Wort zum Sonntag: Krieg ist Sicherheit

Erbaute Seelsorger Joachim Gauck das Publikum auf der Münchner Sicherheitskonferenz erfolgreich, als er jüngst bekundete, dass „Deutschland, das beste, das wir kennen“, künftig „selbstverständlich“ ganz vorne mit dabei sein solle, wenn es darum geht, Hilfe bei „Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu leisten? Gegen ein „Recht auf Wegsehen“ forderte Gauck das Recht zum Mitmachen für „Deutschland und seine Verbündeten“.[1]

Wenn der Pfarrer von der Kanzel die Waffen segnet, dann spricht ja nichts dagegen, die teuer gekauften Prachtstücke der Kriegstechnologie auch für Frieden und Freiheit zum Einsatz zu bringen:

„Das Prinzip der staatlichen Souveränität und der Grundsatz der Nichteinmischung dürften gewalttätige Regime nicht unantastbar machen. Als ‚äußerstes Mittel‘ sei der Einsatz von Militär möglich.“[1]

Gewiss wird der Präsident auch nichts dagegen haben, wenn sich alle diese Maximen zu eigen machen, die er predigt. Etwa so wie die RAF:

Das Prinzip des Rechts und der Grundsatz der Gewaltlosigkeit dürfen Tyrannen und Kriegsverbrecher nicht unantastbar machen. Als äußerstes Mittel muss der Einsatz von Gewalt möglich sein.

Wenn es gegen „die Bösen“ geht, gilt also nichts von dem mehr, was man sonst ehrfürchtig vor sich her trägt. Interessant. Gunnar Sohn kommentiert:

„Wer wird politisch zur Rechenschaft gezogen, wenn solche Einsätze auf Lügen, Propaganda und gefälschten Informationen beruhen und auf dieser Basis viele Menschen sterben müssen? Darf man in diesem Fall an der Pforte von Schloss Bellevue klingeln und den forschen Bundespräsidenten auf die Anklagebank des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag setzen?“

In der deutschen Geschichte gibt es einige Vorbilder für Gaucks neue Grundsätze. Aber auch in der deutschen Gegenwart gibt es einige Vorbilder, an die sich Gauck mit seiner Rede ranwanzt. Uwe Krüger hat das vor einiger Zeit mal als „Eliten-Netzwerke deutscher Journalisten und ihre Auswirkungen am Beispiel der Außen- und Sicherheitspolitik“ skizziert (folgende Grafiken daraus), so dass man leicht sieht, wes‘ Lied der Präsident da singt:

Gesamtnetzwerk Sicherheitspolitik Uwe Krüger

Kriegspolitisches Gesamtnetzwerk aus 82 Organisationen und 64 Journalisten

Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) nimmt zusammen mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos und dem Verein Atlantik-Brücke eine ziemlich zentrale Stellung in diesem Themengebiet ein, so dass Gaucks Aussagen dort auf entsprechend fruchtbaren Boden fielen. Das Personal, das man in München so erwarten darf, sieht man in Krügers Auswertung der Jahre 2002-2009. Gauck kann man da nun ebenfalls eintragen.

Personen rund um die Münchner Sicherheitskonferenz

Personen rund um die Münchner Sicherheitskonferenz

Es ist nicht ganz überraschend, dass die Mächtigen und Wichtigen sich in München versammeln. Kanzler, Außen- und Verteidigungsminister waren offenbar aber nicht durchgängig gern gesehen auf der MSC: Die rot-grünen Amtsinhaber Schröder, Fischer, Scharping und Struck sucht man in der Personalübersicht vergebens, obwohl sie ja gerade erst den Weg frei gemacht hatten zur neuen Herrlichkeit. Ihre Nachfolger waren aber alle da und trafen sich mit zahlreichen weiteren Unions- und FDP-Politikern, US-Botschaftern, Professoren und Journalisten.

Die Ergebnisse der Dissertation von Uwe Krüger zeigen, dass diese Elitennetzwerke neue Mitglieder einbinden, wenn sie finden, dass die mit ihnen auf einer Wellenlänge sind – und dass durch Kooptation und Verkehr in diesen Kreisen die Meinungskonformität noch weiter ausgebaut wird. Als Fallbeispiel hat Krüger auch Stefan Kornelius von der Süddeutschen Zeitung genommen und vorgeführt, welchen Institutionen und Personen er am engsten verbunden ist:

Netzwerke um Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung

Netzwerke um Stefan Kornelius, Süddeutsche Zeitung

Dass im Zentrum von Kornelius‘ Netzwerk „Dr. Frank-Walter Steinmeier“ und „Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg“ stehen, ist natürlich nur ein dem Zeitverlauf geschuldeter Zufall. Dass Guttenberg gerade zeitgleich zur MSC in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft über den Cyber-Krieg referierte, ebenso. Dass Stefan Kornelius das jedoch ganz toll findet, was Gauck nun so von sich gibt, allerdings nicht. Es sei „keine Tageslaune, sondern eine ernsthafte Sorge“,[2] dass nun endlich „Das Lied von der deutschen Verantwortung“ aus voller Brust geschmettert werde. Was Kornelius Angst macht, ist „ein Globus ohne politischen Gravitationspunkt, ohne Zentrum, ohne Übermacht“.[2] Da sieht er jene „Vakuumswelt“,[2] die es erfordert, mit allen Mitteln zuzuschlagen:

„Zweieinhalb Jahre schon schaut die Welt dem Gemetzel in Syrien zu, ohne es stoppen zu können. Seit mehr als zehn Jahren muss die arabische Welt den Boom des militanten Islam hinnehmen, ohne ein probates Mittel dagegen zu finden. Immer lauter wird in Ostasien nach einer politischen Sicherheitsarchitektur gerufen, mit deren Hilfe sich Spannungen und nationalistische Ausbrüche abfedern ließen. Und in Nahost versucht ein US-Außenminister wieder mal das Unmögliche: Zwei Staaten, Israel und Palästina, sollen in Frieden miteinander leben können.“[2]

Einmarschieren, schnell und überall. Dann ist Ruhe im Karton, und so kann man das Gemetzel stoppen. Den Islam muss man offenbar mit schwerem Kriegsgerät bekämpfen. Ostasien hat wohl Probleme mit Ausbrüchen, aus denen sich Tsnunamis entwickeln, die man im Vorfeld wegbomben sollte. Und im Nahostkonflikt ist Frieden „das Unmögliche“ – so dass Krieg logischerweise eine Notwendigkeit sein muss. Von einer „Militarisierung der deutschen Außenpolitik“ zu sprechen, hält Kornelius dagegen für „Unfug“.[2] Vornehm ausgedrückt:

„Es gibt keinen ewigen Frieden und kein Ende der Geschichte.“[2]

Was er damit eigentlich meint:

Es kann keinen Frieden geben. Geschichte ist Krieg.

Man hört die Lieder der altdeutschen Vorbilder aus den Mündern der Gegenwärtigen. Wenn Kornelius dann jubilierend Gaucks „Sicherheit bleibt eine Existenzfrage“ zitiert und sich mit ihm ganz einer Meinung sieht über die pazifistische Verkommenheit, die „diese Gesellschaft“ befallen habe,[2] dann muss man fragen, wo denn der Lebensraum diesmal liegt, mit dem die „Existenzfrage“ beantwortet werden soll. Aber nein, da muss man sich keine Sorgen machen:

„Wer schon uniformierte Strategen an Sandkästen stehen sieht, der verzerrt mutwillig Gaucks Absicht.“[2]

Ist klar, Sandkästen und Uniformen sind völlig out. Der Krieg der Zukunft wird am Computer geführt, im Anzug, oder gleich von Söldnern. Aber wenn er Gauck zitiert, Deutschland müsse sich „Gedanken machen, wie es seine Macht klug und fruchtbar einsetzt“, da muss ihm ein Tippfehler unterlaufen sein. Traditionell setzt „Deutschland, das beste, das wir kennen“, seine Macht nämlich klug und furchtbar ein.

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14 Antworten zu “Wort zum Sonntag: Krieg ist Sicherheit

  1. lieber erblogger,

    ich sehe zwar wahrscheinlich da sehr viel anders als du, aber dafür ist das bloggen ja da, daß man die meinung des anderen kennenlernt .

    darf ich dir im rahmen des themas das gestrige feature im drk „der tod kommt aus der ferne“ andienen?

    [audio src="http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/02/01/drk_20140201_1805_48026e5c.mp3" /]

    das das thema drohnen ausführlichst und in (fast?) all seinen schattierungen darstellt.

  2. Pingback: Der heilige Stuhl von Annette Schavan | Erbloggtes

  3. Sehr schöne Aufstellungen.

    Mich – ich wage diese Prognose – wird demnächst auch faszinieren, dass Gauck und Steinmeier, und jetzt wohl auch der Özdemir, bei ihren unvermeidlichen Reden zum 1.Weltkrieg wohl kaum erwähnen werden, dass Deutschland damals Verantwortung gezeigt habe und dass die Kultur des Hineinhaltens * einer der maßgeblichen Kriegsgründe war.

    * oder was ist eigentlich das Gegenteil einer „Kultur des Heraushaltens“?

  4. @Gerald: Gut beobachtet! Özdemir ist der einzige oben im Netzwerk der Münchner Sicherheitskonferenz, den ich gleich als Grünenpolitiker identifizieren konnte. Aus dem wird bestimmt noch was.

    @hardy: Danke, sehr interessant. Dass ein Staat dann Leute umbringen darf, wenn er bereit ist, seine eigene Armee hinzuschicken und die im Gegenzug erschießen zu lassen, daran glaube ich nicht.

  5. gerald,

    ist eulen nach athen, wie ich ahne: christopher clarke „die schlafwandler“.

    erbloggtes,

    das war von mir jetzt nicht als ein pro/contra ding gemeint, eher ein hinweis auf eine ziemlich umfassende diskussion des themas in dem gelungenen feature.

    ich bin übrigens gegen das totschiessen, um hier keinen falschen eindruck aufkommen zu lassen, kdv mit den damals üblichen fragen, ob ich nicht meine mama im flugzeug mit dem zufällig mitgeführten gewehr gegen die sie vergewaltigen wollenden russenhorden verteidigen würde.

    im jugoslawien- und dem ersten golfkrieg habe ich an dem punkt gelernt, daß militär auch feuerwehr oder polizei sein könnte – von den franzosen, konkreter denen, die die „libération“ machen, also den alt68ern, die dort anders „ticken“ als unsere verachtenswerte „kein blut für öl“ friedensbewegung. man kann das also auch als „linker“ anders sehen und ich verstehe heute noch nicht, warum milosevic hier gerne als opfer und wir als täter gesehen werden sollten: wir haben nicht in srebrenica selektiert und es gibt eben situationen, in denen man so etwas wie eine polizei benötigt. oder eben seine erste gesendete email an clinton verjubelt, mit der bitte, die serben zu bombardieren, weil wir hier gerade die bündnisse des wk2 nachspielen müssen. dazu stehe ich noch heute.

    das hat mir natürlich george dubja gründlichst „versaut“. ich bin mir dessen durchaus bewusst, daß heute mit „menschenrechten“ ein ziemlicher schindluder getrieben wird und habe mich in sachen libyen oder syrien ja eindeutig geäußert.

    für ein „militär böse/pazifist guuut“ bin ich trotzdem nicht zu haben, die münchner friedenskonferenz hat zudem joschka die möglichkeit für sein immer noch sehenswertes „i’m not convinced“ geboten und miteinander reden ist eh immer besser als ein aufeinander schiessen.

    die rede von gauck hat einen historischen kontext, der sich nicht für das schnelle verfüttern in der erregungswellendemokratie eignet, wie ich finde, die dinge sind sehr sehr sehr viel komplexer.

  6. Pingback: Umleitung: vom heiligen Stuhl der Annette Schavan zu Alice und den Sündern. Dazwischen Krieg, Theologie und das Wort zum Sonntag. | zoom

  7. @ hinterwald
    ist eulen nach athen, wie ich ahne: christopher clarke “die schlafwandler”.
    Falsch geahnt.

  8. gerald

    im sinne von „habe ich schon durch“ oder von „kein interesse“?

    im buch kann man ganz schön beobachten, wie das ist, wenn es so was wie diese konferenz nicht gibt und jeder nur denkt, er denkt, er weiss schon, wie der andere denkt – und wohin sowas dann führt …

    ist zwr mittlerweile schon im mainstream angekommen, aber trotzdem lesens- oder hörenswert

  9. @hinterwald
    Im Sinne von „meine Antwort hat sich darauf nicht bezogen.“

    Ich habe derzeit nicht vor, das Buch zu lesen. Zum einen ist die These – wenn ich die Rezensionen recht verstanden habe – nicht neu; ich habe früher immer gelernt: Man sei in den Krieg getaumelt. Ist das so anders, als das von Clark Beschriebene?

    Zum Andern neige ich inzwischen etwas zu der These, man solle sich von Geschichtsdarstellungen fernhalten, die eine abgeschlossene Episode in eine schlüssige und nachvollziehbare Erzählung verwandeln. (Taleb nennt das die Illusion des Verstehens und spricht von „Anekdoten“.)

  10. Ja, anekdotisch ist das Buch, und dadurch massentauglich. Unterhaltsam. Neu ist allenfalls der Versuch, die Aktionen der Großmächte zu erklären, indem man vor allem die Bedingungen in einem peripheren Kleinstaat betrachtet. Für die Explosion wird dabei nicht der Sprengstoff, sondern die Lunte (und ihre Unkontrollierbarkeit) verantwortlich gemacht. Hier eine fachlich gute Rezension: http://www.sehepunkte.de/2014/01/23681.html

  11. gerald,

    [..] in eine schlüssige und nachvollziehbare Erzählung

    ahem, also ich mache ja schon seit mitte letzten jahres reklame für das buch, weil es haargenau _nicht_ so ist, wie du es dir vorstellst 😉

    das besondere an dem buch ist seine multipolare perspektive, in der es kein „schuld oder nicht“ gibt, eher erheiternde „anekdoten“. er will nichts beweisen, er will’s nur erzählen und das gelingt ihm hervorragend.

    @erbloggtes

    wie viele kritiken, sendungen mit und von clarke von mitte letzten jahres an soll ich dir empfehlen (radio …) ich denke, ich komme auf ein _gutes_ halbes dutzend. daß es _jetzt_ endlich im mainstream angekommen ist, freut mich um so mehr 😉

  12. @gerald

    kleines ps: ich bin ehr mit den „fischer“-thesen (der erste/zweite griff zur weltmacht) aufgewachsen und dann durch die „historikerdebatte“ getaumelt. wahrnehmungsstandard war bisher fritz fischer und die alleinschuld deutschlands wird ja selbst noch heute von gerade dort erschienenen darstellungen immer noch aufgewärmt. clarke betreibt hier aber keine exculpation und wenn man es bis zum nachwort geschafft hat, distanziert er sich auch von voreiligen parallelen. ich fand aber sein nächtliches aufschrecken und das verrücktmachen seiner familie („wir müssen dringend wieder nach australien zurück“) durchaus bemerkenswert – so erzählt er das jedenfalls in einem der interviews.

    nur weil viele leute das jetzt lesen, muss es ja nicht schlecht sein und „zu gut“ oder „sophisticated“ ist es auch nicht. die lesung, die ich mir gekauft habe, ist übrigens gelungen.

    münkler ist dummerweise einen tick zu spät gekommen, wenn ich das aber recht verstehe, sind sich die bücher in der aussage ähnlich: niemand hat „schuld“ aber alle „tragen verantwortung“

  13. Pingback: Drei Jahre Plagiatsdebatte | Erbloggtes

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