Botschaften aus Rom I: Ordentlich Dresche

Er schlägt es, doch wahrt er dabei die Würde des Kindes: Das ist ein Vater ganz nach dem Geschmack des Heiligen Vaters. Dresche hat noch keinem Kind geschadet, solange bloß ordentlich verdroschen wird, weiß Papst Franziskus. Also nicht ins Gesicht, sondern in Würde auf’s Gesäß.[1]

Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind

Max Ernst: “Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Éluard und dem Maler” (1926)

Mit dem Dreschen kennt man sich im Vatikan gut aus. Dort wird seit jeher intensiv gedroschen. Kinder sind im Vatikan allerdings Mangelware, abgesehen vom Jesulein, das aber grundsätzlich nicht verdroschen werden darf. Noch nicht mal von der Heiligen Jungfrau, weshalb der Maler Max Ernst 1926 durch den Kölner Erzbischof exkommuniziert worden sein soll. Und so treffen die Dreschflegel im Vatikan zumeist nur jenes Stroh, auf dem das Jesulein in der Krippe lag und auf dem sich die Karnickel so fruchtbar vermehren wie sonst nur noch die Katholiken. Letzteres gefällt dem Papst aber nicht so gut wie der Dreschvater.

Durch seine Bemerkung über das Verbläuen des Nachwuchses hat sich der Papst seinerseits Dresche zugezogen. Zuvor hatte sein Vergleich vermehrungsfreudiger Katholiken mit Kaninchen schon den Zentralverband der deutschen Rassekarnickelzüchter (ZDRK) empört. Kurz vor der 25. Bundes-Rammlerschau in Ulm musste ZDRK-Präsident Leowsky klarstellen, dass das Sexualleben des deutschen Rassekarnickels „in geordneten Bahnen“ verläuft. Nur das gemeine Wildkaninchen rammelt demnach wie die sprichwörtlichen Wilden in Nordwest-Melanesien einfach drauflos. Der Papst sollte lieber die Verhütung freigeben, als „solche dummen Sprüche loszulassen“, meint Leowsky.[2]

Während der ZDRK in dieser Sache also klare Worte findet, bleibt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) stumm. Auch die frühere ZdK-Vizepräsidentin und jetzige deutsche Botschafterin des Heiligen Stuhls hat sich zum Karnickelvergleich bisher ebensowenig geäußert wie zur Approbation körperlicher Züchtigung als eines heutigen Erfordernisses der Gewissensbildung. Allerdings hatte sich Annette Schavan kürzlich schon darauf festgelegt, „dass dieser Papst es ernst meint, wenn er etwas sagt.“[3]

Das große Thema des Heiligen Vaters

Die Botschafterin hat sich als Papst-Deuterin schon sehr hervorgetan und mit ihren stets begeisterten Referaten des Heiligen Vaters unter Beweis gestellt, wie nützlich ein theologisches Studium und wie überflüssig ein Doktortitel im höheren diplomatischen Dienst ist. Beim vatikanischen Jahresempfang für das diplomatische Corps sprach Papst Franziskus vom Kind, das in der Krippe geboren werden musste und in der Kälte gelassen wurde, um dann auf die Leiden der Ausgestoßenen und Geschundenen in der Welt einzugehen:

„Es gibt eine Art Ablehnung, die uns gemeinsam ist, die uns dazu leitet, auf den Nächsten nicht wie auf einen Bruder zu schauen, den man annimmt, sondern ihn außerhalb unseres persönlichen Lebenshorizonts zu lassen, aus ihm sogar einen Konkurrenten zu machen, einen zu beherrschenden Untertan. … So verbindet sich mit einer persönlichen Dimension der Ablehnung unausweichlich eine soziale Dimension, eine Kultur, die den anderen zurückweist, die engsten und echten Beziehungen abbricht und am Ende die ganze Gesellschaft auflöst und sie auseinander brechen lässt und Gewalt und Tod hervorbringt.“[4]

Botschafterin Schavan hat dieser Ansprache offenbar mehr schlecht als recht folgen können. Ihre sozialethische Dimension ist ihr völlig entgangen. Stattdessen rückt in ihrer Deutung – ganz gegen den ausgeprägt überkonfessionellen Geist dieser Rede – die Ablehnung der christlichen Glaubensbotschaft in den Vordergrund:

„Das war eine Rede, so finde ich, über die fatale Wirkung verhärteter Herzen, die den Frieden zurückgewiesen haben schon am Beginn, als sie nicht glauben wollten, dass dieser Frieden von einem Kind in der Krippe kommt.“[5]

Davon hatte der Heilige Vater zwar überhaupt nicht gesprochen, doch dergleichen weiß man als Annette Schavan schon seit dem allerersten Religionsunterricht in der Grundschule. Der wurde ihr nie aberkannt und ist also immer noch wahr. Auch die Internet-Seiten der deutschen Botschaft vom Heiligen Stuhl künden deshalb vom verhärteten Herzen der Menschheit, das „eine Ursache für die Zurückweisung des Friedens“ sei, „die mit der Ablehnung des Kindes in der Krippe begonnen habe.“[6]

Weiter deutete Schavan die Papstworte:

„Die Zurückweisung des Friedens durch verhärtete Herzen an vielen Stellen in der Welt heute, die Wirkung der verhärteten Herzen in der Form des Fundamentalismus, auch des religiösen Fundamentalismus, der zur Barbarei fähig ist: Das war das große Thema, so habe ich es empfunden.“[5]

Tatsächlich hatte der Papst dieses große Thema in seiner Rede eher kurz gestreift. Umso hilfreicher waren hierzu daher ergänzende und focussierende Ausführungen, die die Botschaft des Papstes verständlich machten:

Unter Bloggern

Gebrüder Moped: Wie gefährlich ist das Christentum?

“Gebrüder Moped”, Österreichs Antwort auf den “Focus”, titelt: “Integrationsunwilliger Spaßprediger fordert würdevolle Schläge für Kinder”

Die exzellente Kompetenz der Botschafterin und früheren Honorarprofessorin für katholische Theologie in Glaubensfragen ist auch dem Online-Magazin „Focus“ nicht entgangen. Beim „Focus“ bloggen zahlreiche Publizisten (und wenige Publizistinnen). Stets sind die Artikel mit der Formel „von FOCUS-Online-Experte …“ gezeichnet, also zum Beispiel „von FOCUS-Online-Experte Jorgo Chatzimarkakis“, „von FOCUS-Online-Experte Thilo Sarrazin“, „von FOCUS-Online-Experte Stanislaw Tillich“ oder „von FOCUS-Online-Experte Jürgen Rüttgers“. Wenn die Politiker – um solche handelt es sich meist – ausgesprochen irrelevant sind, gönnt „Focus“ ihnen eine Funktionsbezeichnung, etwa „von FOCUS-Online-Experte Wolfgang Kubicki (FDP-Spitzenpolitiker)“ oder, um mal eine Frau herauszusuchen, „von FOCUS-Online-Expertin Dorothee Bär (CSU-Bundestagsabgeordnete)“.

In der Vorweihnachtszeit bekam die „Focus“-Expertenrunde namhaften Zuwachs: Seit dem 1. Advent 2014 wurde dort auch „von der Deutschen Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan“ gebloggt. In offizieller Funktion also wandte sich Ihre Exzellenz an andere Vatikan-Diplomaten, und natürlich an ihre Gemeinde: Es handelte sich bei Schavans adventszeitlichen Blogbeiträgen jeweils um sonn- und feiertägliche Predigten, denn offenbar gehört dergleichen zu ihren Amtspflichten als Vatikan-Botschafterin. Würde „Focus“ auch andere Predigten publizieren, beispielsweise solche des Papstes, würden sie zweifellos mit „von FOCUS-Online-Experte Papst Franziskus“ überschrieben sein. Da reicht die Theologin Annette Schavan freilich nicht heran, aber immerhin, als „Deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl“ ist Schavan zweifellos die Deutsche mit dem höchsten Rang im Vatikan, also ungefähr auf einer Stufe mit einem Erzbischof. Erzbischof ist zufällig auch genau ihre Besoldungsstufe.[7]

Frohe Botschafterin

Die Predigten von Botschafterin Annette sind stets von ausgesuchter Qualität. Sie eröffnen immer wieder neue Interpretationsmöglichkeiten, was ihren geistlichen und geistigen Wert unterstreicht. Insbesondere im Hinblick auf Schavans Umgang mit ihrer plagiierten Doktorarbeit und ihrem entzogenen Doktortitel spricht sie oftmals in der Sprache der Gleichnisse frei von der Seele weg. Zum 4. Advent etwa predigte sie über

„die Hoffnung und die Sehnsucht. Sie machen unseren Glauben aus. Sie lassen uns nicht verzweifeln an unseren Grenzen. Sie richten unseren Blick auf ihn, der unser Stückwerk der Gerechtigkeit aufnimmt und das Werk vollendet.“[8]

Der Symbolismus ist so offensichtlich, dass seine Dechiffrierung jedem Leser leicht fallen dürfte. Die um Rehabilitierung durch die Wissenschaft selbst ringende Botschafterin sah sich in der Vorweihnachtszeit zum Hoffen ermutigt, dass es Alternativen gibt zu ihrem vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gescheiterten Versuch, den Doktor zurückzubekommen:

„Wo unser Bemühen auf Grenzen stösst, vermag das Kind in der Krippe mit seinem Leben neue Wege der Gerechtigkeit zu eröffnen.“[8]

In der Vorweihnachtszeit hätte man von einer Theologin mit Abitur erwarten können, dass sie die versöhnliche Botschaft von Liebe und Frieden verbreitet. Doch Schavan hat ja einen gewissen Anspruch, so wie der Papst, der zu Weihnachten in der Kurie einigermaßen unversöhnlich Missstände angeprangert hatte, bevor er sich – weitaus öffentlichkeitswirksamer – Missständen der Karnickelzucht und der Kuschelpädagogik zuwandte. Auch Schavan ist unversöhnlich, kennt aber nur einen Missstand: Den Stand einer Ex-Doktorin. Der Analyse von Schavans Wirken als Bloggerin und Predigerin widmen sich daher die weiteren Teile dieser Serie.

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2 Antworten zu “Botschaften aus Rom I: Ordentlich Dresche

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