Verquickungssand im Getriebe des Steinmeier-Verfahrens

Erweist es sich als vorschnell, wie die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) den Fall Steinmeier behandelt, oder hat man dort alle Vorsicht walten lassen? Ein Gremienkomplex der JLU hat nach nur fünf Wochen Prüfung entschieden: Steinmeier behält seinen Doktorgrad. Dies teilten Martin Gutzeit, Dekan der juristischen Fakultät, Wolf-Dietrich Walker, Vorsitzender der Ständigen Kommission, und Universitätspräsident Joybrato Mukherjee in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit.[1] Eine Täuschungsabsicht lasse sich nicht feststellen, erklärte der Dekan auch anhand von „Herausragenden Fundstellen“ der Plattform VroniPlag, die er zurückwies. Auch der stellvertretende Ombudsmann habe dies in seinem Gutachten so bewertet. Die „eigentliche wissenschaftliche Leistung“ stelle „kein Plagiat“ dar, da Steinmeier „einen eigenen Gedankengang entwickelt“ habe, der „originär Steinmeier“ und eine „Pionierleistung“ sei. „Textübereinstimmungen von ein paar Zeilen“ fielen daher nicht ins Gewicht. [Update: Pressemitteilung der Universität]

Ein Blick auf das Gießener Verfahren

Am 30. September hatte die JLU auf die von Uwe Kamenz in einem unseriösen „Prüfbericht“ erhobenen Plagiatsvorwürfe[2] reagiert, indem sie „im Rahmen ihrer bewährten standardisierten Verfahren zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis den in der Computeranalyse enthaltenen Daten und Werten nachzugehen“[3] versprach. Die bewährte Standardisierung sehe so aus:

„Das Verfahren zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis besteht darin, dass die Ombudsperson der JLU eine Vorprüfung vornimmt. Zudem wird im Anschluss die Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis mit dem Abschluss des Verfahrens betraut. Für den Fall, dass ein Promotionsverfahren betroffen ist, wird der jeweilige Promotionsausschuss einbezogen.“[3]

Offensichtlich ist im Fall von Steinmeiers Dissertation ein Promotionsverfahren betroffen. Das bedeutete, dass nach Abschluss der Plausibilitätsprüfung der Vorwürfe durch den Ombudsmann[4]auf dessen Antrag hin die Ständige Kommission tätig wurde, die laut § 10 der Universitätssatzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis für die „Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zuständig“ ist. An die Ständige Kommission ging das Verfahren am 18. Oktober.[4]

Genauer gesagt „führt die oder der Vorsitzende der Ständige Kommission [zuerst] das Vorprüfungsverfahren (§§ 13, 14) und [anschließend] die Ständige Kommission selbst das förmliche Untersuchungsverfahren (§§ 15, 16) durch“, wie § 10 der Satzung festlegt. Wichtig ist, dass die Ständige Kommission nur Verfahren einstellen oder Vorschläge machen kann. Selbst handeln darf sie nicht, und sie ersetzt auch andere Verfahren nicht:

„Die Ständige Kommission kann die Verfahren wegen des Verdachts wissenschaftlichen Fehlverhaltens einstellen oder Vorschläge machen, in welcher Weise das festgestellte Fehlverhalten sanktioniert werden sollte (§§ 18 ff.). […] Das Verfahren vor der Ständigen Kommission ersetzt nicht andere gesetzliche oder satzungsrechtlich geregelte Verfahren.“ (§ 10)

Der Präsident entscheidet und agiert laut § 18 der Satzung, nachdem Ombudsperson, Vorsitzender der Ständigen Kommission und die Ständige Kommission selbst einen Fall geprüft haben – sofern sie nicht bereits die Einstellung beschlossen. Solche Präsidentenentscheidungen betreffen primär die Disziplinierung von Universitätsangehörigen und damit nicht den Fall Steinmeier. Im Fall von plagiierten Dissertationen sind Ombudsperson, Vorsitzender der Ständigen Kommission und die Ständige Kommission selbst nämlich rechtlich ebensowenig handlungsfähig wie der Präsident, so dass dann in dem Fall ein ganz eigenes Verfahren nötig wird:

„Bei der Feststellung von entsprechend gravierendem wissenschaftlichen Fehlverhalten informiert die Präsidentin oder der Präsident die zuständigen Gremien mit der Bitte um Prüfung und Entscheidung.“ (§ 21(2))

Die JLU hat zwar betont, die Ständige Kommission arbeite „in enger Abstimmung mit dem Promotionsausschuss des Fachbereichs Rechtswissenschaft“,[4] doch das ist laut Satzung (und Verwaltungsverfahrensrecht) Unsinn. Das zuständige Gremium gemäß § 15 der Promotionsordnung[5] ist besagter Promotionsausschuss, und der hat selbständig die Sachlage und alle einschlägigen Faktoren zu ermitteln und eine Entscheidung über den Entzug des Doktorgrades zu treffen. Auch benötigt er keine Aufforderung durch eine andere Kommission oder den Präsidenten.

Verfahrensprobleme

Die Besorgnis, dass die Gießener Universität sich mit ihrem Verfahren auf dünnem Eis bewegen könnte, wird davon befeuert, dass sie Mitte Oktober 2013 die zweifelhafte Ehre hatte, dass das örtliche Verwaltungsgericht erstmals die Aufhebung eines universitären Doktorentzugs beschloss.[6][7][8] In diesem Fall ging es allerdings nicht um Plagiate oder ein ähnliches wissenschaftliches Fehlverhalten, sondern um die Verstrickung einer Doktorandin in das Fehlverhalten ihres Betreuers, ihr Versäumnis, sich in ihrer Dissertation ausdrücklich davon zu distanzieren, und die Forderungen der Gießener Ständigen Kommission, nachträglich die Mangelhaftigkeit der Betreuungssituation durch Demutsgesten öffentlich anzuerkennen.

In dem betreffenden Fall, der zur Affäre um den ehemaligen Medizinprofessor Joachim Boldt gehört, hielt sich die Uni Gießen – wie im Fall Steinmeier bisher – an die beschriebene, auch von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) favorisierte Reihenfolge der Befassung ihrer Organe mit einem Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens:[9][10] Ombudsperson, Kommissionsvorsitzender, Kommission, Präsident. Wenn jedoch der Promotionsausschuss der Fakultät sein Überprüfungsverfahren erst aufnimmt, nachdem all diese „Vorinstanzen“ geprüft, beraten und beschlossen haben, hat er das Problem, dass bis hinauf zum Präsidium ja bereits Vorfestlegungen getroffen wurden: Wie sollte die Fakultät der ihr übergeordneten Institution sachlich widersprechen?

Bereits dieses Missverhältnis, das die Satzung vorsieht, kann die Rechtsgültigkeit des Verfahrensergebnisses in Zweifel ziehen. Wie aber hat man sich ein Verfahren vorzustellen, das – wie im Fall Steinmeier von der Uni verkündet – von der Ständigen Kommission für gute wissenschaftliche Praxis „in enger Abstimmung mit dem Promotionsausschuss“[4] geführt wird? Die geltende Rechtsprechung schließt eine solche Verquickung deutlich aus: So verwirft das Verwaltungsgericht Berlin in einem Urteil vom 25. Juni 2009 die Vorstellung, dass eine „Ehrenkodex-Satzung“ (wie die zur guten wissenschaftlichen Praxis) eine selbstbindende Verwaltungsvorschrift der Universität darstelle, und sagt ausdrücklich, dass die nach solcher Satzung durchgeführten internen Verfahren in keiner Beziehung zu Verfahren stehen, die von den mit der Entziehung des Doktorgrades befassten Organen der Hochschule geführt werden:

„Von daher sind die im Ehrenkodex-Verfahren durchzuführenden Anhörungen des Betroffenen auch nicht unter Inaussichtstellung einer beabsichtigten bzw. erwogenen Entziehung des Doktorgrades durchzuführen.“[11]

Denn im „Ehrenkodex-Verfahren“ kann es um die Erwägung, ob der Doktorgrad entzogen wird, nicht gehen, auch nicht vorermittelnd oder begleitend, weil dafür andere Organe zuständig sind, wie auch § 10 der Gießener Satzung einräumt.

Öffentlichkeitsarbeit

Die Ansetzung einer gemeinsamen Pressekonferenz des Uni-Präsidenten Joybrato Mukherjee mit dem Vorsitzenden der Ständigen Kommission und dem Dekan des Fachbereichs lässt nun in erster Linie die Gießener Sorgen um die öffentliche Wirkung des Falls Steinmeier hervortreten.[12] Noch etwas mehr Sorgen sollten der Uni Gießen allerdings Blicke in Recht und Gesetz machen. Vielleicht sollte sie auch in einen Austausch mit der TU Dortmund treten, die sich mit dem Fall Jan-Marc Eumann herumschlägt, in dem ganz ähnliche Sorgen drücken.[13]

Es sei denn, natürlich, man gibt Steinmeier letztlich keinen Anlass zu klagen. Dann haben sich mit einem Schlag alle Sorgen in Luft aufgelöst. *puff*

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21 Antworten zu “Verquickungssand im Getriebe des Steinmeier-Verfahrens

  1. *puff‘ trifft es ganz genau. Ein ausgesprochener Schnellschuss ohne Transparenz, geprägt von Kompetenzchaos. Danke für den Versuch, das Verfahren in Ansätzen nachvollziehbar zu machen. Man sieht hier deutlich, dass mit dem Ombudssystem ein Irrweg einschlagen wurde und rechtsverbindliche Strukturen weithin fehlen.
    Den Fall Fws weiter zu kommentieren, verbiete ich mir schweren Herzens, weil ich bisher die Fakultäten als zuständige Prüf- und Urteilsinstanzen anerkannt habe und davon im Einzelfall nicht abweichen möchte. Sollen andere kluge Urteile über die möglichen Konsequenzen fällen.

  2. Stefan Heßbrüggen

    Eine weitere Möglichkeit der Verfahrensbeschleunigung ist bislang bedauerlicherweise übersehen worden: die Umpromotion. Was dem Habilitanden recht, sollte doch dem Promovenden billig sein. Wenn also fürderhin Notabeln in den Ruch geraten, mit handwerklichen Fehlern promoviert zu haben, sollte ihnen unabhängig vom ursprünglichen Promotionsfach freibleibend das Angebot zur Umpromotion an die Juristische Fakultät der Universität Gießen gemacht werden. Nicht nur der Titelverteidiger, nein auch die Wissenschaft allgemein würde davon profitieren. Auf lange Sicht würde so der Zugewinn an symbolischem Kapital, der durch den Dr. iur. zu erwerben wäre, auf ein realitätsgerechtes Maß zurückgeführt (knapp über dem Dr. med.?).

  3. Pingback: Steinmeier darf Doktortitel behalten | stohl.de

  4. Gießen und Innsbruck erweisen sich als sichere Festungen. Ich begrüße das. Bayreuth dagegen muss als verloren gelten.

    Theo-Ullrich Ludwig von Eichenbach

  5. The Empire strikes back! Damit war zu rechnen. Ich habe seit Sensburg damit gerechnet, dass es Absagen aus den Unis geben wird. Hervorragend, es kann richtig interessant werden.
    Wenn man sich jetzt entmutigen lässt, sollte man seine eigene Zielsetzung überdenken. Worum geht es eigentlich? Darum, dass Lammert, Steinemeier oder Schavan ihre Grade verlieren und nach ihnen viele weitere? Oder dass ein Schlaglicht auf den Zustand der Wissenschaft oder Wissenschaftspolitik geworfen wird, auf zersetzende Netzwerke und verdrehte Wahrheiten?
    Das hast Du mit Deinen bohrenden Fragen bisher sehr gut gemacht, liebes Erbloggtes, also wieder #blogon und meinetwegen auch #twon. 😉

    Zu Deiner Schlussfeststellung muss ich aus meiner Sicht noch feststellen:
    Wenn sich die Sorgen der Uni bei Untätigkeit in Luft auflösen, lösen sich gleichzeitig auch die wissenschaftlich anerkannten Spielregeln in Luft auf, „*puff*“.

    Die Fakultät ist zweierlei. Aus Sicht der Wissenschaft so etwas wie der Gralshüter wissenschaftlicher Integrität. Zum anderen aus Sicht des Verwaltungsrechts die allein für die Ausübung des Promotionsrechts einer Uni zuständige Behörde. Unipräsident und dazwischen installierte Gremien sind beides nicht. Sie sind weder der Wissenschaft noch der Gesellschaft verpflichtet, sondern der Haus- und Wissenschafts*politik*.
    Insbesondere soweit sie inhaltliche Aussagen zu Sachverhalten treffen, sind sie dazu nicht befugt, auch wenn die Aussagen zutreffend wären.
    Nach den Pressemitteilungen der beiden Unis Gießen und Bochum wären die zuständigen Fakultätsgremien nicht (Bochum) oder formal fehlerhaft (Gießen) involviert worden.

    In der PM aus Gießen heißt es:

    „Das Promotionsrecht wie auch das Recht zum Entzug des Doktorgrades obliegt den Universitäten und wird innerhalb derer von den Fachbereichen wahrgenommen. Im vorliegenden Fall des Plagiatsverdachts gegenüber Dr. Steinmeier war daher der Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen berufen, über die Frage eines möglichen Entzugs des Doktorgrades zu entscheiden.“

    Der Promotionsausschuß war involviert und hat einen Beschluss gefasst. Er hat nur vergessen, den Sachverhalt und damit die Grundlage für eine eigene Entscheidung, selbständig zu ermitteln, wie es seine Pflicht gewesen wäre.

    Überprüft wurden nur die Vorwürfe von Vroniplag und Kamenz.
    Dabei wurde es nicht einmal für notwendig erachtet, „vor einer Entscheidung weitere Ergänzungen der Plagiatsvorwürfe durch die Gruppe ‚VroniPlag‘ oder weitere Fassungen des ‚Prüfberichts‘ abzuwarten“.
    Sowohl die Mißachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes sowie die fehlende Geduld der beteiligten Gremien sind handfeste Indizien für eine parteiliche Entscheidung im sinne des hochverdienten Alumnus Steinmeier.

    Gäbe es einen Kläger gegen den Beschluss zur Verfahrenseinstellung, hätte dieser Beschluss vor den Gerichten wohl keinen Bestand. *puff*.

    Nicht besser sieht es in Bochum aus. Dort wurde nach der Presseverlautbarung nicht einmal der Promotionsausschuss eingeschaltet.
    Der Beschluss zur Nichteröffnung kam direkt aus dem Rektorat, unter Beteiligung weder des Promotionsausschusses noch der Fakultät als wahrnehmender Behörde des Promotionsrechts. Schließlich wurde ja auch der Uni-Präsident von Lammert gebeten und nicht der zuständige Dekan.

    Lediglich die Vorwürfe wurden untersucht, und zwar lediglich von Ombudsmann und externem Gutachter.
    Zitat: „Die Entscheidung der Universität gründet sich auf eine ausführliche Analyse der einzelnen vorgebrachten Vorwürfe durch den Ombudsmann, eine juristische Prüfung der sich aus den beanstandeten Passagen ergebenden Sachverhalte und eine davon unabhängige Prüfung der Vorwürfe durch den externen Sachverständigen Prof. Dr. Jürgen Kocka, Sozialhistoriker und langjähriger Präsident des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).“

    Mir drängen sich jetzt etliche Fragen auf. Drei möchte ich spontan hervorheben, zum letzten Zitat.
    1. Wieviele lebende ordentliche Professoren gibt es in Deutschland, die für eine externe Dissertationsbegutachtung in Frage kommen?
    2.Wieviele dieser lebenden ordentlichen Professoren sind Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften?
    3. wie groß ist die Zufallswahrscheinlichkeit daraus, dass ein solcher Gutachtenauftrag bei einem BBAW-Mitglied landet?

  6. Lieber Plaqueiator, dass ich gerade an einem ziemlich gleichlautenden Artikel mit sehr ähnlich ausgewählten Zitaten schreibe, kann natürlich keinesfalls bedeuten, dass ich dich plagiiere. Sondern nur, dass das richtig – und ziemlich offensichtlich – ist.

    Zu deiner 2. Frage möchte ich hervorheben, dass es ja keineswegs ehrenrührig ist, Mitglied der BBAW zu sein. Das ist ja ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. In Sachen Ehrenrührigkeit bin ich mir aber nicht so sicher, was die Mitarbeit in der IAG „Zitat und Paraphrase“ angeht. Da sind ja nur ausgewählte BBAW-Mitglieder dabei, darunter auch Jürgen Kocka.[1]

  7. Aber muss eine Fakultät weiter prüfen, wenn die Vorprüfung ergibt, dass an den Plagiatsvorwürfen (von Kamenz, VroniPlag, Robert Schmidt) nichts dran ist?

  8. Neee, ne? So ein Zufall! m(

  9. @Blumentopf: Wenn die Vorwürfe einen hinreichenden Anfangsverdacht erwecken: Ja. Siehe dazu dann den folgenden Artikel.^^

  10. @Plaqueiator 16:43:
    Ich kann diesem Kommentar nur aus vollem Herzen zustimmen. Wissenschaftsethisch und wissenschaftsrechtlich erleben wir ein Trauerspiel und eine Groteske.

    Übrigens hat der Gießener Promotionsausschussvorsitzende die eigene Promotionsordnung willkürlich verkürzt wiedergegeben.

  11. Pingback: Das Plagiatsimperium schlägt zurück* | Erbloggtes

  12. Die letzten Plagiatsvorwürfe waren aber auch sehr gewagt. Glasklare Plagiate waren das nicht. Das blinde, wörtliche Zitieren von Primärliteratur bei Lammert und auch die ungeprüfte Übernahme von Literaturverweisen aus der Sekundärliteratur sind in einigen Fächern verpönt und zugleich weit verbreitet. Bei Steinmeier finden sich in den Fußnoten die Quellen. Er hat die Leser nicht in die Irre geführt und den Urheber der Argumentation und der Gedanken klar ausgewiesen. Durch das Weglassen der Anführungszeichen hat er aber verheimlicht, dass auch die Sätze aus der Quelle stammen. Das ist ein Fehler, keine Anleitung in den Rechtswissenschaften empfiehlt sein Vorgehen. Zugleich wird aber so doch häufig zitiert, auch wenn das eine Unsitte und eigentlich falsch ist.

    Den Kampf um die Deutungshoheit haben die Universitäten mit den letzten Urteilen gewonnen. Es war immer alleine Sache der Universität, zu entscheiden ob ein Plagiat vorliegt. Wenn die Fälle aber eindeutig keine Plagiate sind, dann erfüllt der öffentlich gemachte und in den Medien verbreitete Vorwurf den Straftatbestand der üblen Nachrede, Beleidigung oder Verleumdung und ist Rufmord. Wollen sich die Beitragenden von VroniPlag durch die Anonymität/Pseudonymität vor persönlichen Anfeindungen schützen und eventuelle Nachteile (z.B. im Beruf) vermeiden oder wollen Sie für eine Klage der betroffene Personen nicht greifbar erkennbar sein?

  13. @SLDS: Während es auf Seiten der „anonymen Plagiatsjäger“ eine klare nachvollziehbare Argumentation und Schlussfolgerung gibt, welcher Text nun die Quelle eines anderen darstellt und inwieweit die Übernahme den sachgerechten Regeln der Quellenangabe entspricht, gibt es auf der anderen Seite das Wuchern mit dem Pfund der Autorität öffentlicher Ämter und angeblicher Meriten wie „Prof. Dr.“, „Uni-Präsident“, „langjähriger Leiter von xy“, die Kompetenz behaupten. Aber es gibt keine Argumentation. Es gibt den Ordre du Mufti.

    Was ist Ihnen lieber? Eine Wissenschaft, in der das Argument regiert oder ein paar emporgekommene Wissenschaftsnetzwerker die ihnen nützliche Sicht der Dinge als Regelwerk der Wissenschaft durchsetzen?

    Was bei der Behandlung der Sachen Lammert und Steinmeier auffällt, SLDS, ist die Parallele der Prüfverfahren zu der Entstehung der Dissertationen.
    So wie sich Steinmeier und Lammert (bewußt oder in Unkenntnis) nicht an die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens gehalten haben, halten sich diejenigen, die sie freisprechen wollen, nicht an die Regeln der gesetzlich vorgesehenen Vorgaben zum Verfahren.

    Wir sind noch längst nicht bei Inhalten, schon gar nicht bei Untersuchungsergebnissen bzw. der Frage, ob die Schmidtschen oder Vroniplagschen Feststellungen „gewagt“ wären, solange es nicht ordentliche Verfahren an den Fakultäten gibt.

    Selbst wenn die Uni- und Ausschußpräsidenten letztlich recht behalten würden und es keine Plagiate gäbe, ist ihr Urteil autoritativ, wenn es nicht aus dem korrekten Verfahren kommt?
    Objektive Regelverletzer sprechen mutmaßliche Regelverletzer frei. Sind sie damit einverstanden?

  14. desorientiert

    Das ist lustig: Steinmeier hat nicht in die irre geführt, weil sich in den fußnoten die quellen finden. er hat nur verheimlicht, dass die sätze aus den Quellen stammen. aber in die irre geführt hat er damit nicht. das muss ich mir merken. das find ich unheimlich irre.

  15. Wo bei Bauernopfern, die sich über ganze Seiten erstrecken, die „Klarheit“ liegen soll, müsste mir erst noch erläutert werden. Dies ist selbst im Sinne des Urheberrechts so nicht statthaft und schon gar nicht unter dem Gebot wissenschaftlicher Transparenz.
    Manche Siege sind im übrigen Pyrrhussiege. Zumindest, wenn man künftig Studierenden die international gültigen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis vermitteln will.

  16. @SLDS
    Der Fall Lammert erschließt sich mir nicht. Im Fall Steinmeier waren die Vorwürfe aber durchaus nicht gewagt. Sie werden vielleicht einräumen, dass eine Irreführung durch die Verheimlichung fremder Autorschaft kein lässlicher Fehler ist, sondern wissenschaftliches Fehlverhalten. Außerhalb von Gießen hat solches wissenschaftliches Fehlverhalten in diesem oder sehr viel geringerem Umfang bisher regelmäßig den Entzug des Doktorgrades zur Folge gehabt.

    In der Wissenschaft kann es keine Deutungshoheit einer Instanz geben, vor der alle weitere Diskussion zu verstummen hätte. Bei den Universitäten bzw. den Fakultäten liegt die Entscheidungskompetenz über die Vergabe bzw. die Rücknahme akademischer Grade, nicht mehr und nicht weniger. Die Universitäten sind sehr darauf bedacht, ihre Souveränität unter Beweis zu stellen. Das war wohl in Düsseldorf nicht anders als in Bochum oder Gießen. In Düsseldorf hat man Wert auf die Feststellung gelegt, dass „in jedem Fall eine eigenständige, in ihren Voraussetzungen und Methoden unabhängige Prüfung erfolgen muss, auf entsprechende Materialaufbereitungen von dritter Seite (z.B. Internet-Plattformen) also für die Sachstandsermittlung nicht zurückgegriffen wird.“ In Gießen hat man darauf offenbar verzichtet und sich darauf beschränkt, die Unterlagen von Kamenz und VroniPlag zu sichten. Nun kann man darüber streiten, welche Vorgehensweise den größeren Beitrag zur Wahrung der Souveränität geliefert hat. Oder will man ab sofort einfach dadurch Eindruck machen, dass man jeweils zu einem andern Urteil kommt als VroniPlag?

    Üble Nachrede, Beleidigung oder Verleumdung sind zu fürchten. Der Fall Steinmeier ist da gerade nicht das auffälligste Beispiel, auch wenn Herr Kamenz beteiligt war. Es gibt sehr üble Erscheinungen, wenn etwa öffentlich Vorwürfe erhoben werden, die unmittelbar als haltlos zu erkennen und außerdem erkennbar wissenschaftsfremd motiviert sind. Das ändert aber nichts daran, dass sich wissenschaftliche Veröffentlichungen der öffentlichen Kritik stellen müssen, und auch der öffentlichen Diskussion tatsächlicher oder vermeintlicher Regelverstöße. Das liegt im Wesen der Wissenschaft und ist über Strafanträge nicht zu regulieren.

  17. Pingback: Selbstleseverfahren, Band 30 - Strafakte.de

  18. @RABongartz, SLDS: Steinmeiers und Lammerts Arbeitstechniken sind gar nicht so unterschiedlich.
    Steinmeier hat seiner Fakultätssekretärin seitenweise Sekundärliteratur wörtlich aufs Band diktiert, zusammen mit dem dort angeführten Quellendiskurs. Zur Befriedigung rudimentärster Quellangabe für sein Diktat streut er dann zwischendurch, unter anderen FN oder am Ende eines Abschnitts die eine oder andere unspezifische Fußnote auf die Sekundärquelle. Er repetiert damit bloß den Quelllendiskurs, die Argumentationsstruktur und Inhalte und Erkenntnisse, ohne sich mit seiner Quelle erkennbar auseinanderzusetzen, und das ganze auch noch überwiegend wortgetreu, ohne dies adäquat zu kennzeichnen.
    Lammert tut dasselbe. Er kopiert den Quelllendiskurs 1:1 und die Argumentationslinie, Inhalte und Ergebnisse, ohne zu kennzeichnen, dass die komplette Argumentation mit denselben Primärquellen aus der vorgelegenen Sekundärquelle stammt. Lammert tut das im Gegensatz zu Steinmeier nicht wörtlich, er verzichtet auf den letzten Schritt. Er betreibt Satzumbau und Synonymersetzung mit dem Text der verwendeten Sekundärquelle.
    Schmidt hat Lammert nun penibel aufgrund von zahlreichen übernommenen Fehlern nachgewiesen, dass der den Quelldiskurs dort gar nicht geprüft und somit nur die Sekundärquelle vorgelegen hat.

    Die Textgenese kann man sich bei Lammert et al. so vorstellen: Man sucht eine Darstellung für die zu besprechende Problematik in der Sekundärliteratur. Man nimmt diese Sekundärquelle und schreibt sie zunächst wörtlich mitsamt den dort vorhandenen Belegen ab.
    Im zweiten und abschließenden Durchgang (Steinmeier erspart sich diesen) verfremdet man Syntax und Wortwahl. Fertig. Eine eigene Diskussion der dargestellten Problematik unterbleibt.
    Ein aufgeweckter Ghostwriter kann so eine Arbeit erheblichen Umfangs in recht kurzer Zeit erstellen.

    So etwas ist keine selbständige wissenschaftliche Arbeitsweise, sie hat mit Wissenschaft nichts zu tun und bringt auch keine Ergebnisse oder Fortschritt.
    Wie war doch gleich das Stichwort? Mimesis. Nachahmung.

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