Augsburger Puppenkiste Kabarett 2011: Aufhören!

Erheitertes Publikum gab es auch in diesem Jahr wieder beim Kabarett-Programm der Augsburger Puppenkiste. An der Qualität der Gags kann das jedoch nicht gelegen haben: Die waren überwiegend unerträglich.

Vermutlich erfreuen sich die meisten Besucher der fast immer ausverkauften Puppenkisten-Aufführungen an der Nostalgie der Kindheitsunterhaltung, gemischt mit der Aura des Live-Erlebens und Wiederauflebens früher Fernseherfahrungen. An den liebevoll gestalteten Marionetten und Kulissen sowie an dem handwerklich ebenfalls zuverlässigen Puppenspiel kann man sicher ebenfalls Gefallen finden, wenn etwa Märchen nachgespielt oder andere klassische Stoffe (die seit bis zu 45 Jahren unverändert laufen) mit Holzpuppen umgesetzt werden.

Unlustiger Kasperl statt lustigem Kabarett

Das seit 1950 in jedem Jahr aufgelegte Kabarett-Programm aus diesmal 30 Sketchen (Selbstbeschreibung: „rund 40 Nummern“[1]) ist jedoch inhaltlich so dürftig ausgefallen, dass dem Zuschauer das Lachen leicht vergehen kann, wenn er nicht im Voraus oder in der dringend herbeigesehnten Pause Hochprozentiges hinzugibt. Abgesehen von der aufwändigen Rahmengestaltung wird die humoristische Qualität des Puppenkisten-Kabaretts 2011 wahrscheinlich von jedem im eigenen Haus improvisierten Kasperle-Theater spielend überboten.

Der Kasperl ist „von Anfang an dabei“, führt durch das Programm und spricht „in tiefstem Augsburgerisch“.[2] Tief meint hier jedoch nicht die Stimmlage, denn die ist ebenso quietschig wie die Texte nervig sind, die der spitzhütige Narr von sich gibt. Würgen müsste man entweder selbst oder ihn, wenn ihn das zum Schweigen brächte. Doch alle Geräusche – Texte, Musik und Effekte – sind vorproduziert und kommen vom Band. Berücksichtigt man dies, besteht das zum mittleren Preis von 20 Euro pro Person rund 100 mal pro Saison live Dargebotene vor allem aus dem Auf- und Abbau der Kulissen und dem kaum zu beanstandenden Marionettenspiel.

Augsburger Puppenkiste

Augsburger Puppenkiste im Parterre des Heilig-Geist-Spitals

Die Umbaupausen zwischen den Szenen zählen zu den am schwersten erträglichen Momenten in den Gewölbehallen des Augsburger Heilig-Geist-Spitals. In der Dunkelheit kann man sicher sein, dass jeden Moment eine Bahnhofsdurchsage aus den Lautsprechern erklingt, die ungerührt einen scherzhaft gemeinten Text vorträgt. Mangels Pointe sind solche Sprüche jedoch üblicherweise nicht einmal auf der Witzeseite eines Micky-Maus-Heftes zu finden. Mit monotoner Stimme heißt es dann etwa: „Was ist der Unterschied zwischen der Bahn und der Mafia? Die Mafia ist organisiert.“ Nicht genug, dass derartige Vergleiche oft gehört und selten lustig gefunden wurden. In diesem Fall lautet die verschwiegene Vergleichsgrundlage, die vielleicht mit dem Finanzamt, der Regierung Putin oder der CIA funktionieren mag, dass die Bahn eine Verbrecherbande sei. Nur wer das für eine unterdrückte Wahrheit hält, kann einen Ansatz von Witz in diesem einen von vermutlich 28 – wer kann da schon mitzählen? – gleichartigen Lückenfüllern finden.

Bitte nicht solche Witze über Stuttgart 21

Repräsentativ ist der Spruch auch insofern, als das diesjährige Programm sich die „Deutsche Bahn“ zum zentralen Thema gewählt hat. Über den mehrfachen Hinweis auf Unpünktlichkeit und den müden (und unpassenden) Vergleich zwischen Stuttgart 21 und dem Augsburger Königsplatz-Tunnelprojekt kommt dieser Schwerpunkt jedoch auch nicht hinaus. Garniert wird er von mehreren Instrumentalstücken, in denen Puppen mehr oder weniger wild umher zappeln, während Eisenbahnen in der Kulisse zu sehen sind. Manchmal fehlt selbst das, nur der Liedtext – den sich der Hörer in der Instrumentalpräsentation selbst hinzudenken muss – hätte einen Eisenbahnbezug.

Andere wiederkehrende Elemente sind das Mammut und sein Freund, der Neandertaler, seit 2009 im Programm befindliche Puppen ohne artikulierte Sprache (was bei den sonst so schlechten Texten als Vorteil gelten kann), die regelmäßig durch Grunzlaute und Knochenbrecher-Humor zu der Pointe gelangen, dass das Mammut klüger – zumindest aber schwerer – ist als der Frühmensch.

Immerhin sind solche Sinngehalte von Sketchen etwas weniger ermüdend als die ewige Wiederkehr des Kasperls, der in Minute vier der Vorstellung (die ersten drei Minuten sind einer Country-Band auf einer Dampflokomotive vorbehalten, zu sehen bei a.tv) bereits sein gesamtes Pulver verschossen hat, nachdem Westerwelle und Stuttgart 21 erwähnt sind. Weiter bringt der Kasperl noch angebliche Witzigkeiten über dumme Bundestagsabgeordnete und … was und? … nichts und. Der Kasperl-Klassiker, bei dem die Puppe in ihrer Funktion als Moderator durch eine Frage Kontakt zum Publikum aufnimmt, scheitert ja, da das Publikum nicht ganz wie gedacht mitspielt und die Stimme vom Band einfach weiterläuft.

Sketche ohne Verfallsdatum?

Weitere Sketche nötigen zu der Frage, wie oft sie denn allein in der Puppenkiste bereits umweltschonend wiederverwertet wurden – und ob es eine einjährige Karenzzeit gibt, in der das Publikum (von dem der Kasperl behauptet, es würde womöglich wiederkommen) sich von ihnen erholen kann. 20 Jahre ist der Film „Das Schweigen der Lämmer“ inzwischen alt, das zugrundeliegende Buch drei Jahre älter. Das ist also das maximale Alter der Nummer, in der zwei Schafe einige Zeit auf einer Wiese stehen und nichts tun, gefolgt von der Ansage: „Sie sahen: Das Schweigen der Lämmer.“

Ebenso veraltet wie die Autogrammkarte von Willy Fritsch

Viel älter, nämlich über 80 Jahre, ist das Lied „Ich laß mir meinen Körper schwarz bepinseln“, das Willy Fritsch 1930 für den frühen Tonfilm „Einbrecher“ sang. Es handelt sich durchaus um ein humoristisches Lied, das seinerzeit sogar leichte kabarettistische Aspekte besessen haben dürfte. So enthält es Zivilisationskritik, wenn das lyrische Ich plant, auf die Fidschi-Inseln auszuwandern und dort das einfache Leben zu genießen, sowie eine kritische Anspielung auf das Preußenlied und nationalistisch-konservative Preußentum, wenn der Protagonist statt „Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein“ bekennt: „Ich bin ein Fidsche, will ein Fidsche sein.“ Nach 80 Jahren versteht solche Anspielungen kaum noch jemand, was bleibt ist vielmehr der platte Rassismus der frühen 30er, dem zufolge auf Fidschi kulturlose, unzivilisierte und promiskuitive „Fidschi-Puppen“ in Bambus-Klitschen hausen, auf deren Niveau man sich einfach durch das Ablegen der Kleidung und das Schmutzigmachen mit schwarzer Farbe herablassen könnte (Blackface). Aus dieser Analyse hätte man einen schönen Musik-Sketch machen können, indem man das Bühnengeschehen 2011 etwas gegen den Strich des Textes von 1930 bürstet. Nicht jedoch die Puppenkiste, die den Text im Bild verdoppelt, nackte Figuren mit schwarzer Farbe beschmiert und vor ärmlichen Bambushütten herumhampeln lässt.

Zeitlos, aber deutlich besser als Comic-Strip umgesetzt denn mit einer Handpuppe (es ist ja nicht so, dass in jedem Stück Marionetten vorkämen), ist der folgende Gag, den man leider über die gesamte Länge der Nummer quälend herrannahen sehen muss:

Rausch der Geschwindigkeit

Gelungen: Deutsche Politiker als Gemeinschaft des Ringes

Wer sich bis hierher gequält hat, der verdient es auch, die besten Humor-Happen des Abends zu erfahren. Leider handelt es sich um genau einen Happen, der zudem nach etwa sieben Minuten bereits seinen Lauf nimmt: In einer düsteren Bergwerkskulisse treffen Figuren aufeinander, die überwiegend behaarte Füße haben, aber die Köpfe deutscher Politiker tragen. Mit Frodola Merklin und ihrem getreuen Samhofer streiten sich die Hobbits Trippin und Sigmarry um den richtigen Weg aus der Misere. Sie haben sich nämlich gemeinsam mit dem nutzlosen – aber aufgeblasenen – Guidolas von den (G)elben in den Minen von Gorlebia verirrt, und an Frodola zerrt der Ring der Macht, der mit geheimnisvoller Atomenergie aufgeladen ist.

Gysli der Zwerg kommt dazu und empfiehlt, sich scharf links zu halten, wo es Reichtum für alle gäbe. Höhepunkt des ganzen Abends(!) ist der Moment, in dem Trippin an eines der herumstehenden gelben Fässer stößt, das daraufhin in die dunkelsten Tiefen hinabstürzt und dort das Unheil aufweckt: Auf grünem Drachenleib wankt Claudia Roths Kopf zur Unterstützung von Sigmarry und Trippin heran und verlangt die Herausgabe des Ringes der Macht. Nur die Lichtgestalt Guttendalf (die einzige für dieses Jahr neu angefertigte Politikerpuppe) kann das Untier auf der Brücke von Gorlebia aufhalten, da er diese mit Haargel bestrichen hat. Statt Guttendalf vor dem Absturz zu retten, eilt Samhofer hinzu, um ihm auf die Finger zu treten.

Die Herr-der-Ringe-Adaption des Berliner Politzirkus droht das Puppenkisten-Publikum jedoch zu überfordern, wie sich an den grundlegenden Fehlinterpretationen in der Besprechung der Augsburger Allgemeinen zeigt.[3] Hobbits als Orks, den Ringträger als Herrn der Ringe und den Elben als Zwerg zu deuten – das demonstriert das Problem, ein einigermaßen anspruchsvolles Programm für ein Publikum zu machen, das die guten Gags gar nicht versteht.

Aufhören! Aufhören!

Nach dem Ende dieses Sketches – des Hoffnungsschimmers nach müdem Beginn – steigert sich das Programm jedoch immer weiter hinein in die tiefsten Tiefen des schlechten Humors. Fremdschämen ist kaum zu vermeiden, wenn klar wird, dass die Hälfte des Abends nach einer Stunde (zum Glück schon) vorbei, aber von Kabarett, Witz oder auch nur Comedy keine Spur mehr zu finden ist. Die Anstrengung, das lange gesunkene Schiff nicht zur Pause zu verlassen, sondern bis zum bitteren Ende auszuharren, ist nur mit dem Gedanken zu bewältigen, nachher mit Fug und Recht sagen zu können:

Wilfried Schmickler

Was meinen Sie denn dazu, Herr Schmickler? Aufhören?

Aufhören! Aufhören! Für diese Saison ist bereits alles verloren. Dem Kritiker bleibt nur die Empfehlung, nicht hin zu gehen, die 20 Euro pro Person lieber in echtes, lustiges Kabarett zu investieren – oder, falls schon bezahlt, einfach verfallen zu lassen und einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher zu verbringen. Denn so schlecht ist das deutsche Fernsehprogramm nun auch wieder nicht. Manchmal gibt es da sogar Kabarett, oder gelungenes Marionettentheater.

Der Augsburger Puppenkiste kann hingegen nur geraten werden, für einen Bruchteil der horrenden Einnahmen aus dem Kabarett-Programm einen echten Kabarettisten zu engagieren, der binnen weniger Wochen die Texte und Gags für ein buntes Kabarett 2012 verfassen kann. Und auf die kann man dann in den nächsten 50 Jahren immer wieder zurückgreifen.

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7 Antworten zu “Augsburger Puppenkiste Kabarett 2011: Aufhören!

  1. Das Kabarett 2010 krankte wohl an ganz ähnlichen Problemen.[1] In den Kommentaren dort forderte die Leserin „Susanne“ dazu auf, Verbesserungsvorschläge für die Puppenkiste einzubringen. Obige Empfehlung ist da durchaus ernst gemeint.

  2. Leonhard Schuster

    Herr/Frau Unbekannt,
    was Sie da von sich geben wird allgemein als Rufmord bezeichnet!
    Sie sollten aufpassen, dass Sie nicht eines Tages eine Anzeige wegen Rufschädigung erhalten. Ich bin zwar nicht gerade ein Freund der Augsburger Puppenkiste, aber was Sie in Ihren überflüssigen und sinnlosen Artikeln von sich geben geht wirklich zu weit!
    Kleiner Tipp: Sie sollten besser eine Therapie machen, statt mit ihrem „ach so hoch gebildeten“ (Achtung: Das ist sarkastisch gemeint!) Gerede das Internet zu verschmutzen. Schließlich ist es immer leichter über andere herzuziehen als sich selbst seine eigenen Probleme einzugestehen.

    P.S.: Sie werfen der Kritikerin „Susanne“ Ihrer „Kritik“ (???) am Kabarett 2010 „Geschrei“ vor. Da frage ich mich doch wirklich, was Sie sich hierbei für einen „Ton angewöhn(en)“. Damit sind Sie kein Stück besser als die von Ihnen als „herzige Kritiker-Kritikerin“ bezeichnete „Susanne“, welche – nun mal ehrlich – doch wohl einen wesentlich angemesseneren Umgangston pflegt, als sie das tun!

    In diesem Sinne
    AUFHÖREN!!! – Und zwar mit ihren mehr als fragwürdigen Kritiken

  3. Pöbeln Sie ruhig, Herr Schuster! Oft hilft es schon, mal ein bisschen Dampf abzulassen.

  4. Ludwig Schuster

    Sehen Sie Herr/Frau Unbekannt,
    sie sind kein Stück besser als Andere, schließlich sind Ihre frechen Kommentare mehr als Pöbelei. Sie sollten sich schämen!
    Und: Stehen Sie doch bitte auch endlich einmal namendlich zu Ihren „Kritiken“. Alles andere ist mehr als feige!!!
    „Hundekot im Briefkasten“??? Wo sind wir denn?

    P. S.: „Obige Empfehlung ist da durchaus ernst gemeint“ (nämlich: Aufhören! Und zwar mit Ihren mehr als fragwürdigen ‚Kritiken‘)

  5. Ah, noch ein Herr Schuster. Da muss irgendwo in Mittelfranken ein Nest sein. Das würde auch zur Fehlleistung „namendlich“ passen, die ja schon Susanne[1] unterlief. Aber ist nicht schlimm. Hier darf jeder Hundekot in den Briefkasten werfen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

  6. Lieber Unbekannter, ich freue mich schon auf Ihr eigenes Kabberett, was wir doch hoffentlich bald sehen werden, da Sie ja so toll und lustig zu scheinen sind! Eine Frage sei mir erlaubt: wieso, wenn Sie das Kabbarett der AugsburgerPuppenkiste so schlecht finde, , bezahlen Sie dann immer diese 20 Euro und schauen sich es an? Kleiner Tip,spende Sie die 20 Euro doch für : Brot für die Welt, Tafel Augsburg, Menschen für Menschen oder spielen Sie Lotto! Somit würden Sie Ihr Geld und Ihre Zeit für was Gutes spenden! Lieber Unbekannter, die“ APK“ ist nicht nur Urmel und Jim Knopf oder Kabbarett , Sie sollten sich doch mal mehr Informationen einhollen über Stücke der“ APK “ und selbige besuchen!
    Also, Sie informieren uns doch hoffentlich auf diesem Weg über Ihr “ supertolles und absolut lustiges neues selbst gemachtes Kabbarett“!
    Wenn nicht, ich freue mich schon auf Ihren Besuch in der „APK“ für Kabbarett 2012 und Ihren Kommentar! Vorverkauf ist glaube ich im Noveber 2011, vieleicht bekommen Sie ja Karten für 31.12 ( sind ein bischen teurer, aber das sollte es Ihnen schon wert sein), dann müßenen wir nicht so lange auf „Herrn Unbekannt“ warten!
    Mit freundlichen Grüßen Ihre Susanne
    P.S . Die Zeichnung von Ihnen ist echt nett!
    Gerade „das schweigen der Lämmer“ finde ich Genial!
    Mit lieben Grüßen an Unbekannt Ihre Susanne

  7. Pingback: Wetten, dass …? Blackface in Augsburg gut ankommt? | Erbloggtes

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