Er bloggt es diesmal nicht. Zu schlimm sind die Vorwürfe, zu unklar die Ausgangslage, zu weit die Verstrickungen, zu wenig nachprüfbar bislang die Sachverhaltsdarstellung. Das Publikum lese selbst,[1] bleibe skeptisch hinsichtlich aller angebotenen Erklärungen und warte die weitere Entwicklung ab. Wahrscheinlich wird bald schon klarer werden, ob in der Causa Skagerrak die Schlussfolgerungen eines Facebook-Kommentators haltbar sind, …
„daß ALLE Teile des Betriebs versagen und weiter versagen müssen: 1. Die Autoren zuvörderst, natürlich. 2. Die Forschungsfinanzierer, die Gelder nach schwachsinnigen Kriterien vergeben und sich um deren reale Ergebnisse nicht mehr kümmern. 3. Die Verlage, die jede Saison wieder hochbedeutende, alles umstürzende, niemals dagewesene Sensationsbücher vorlegen müssen, dabei dem Zwang des Newscycles alles unterordnen und ihr Geld in Marketing und Masse stecken und gleichzeitig kontinuierlich (Fach-)Lektorate abbauen. 4. Die Fachöffentlichkeit, inbes. die Zeitungs-Rezensenten, die im Akkord oder gleich nach Gefälligkeit bespricht. 5. Der Handel, der den Schrott selbst gar nicht mehr liest sondern sich per gefahrlosem Barsortimentseinkauf absichert und dadurch Amazon immer ähnlicher wird. 6. Das qualifizierte Publikum, das nichts merkt (die Leserrezensionen des Buches bei Amazon sprechen Bände). 7. Und zum Schluß der Controller aus Eigeninitiative, dem auch nichts auffällt, der aber eine Software hat, die Daten miteinander vergleicht und ihm das Ergebnis liefert.“
Der letzte Punkt ist jedenfalls fragwürdig, aber auch interessant, da er den Aspekt berührt, wie ein Anfangsverdacht zu einem Plagiatsfall überhaupt entsteht. Sollte tatsächlich ein durch Massen-EDV aufgekommener Zufallsfund vorliegen, kann man das wohl auf den Vertrieb von durchsuchbaren E-Books zurückführen.
Sich selbst ein Bild machen
Wer sich weiter in den Fall einlesen möchte, konsultiert Archivalia („Wikipedia-Plagiat in Seeschlachtenbuch“) oder das Adresscomptoir („Plagiatsverdacht bei C.H. Beck“), oder liest sich gleich selbst in das betreffende Buch ein: Die Amazon-Vorschau, Google-Books sowie die Leseprobe des Verlags (Inhaltsverzeichnis) geben Einblicke, die ersteren jedoch offenbar lediglich in das E-Book, was an den fehlenden Seitenzahlen zu erkennen sein dürfte.
Diese Einblicke ermutigen nicht besonders. Wer etwa auf S. 11 (Google-Books-Zählung) eine Quellenangabe zum Porträtfoto erhofft hätte, findet nur die Information, dass das Bild von 1904 stammt. Das steht auch auf dem Foto selbst, was der Leser aber nicht wissen kann, weil die Auflösung so gering ist. Klickt man stattdessen hier, sieht man plötzlich klarer, und auch die Abbildung auf der letzten Seite der Leseprobe (S. 189 der Druckfassung) betrachtet man lieber im Wikipedia-Bilderarchiv, wo sie bunt und hochaufgelöst verfügbar ist. Bis dahin ist das vielleicht ärgerlich, weil Bildquellen und Zusatzinformationen fehlen, die Bilder mithin eher illustrativ als informativ sind. Im „Bildnachweis“ ab S. 416 findet sich zum erstegenannten Bild immerhin die Angabe „Library of Congress Prints and Photographs Division“, das zweite Bild allerdings ist nur mit „Archiv der Autoren“ „nachgewiesen“.
In diesem „Archiv der Autoren“ fand sich offenbar auch das folgende Foto aus dem Kapitel „Die attische Triere“,[2] das hier bedenkenlos wiedergegeben werden kann, ohne Urheberrechte zu verletzen:
Denn bei dem Bild handelt es sich, wie anhand der Wolken oben links leicht zu ersehen ist, um ein Foto, das der griechische Wikipedia-User Templar52 im November 2006 aufgenommen hat. Hochaufgelöst und in Farbe sieht das dann so aus:
Anders als hier geschehen, hält sich das Große Seeschlachten-Buch jedoch nicht an die Bedingungen, die sich der Urheber für die Verwendung seines Werkes ausbedungen hat, auch wenn sie noch so einfach sein mögen. Auf der Bildbeschreibungsseite liest man:
„Der Urheber gestattet jedermann jede Form der Nutzung, unter der Bedingung der angemessenen Nennung seiner Urheberschaft.“
Nein, der Name Templar52 fällt im ganzen Buch nicht. Und das waren jetzt nur mal die drei Fotos, die beim Durchblättern des online Verfügbaren als erstes auftauchten. Man darf gespannt sein, was sich daraus noch ergibt – und bis dahin den Autoren lauschen, wie sie auf der Buchmesse ins Schwärmen gerieten.
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Es ist bekanntlich schwer einen Tropfen in das Meer zu werfen, der nicht schon einmal darin gewesen wäre. Klar ist auch, dass ein Werk von 400 Seiten – soweit es sich nicht allein um reine Sciene Fiction handelt – sondern um ein geschichtswissenschaftliches Werk, Tatsachen und Gedanken aufgreift, die auch anderswo schon benannt wurden, sei es nun im Brockhaus oder in der Wikipedia.
Zumindest dem Geschichtswissenschaftler unter uns erschließt sich damit unmittelbar, dass die Übernahme „technischer Details“, ob im Wortlaut oder als Bild und ohne Quellenverweis, keinesfalls als Plagiat zu verstehen ist. Vielmehr ist ein solches Vorgehen der guten wissenschaftlichen Praxis der Geschichtswissenschaften quasi immanent. Denn die schöpferische Leistung des Historikers liegt ja nicht im Referieren der stattgehabten Realitäten, wie es einem Stenographen geziemen würde, nein, sondern darin, aus diesen Realitäten im jeweiligen gesellschaftlich-historischen Kontext Handlungsabläufe zu strukturieren, die kausalen Beziehungen aufzuzeigen und daraus Prämissen abzuleiten, die den Lauf der Geschichte bestimmt haben.
Auch die Übernahme von Fotos aus Internetquellen zunächst in das eigene digitale Archiv, also den Zettelkasten des 21. Jahrhunderts, und von dort aus in das oben genannte Werk kann kein Plagiat sein, denn die visuelle Erscheinung, die im Foto ja nur festgehalten wird, ist nicht minder eine bloße Tatsache als andere technische Details, und die visuelle Erscheinung ist auch nicht die Geschichtswissenschaft selbst, sondern bildet erst eine von deren unzähligen Grundlagen. Schließlich, um bei den Tatsachen zu bleiben, es wurde ja nicht ein Dali oder Kokoschka kopiert und als eigenes schöpferisches Werk verkauft.
Wie ich hörte, stehen die Kollegen schon mit anderen Koryphäen der Geschichtswissenschaften selbst in Kontakt, welche die Praxis der Übernahme technischer Details in populär- und geschichtswissenschaftliche Literatur ohne Quellenangabe als eine fachtypische Selbstverständlichkeit gerne bezeugen werden. Sollten anschließend trotz des absehbar guten Leumunds noch immer Zweifel geäußert werden, können sich diese in einer Sektion mit dem Arbeitstitel „Geschichtswissenschaften und technische Details sowie Fotos“ innerhalb des Forschungsclusters „Zitat und Paraphrase“ gewiss ausräumen lassen. Bewerbungen für dieses Department innerhalb des bekannt renommierten Clusters werden von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ab sofort entgegengenommen und priviligiert bearbeitet.
Mein vollstes Vertrauen in die Exzellenz der Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie in den Verlag C.H. Beck ist jedenfalls ungebrochen.
Zusammenfassend lässt sich gegenwärtig also feststellen, dass der zur Diskussion stehende rufschädigende Facebookeintrag die spezifischen Eigenheiten der Geschichtswissenschaften in keiner Weise berücksichtigt, das Wesen des Werkes schon aus diesem Mangel allein komplett verkennt, und dass der Vorwurf, es handele sich bei dem besagten Wälzer um ein Plagiat, einfach abstrus ist.
Bravo, Herr Doktor! Ich bin sicher, dass Herr von Eichenbach Ihnen demnächst ein würdiges Angebot unterbreiten wird, auf seinem nächsten Symposion Ihre zutiefst wissenschaftsethisch durchdrungenen Gedanken zu referieren.
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„Sollte tatsächlich ein durch Massen-EDV aufgekommener Zufallsfund vorliegen, kann man das wohl auf den Vertrieb von durchsuchbaren E-Books zurückführen.“
Ich kein „Plagiatsjäger“. Die Geschichte dahinter: ich hatte einen doofen Kinofilm namens „300 – Rise of an Empire“ über die Schlacht von Salamis gesehen und wollte nachschauen, was aktuelle Althistoriker über die Perserkriege schreiben. Aus Alexander Demandts „Ungeschehener Geschichte“ (1986) kannte ich die Historiographiegeschichte der Perserkriege bereits einigermaßen. Von Herodot, dem „Vater der Geschichte“ bis – sagen wir – Eduard Meyers 4. Band seiner „Geschichte des Altertums“ (1899) wurde die Geschichte der Perserkriege nämlich immer nur aus der Perspektive der *Griechen* erzählt. Spätestens seit Eduard Meyer und Max Webers „Kritischen Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik“ (1906) wurde es unter Historikern üblich, daß ihnen ganz Angst und Bange um ihr schönes, freiheitlich-rationales Abendland wurde, sobald es um „Perserkriege“ ging. Ihr Zeitgenosse Karl Julius Beloch haute ihnen das zwar um die Ohren, aber es hat nicht viel genutzt.
Ich habe deswegen die aktuelle Standardliteratur zum Persischen Reich durchgesehen, also vor allem von Josef Wiesehöfer und Pierre Briant, in der die „Perserkriege“ ins richtige Licht gesetzt werden. Karstens und Raders „Seeschlachten“ habe ich lediglich in die Hand genommen, weil ich auf der Suche nach einer trivialen und weihevoll-„Abendland“-lastigen Darstellung war, die eben genau jenen Blödsinn wiederholt, gegen den sich Kenner der Persischen Geschichte offenbar immer noch zur Wehr setzen müssen. Und tatsächlich bringen Karsten und Rader das bekannt-bescheuerte Zitat von John Stuart Mill, wonach Marathon für die englische Geschichte wichtiger gewesen sei als Hastings und so weiter und so weiter, der ganze alte Mist.
Der „Plagiatsfund“ war reiner Zufall. Karsten und Rader schrieben über „Rumpfgeschwindigkeit“, ich suchte den mir unbekannten Begriff in Wikipedia und fand genau denselben Text, den ich gerade im Buch gelesen hatte. Das wars.
Danke für den Hinweis! Ich hatte ihn bereits auf Facebook gesehen und im Folgeartikel zitiert.
„Auch die Übernahme von Fotos aus Internetquellen zunächst in das eigene digitale Archiv, also den Zettelkasten des 21. Jahrhunderts, und von dort aus in das oben genannte Werk kann kein Plagiat sein, denn die visuelle Erscheinung, die im Foto ja nur festgehalten wird, ist nicht minder eine bloße Tatsache als andere technische Details, und die visuelle Erscheinung ist auch nicht die Geschichtswissenschaft selbst, sondern bildet erst eine von deren unzähligen Grundlagen. Schließlich, um bei den Tatsachen zu bleiben, es wurde ja nicht ein Dali oder Kokoschka kopiert und als eigenes schöpferisches Werk verkauft.“
Srsly? Genau diese Beschreibung trifft auf ein Plagiat / eine Urheberrechtsverletzung zu! Werke unter der Wikipedia-Lizenz (cc-by-sa 3.0 unported) sind nur solange kostenlos verwendbar, sofern man sich an die Lizenz hält. Verstößt man gegen cc-by-sa, z.B. indem man den Urheber des Fotos oder die Lizenz des Fotos nicht angibt, so erlischt die Lizenz für die Nutzung und es liegt ein ganz klarer Urheberrechtsverstoß vor.
Die Autoren sollten imho für die fehlenden cc-by-sa Angaben bei der Bildnutzung vom Urheber in Grund und Boden verklagt werden!
Sehr geehrter Herr Dr. Münchhausen,
seien Sie meiner vollsten Sympathie versichert. Neu ist mir, dass auch Sie promoviert haben. Passen Sie gut auf sich auf; die gegenwärtigen Untersuchungskommissionen und Gerichte meinen es nicht gut mit Leuten wie uns.
Ihr Theo-Ullrich Ludwig von Eichenbach
„Grund und Boden verklagt“ heißt schlicht: Es besteht ein Unterlassungsanspruch. Der Urheber/Lizenzinhaber kann ihn gerichtlich einfordern oder sich auf einen Vergleich einlassen. In der Regel bewahrt ihn letzteres vor Zeitverlust und Anwaltskosten. Aber natürlich kann er auch dafür sorgen, dass das Buch eingestampft wird. Da gibt es kein Pardon.
Sehr geehrter Herr von Eichenbach,
haben Sie vielen Dank für Ihren Zuspruch.
Tatsächlich müssen wir uns vorsehen, um nicht dem Gang der Zeit und dem maßlosen Eifer des Zeitgeistes zum Opfer zu fallen. Die Scheelsucht und Haarspalterei von Untersuchungskommissionen, Gerichten und all den Kleingeistern soll uns die Freude am Leben aber nicht vergällen.
Bekanntlich ist das ungestüm Kompromisslose, das sich in der Forderung, die Übeltäter „in Grund und Boden zu verklagen“, offenbart, von jeher ein schönes Privileg der Jugend.
Es ist der jugendliche Mangel an Erfahrung und einhergehend fehlender Umsicht, der einerseits eine maßlose Position erst ermöglicht und andererseits hübsch mit der Ernsthaftigkeit der Intention kontrastiert.
Beim Lesen derartiger Beiträge wie dem Ihrigen, lieber Sebastian, überkommt mich deshalb die gleiche Freude, wie beim Anblick der versammelten Jugend auf einem städtischen Platze in der Sonne, bei dem man glauben könnte, der liebe Gott habe den Inhalt seines Schmuckkästchens auf den Kirchplatz gekippt..
So hat alles seine Zeit, aber der Narr, der das nicht erkennen will, mißbraucht die Privilegien der Jugend bis in höhere und hohe Lebensalter. Und doch kümmert er uns nicht, denn wir wissen um seine Torheit.
Eine Schutz gegen Unbill ist eine solche Haltung natürlich nicht, aber, das Schöne zu sehen, sehr geehrter Herr von Eichenbach, ist unserem Stande doch allemal angemessener, als sich über die Maßlosigkeit der Welt zu bekümmern.
Herzlich, Ihr Carl Friedrich von Münchhausen
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Sehr geehrter Herr Dr. Münchhausen,
wäre ich zeitlich freier, würde ich gern ehrenamtlich in einer dieser Untersuchungskommissionen mitwirken; es muss eine große Freude sein, einige oder sogar zahlreiche Übereinstimmungen von Textstellen/ Abbildungen in Veröffentlichungen des 20./21. Jahrhunderts mit solchen in historischen Darstellungen zu finden. Gezielt weggelassene Quellenangaben und dezente Umformulierungen oder kaum merklich bearbeitete Bilder erhöhen die Spannung. Man würde mehr Dankbarkeit von Leuten erwarten, die sich der Nachkontrolle von Arbeiten widmen dürfen, z.B. an Universitäten.
Mit herzlichen Grüßen von Ihrem
Theo-Ullrich Ludwig von Eichenbach
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