Erscheint es angesichts der allgemeinen Weltlage derzeit sinnvoll, sich nach analogen Unterhaltungsmedien umzusehen, stellen kooperative Gesellschaftsspiele für kleine und kleinste Gruppen ein spezielles, aber aufgrund seiner sozialen Eigenheiten nicht zu unterschätzendes Segment des unüberschaubar gewordenen Spieleangebotes dar. In diesem Sinne lautet die Empfehlung, einmal eines oder mehrere der im Folgenden aufgeführten Spiele auszuprobieren. Links auf die Spiele-Datenbank BoardGameGeek können dabei helfen, sich anhand der Fotos einen ersten Eindruck zu verschaffen, mit den hilfreichen Nutzerbewertungen Vergleiche anzustellen oder die (manchmal ähnlich heißenden) Spiele namentlich genau zu identifizieren.
In den vergangenen Jahren hat sich in diesem Bereich einiges getan. Der absolute Klassiker dieser Art von Spiel bleibt „Der Herr der Ringe“ von Reiner Knizia für 2-5 Spieler, das 2000 erschienen ist, in viele Sprachen übersetzt wurde und schwer zu gewinnen ist (leichter mit der Erweiterung „Der Herr der Ringe: Die Feinde“). Der Wiederspielwert ist auch nach anderthalb Jahrzehnten nicht ausgeschöpft. Wie auch die nachfolgenden Spiele erzählt es durch seine Spielmechanik eine Geschichte – in diesem Fall eine weithin bereits bekannte.
„Nebel über Valskyrr“ (im Original „Mistfall“) ist für 1-4 Spieler (aber am besten zu zweit) und ebenfalls ein solches Fantasy-Abenteuer-Brettspiel. Sein Nachfolgespiel „Mistfall: Heart of the Mists“ ist bisher nur auf Englisch und bei Kickstarter erschienen. „Nebel über Valskyrr“ ist aber inzwischen aus den Gefilden der modernen Spieleentwicklung per Crowdfunding in die Verlagswelt hinübergewechselt. Anders als einige der folgenden Spiele ist es kein Miniaturenspiel, sondern weitgehend kartenbasiert.
„Die Legenden von Andor“ ist inzwischen auch schon etwas älter, ebenfalls ein sehr positiv bewertetes kooperatives Fantasy-Abenteuer-Brettspiel für 2-4 Spieler, und hat neben zahlreichen Erweiterungen auch folgende Standalone-Nachfolger erhalten:
- seinen 2. Teil: „Die Legenden von Andor: Die Reise in den Norden“,
- seinen 3. Teil: „Die Legenden von Andor: Die Letzte Hoffnung“,
- eine Nebenhandlung als reines Zweispieler-Spiel: „Die Legenden von Andor: Chada & Thorn“.
Eine Übersicht, wie die ganzen Andor-Spiele (und ihre Roman-Vorgeschichte) zu einer zusammenhängenden Abenteuergeschichte verknüpft sind, gibt es hier.
„Maus und Mystik“ (im Original „Mice and Mystics“) ist ein kooperatives Fantasy-Abenteuer-Brettspiel für 1-4 Spieler, nur spielt man keine großen Helden, sondern heldenhafte Mäuse. Trotz der putzigen Protagonisten ist es kein Kinderspiel. Will Wheaton hat das Spiel in einer eindrucksvollen Brettspiel-Verfilmung (Teil 1, Teil 2) vorgestellt.
„Robinson Crusoe: Abenteuer auf der verfluchten Insel“ ist kein Fantasy-Abenteuer-, sondern ein Survival-Abenteuer-Brettspiel für 1-4 Spieler und vielfach preisgekrönt. Um den Survival-Aspekt zu betonen, ist es allerdings nicht leicht zu gewinnen. Das dürfte auch für den Nachfolger „Robinson Crusoe: Die Fahrt der Beagle“ und für das 2017 erscheinende mechanisch ähnliche Science-Fiction-Spiel desselben Autors „First Martians: Adventures on the Red Planet“ gelten.
„Villen des Wahnsinns: Zweite Edition“ (im Original „Mansions of Madness: Second Edition“) ist ein kooperatives Horror-Abenteuer-Brettspiel für 1-5 Spieler in Lovecrafts Cthulhu-Universum. Die Neuerung der zweiten Edition ist, dass eine App den Spielleiter ersetzt und das Spiel dadurch für alle Mitspieler kooperativ wird.
„Aventuria“ ist, wie der Name andeutet, ein kooperatives Fantasy-Abenteuerspiel in der Welt des Rollenspiels „Das Schwarze Auge“. Es ist aber kein Rollenspiel, streng genommen auch kein Brettspiel, sondern ein Kartenspiel. Ob man es Living Card Game (LCG) nennen kann ist fraglich. Denn LCG, eine Abwandlung vom Prinzip des Sammelkartenspiels (CCG), ist eine geschützte Marke von Fantasy Flight Games (FFG), die zu vielen beliebten Medienfranchises (etwa Star Wars, Cthulhu, Game of Thrones) solche Spiele und jeweils zahlreiche Erweiterungen herstellen. Kooperativ sind die folgenden beiden LCG-Settings von FFG:
- „Der Herr der Ringe: Das Kartenspiel“ (im Original „The Lord of the Rings: The Card Game“) beginnt mit Abenteuern, die nicht in Tolkiens Büchern behandelt werden, die Erweiterungen befassen sich aber mit Ereignissen aus dem Hobbit und dem Herrn der Ringe.
- „Arkham Horror: Das Kartenspiel“ (im Original „Arkham Horror: The Card Game“) in Lovecrafts Cthulhu-Universum, dessen deutsche Version im ersten Quartal 2017 beim Heidelberger Spieleverlag erscheinen soll.
Misslich, dass Living Card Game eine geschützte Bezeichnung ist, denn es gibt weitere Spiele, die nach ähnlichen Prinzipien funktionieren, etwa das Vs.-System mit seiner „Legendary“-Reihe und wie bei LCG teuren Lizenzen (etwa Marvel, Alien, Firefly und künftig sogar Buffy). Eine Übersicht über die „Legendary“-Spiele gibt es hier.
Auf eine teure Lizenz verzichtet hat dagegen das ganz ähnliche Kartenspiel „Sentinels of the Multiverse“, erkennbar ein Comic-Superhelden-Spiel mit allerlei thematischen Anleihen bei Marvel- und DC-Heldenteams, das seit 2011 zahlreiche Erweiterungen erhalten hat.
Insgesamt handelt es sich um Gesellschaftsspiel-Welten, in denen man in kleinen Gruppen bei voller Kooperation Feinde bekämpfen, Widerstände überwinden und schließlich das Böse besiegen kann, oder zumindest in einer lebensfeindlichen Umwelt überleben. Und das sind ja durchaus aktuelle Themen, die in optimistischer Weise zeitgenössische Ängste aufgreifen.
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