Erinnert es noch ein kleines bisschen an eine deutsche Affäre, so erscheint diese angesichts gegenwärtiger Vorkommnisse doch als Provinzposse: In Deutschland ruft der Bundespräsident den Chefredakteur einer blöden Zeitung an und empört sich, sie sollten endlich sein Haus, seine Frau und seinen Kredit in Ruhe lassen. In England sieht das heute etwas anders aus. Der Chefredakteur des britischen The Guardian berichtet über die Bedrängung seines Blattes durch die Regierung:
Here follows a little background on the considerable obstacles being placed in the way of informing the public about what the intelligence agencies, governments and corporations are up to.
A little over two months ago I was contacted by a very senior government official claiming to represent the views of the prime minister. There followed two meetings in which he demanded the return or destruction of all the material we were working on. The tone was steely, if cordial, but there was an implicit threat that others within government and Whitehall favoured a far more draconian approach.
The mood toughened just over a month ago, when I received a phone call from the centre of government telling me: „You’ve had your fun. Now we want the stuff back.“ There followed further meetings with shadowy Whitehall figures. The demand was the same: hand the Snowden material back or destroy it. I explained that we could not research and report on this subject if we complied with this request. The man from Whitehall looked mystified. „You’ve had your debate. There’s no need to write any more.“
- Alan Rusbridger: David Miranda, schedule 7 and the danger that all reporters now face. In: The Guardian, 19. August 2013.
Der Rubikon ist überschritten. Der deutsche Geheimdienstminister erklärt die Geheimdienstaffäre für beendet. Das britische Verteidigungsministerium erklärt auch die Debatte für beendet. Und das waren nur die freundlichen Hinweise. Rusbridger berichtet in seinem ausführlichen Artikel auch über den Fall Miranda, der wegen seiner journalistischen Tätigkeit am Flughafen gekidnapped und ausgeraubt wurde – würde man sagen müssen, wenn es in Großbritannien keine Gesetze gäbe, die das für legal erklären – und über die GCHQ-Agenten, die in den Keller des Guardian gingen und dort Festplatten zerstörten.
„The state that is building such a formidable apparatus of surveillance will do its best to prevent journalists from reporting on it.“
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Der Vollständigkeit halber: David Miranda wurde nicht nur wegen seiner journalistischen Tätigkeit festgehalten, sondern offenbar vor allem, weil er der Gatte von Glenn Greenwald ist.
Ja, wobei das „vor allem“ unklar ist. „Bedroht Greenwalds Familie, dann gibt er Ruhe“ muss nicht das Hauptmotto für die Aktion gewesen sein. So wie Rusbridger das schildert, sind solche Behördenaktionen auch verzweifelte Versuche, an irgendwelche Daten zu kommen oder sie zu vernichten, und natürlich – Generalprävention: *Alle* Journalisten zur Räson zu bringen.