalität und kreativen Qualität. Das Spiel mit der reichen Tante, das Schavan so schön spielt, das könnte man vielleicht stattdessen im Entwicklungshilfeministerium nochmal wiederholen, oder?[6] Zivilisierte Menschen, zweikörperliche Notorietäten und Honorarprofessuren soll es ja auch in Entwicklungsländern geben.
Aber die Universität Kairo, deren Ehrendoktorwürde Schavan als erster Frau am 1. März 2009 kurz nach Verleihung der Berliner Honorarprofessur (und noch vor allen anderen Ehrendoktoraten) zuteil wurde, wird es wohl nicht sein, die sich aus Dankbarkeit mit prächtigen Titeln an die dann nicht mehr ganz so reiche Tante wendet. Der zuständige Dekan Moataz Abdul Allah hatte bereits im Februar 2013 angekündigt, Schavan den Dr. h.c. entziehen zu wollen.[7] Was aus diesem Plan geworden ist, darüber ist seit der anschließenden Sitzung des dortigen Fakultätsrates allerdings auch nichts in die deutsche oder englische Presse gedrungen.
Es ist ja auch besser, wenn man Schavan eine Weile nicht erwähnt. Ihre Netzwerke lassen sich im Stillen viel besser pflegen, und nach einer gewissen Karenzzeit wird sie dann gleich doppelt so frisch wieder auftauchen. Vielleicht eingeleitet durch ein Interview in einer großen deutschen Wochenzeitung? Ihre Fans sind ihr ja treu geblieben. Auf Wiedersehen im September!
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Das Wort Kooperationsverbot wurde von mir schon in der damaligen Auseinandersetzung benutzt. Besser KONNTE man den von den Ländern geforderten Unfug nie beschreiben. Es gelang wenigstens noch, den die Hochschulen betreffenden Artikel 91b im GG zu verankern. Schavan war an der damaligen Debatte wenig beteiligt. Die Föderalismusreform I wurde vor allem durch die damaligen Ministerpräsidenten Beck (SPD) und Koch (CDU) … „nie wieder ein Ganztagsschulprogramm…“ und den Berichterstattern im Bundestag gegen alle Einwände aus der Praxis vorangetrieben.
Jörg Tauss
MdB von 1994 – 2009
ehem. bildungs- und forschungspolitischer Sprecher
der SPD – Bundestagsfraktion
Danke für den Hinweis!
Wenn die Länder finanziell auf eigenen Beinen stünden, wäre gegen ein Kooperationsverbot wenig auszusetzen. Aber sie können ja weder die Hochschulen noch die Schulen eigenständig finanzieren und dabei auf zusätzliche Bedarfe angemessen reagieren. Eine Beseitigung des Kooperationsverbots würde dieses Problem wohl auch nicht lösen.
Interessant übrigens, dass der Begriff in der de.wikipedia praktisch nicht vorkommt.
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