Botschaften aus Rom III: Erblickt meine Werke, Mächtige, und erzittert!

Eröffnete sich in den Adventspredigten der Botschafterin Annette Schavan bereits die Aussicht, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft zur Macht zurückkehren könnte, so blieb darin offen, was dann mit ihren Gegnern zu geschehen hätte. Die düsteren Andeutungen der Apokalypse, die Schavan in der Adventszeit ausstieß, ließen aber eines geboten erscheinen: Man muss für sie beten! Etwa so:

„Annette Schavan
Abendgebet in der Basilica Santa Maria in Trastevere
am Sonntag, 9. November 2014
Mit meinem Gott überspringe ich Mauern (Psalm 18)“

Die offizielle Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl präsentiert auf vatikan.diplo.de dieses Kunstwerk, mit dem die offizielle Botschafterin ihren Gegnern eine offizielle Botschaft zukommen lässt, eingeleitet mit einem Gedicht:

„Tiefe Finsternis
und helle Freude,
mordende Meuten
und die Kraft der Gebete,
Brennende Synagogen
und eine zu Fall gebrachte Mauer“

[vermutlich gedichtet 2014 von Annette Schavan]

Doch erhabener noch als solche Dichtkunst sind die Worte des Psalms 18, denn sie geben einen Ausblick auf „Rettung und Sieg“, gedichtet „Von David, dem Knecht des Herrn, der dem Herrn die Worte dieses Liedes sang an dem Tag, als ihn der Herr aus der Gewalt all seiner Feinde und aus der Hand Sauls errettet hatte.“ (Ps 18,1)

Psalmauslegung, Variante der Auslassung

Psalmen, so Schavan, „beschreiben die Abgründe und die tiefen Täler ebenso wie die Gipfel und großen Momente im Leben von Menschen“, vor allem in Beziehung zu Gott. Etwa so:

„Mich umfingen die Fesseln des Todes,
mich erschreckten die Fluten des Verderbens“ (Ps 18,5).
„In meiner Not rief ich zum Herrn
und schrie zu meinem Gott“ (Ps 18,7).

Das Abendgebet in der Basilica Santa Maria in Trastevere marschiert zunächst durch die Deutsche Geschichte. Doch die Schiefheit eines Geschichtsbildes kann hier nicht Thema sein; Annette Schavan wollte schließlich nie als Historikerin, sondern immer als Theologin gelten. Als solche unternimmt sie es auch im großen Finale ihres Abendgebets, die Widrigkeiten des realen Lebens durch martialisch-sportliche Glaubensleistungen zu überwinden:

„Und wir haben auch erfahren, dass Religion instrumentalisiert wird für Gewalt. Wieder sind Menschen an Leib und Leben bedroht und müssen fliehen. Wieder sehen wir Bilder der Brutalität und menschlicher Tragödien. Wieder wachsen Verzweiflung und die Macht des Bösen.
Umso eindringlicher wirkt das Wort des Psalmisten:
„Mit meinem Gott erstürme ich Wälle,
mit meinem Gott überspringe ich Mauern“ (Ps 18,30).“

Julius Schnorr von Carolsfeld: Die Bibel in Bildern (1860)

Biblische Alternative zum Erstürmen und Überspringen: Niederreißen mit akustischem Belagerungsgerät (Jos 6)

Religion, instrumentalisiert für Gewalt? Wie unschön. Bei solchen Bildern fromm verbrämter Brutalität und menschlicher Tragödien mag die Predigerin gar nicht verweilen. Lieber hüpft sie unvermittelt zurück zum wunderbaren Mauerfall, bei dem alles friedlich blieb und gut wurde: Da gingen die Menschen, Gläubige offenbar allesamt,

„mit Kerzen auf die Straßen und Plätze. Sie beteten. Sie riskierten viel.“

Scorpions Wind of Change (1991), Szenenbildausschnitt

Was Annette Schavan zu erwähnen vergaß: Die Posaunen von Jericho fanden 1989/90 würdige Nachfolger in den E-Gitarren von Berlin

Und mit ihrem Gott übersprangen sie die Berliner Mauer und erstürmten die Grenzübergänge an der Chausseestraße und an der Bornholmer Straße.

Doch steckt in Psalm 18 viel mehr als eine Anleitung zur friedlichen Revolution, zur Versöhnung mit einer verqueren Version der Deutschen Geschichte.

Die ausgelassenen Stellen des Psalms

Man beachte nur die Stellen von Psalm 18, die Schavan nicht singt:

„Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht.“ (Ps 18, 3)

Ein feste Burg ist unser Gott, dichtete Luther gegen die „Türkengefahr“, und meinte das kollektiv. Schavan sieht die Sache mit Leiden und Feinden wohl eher persönlich:

„In meiner Not rief ich zum Herrn und schrie zu meinem Gott. Aus seinem Heiligtum hörte er mein Rufen, mein Hilfeschrei drang an sein Ohr.
Da wankte und schwankte die Erde, die Grundfesten der Berge erbebten. Sie wankten, denn sein Zorn war entbrannt.
Rauch stieg aus seiner Nase auf, aus seinem Mund kam verzehrendes Feuer, glühende Kohlen sprühten aus von ihm.
Er neigte den Himmel und fuhr herab, zu seinen Füßen dunkle Wolken.“ (Ps 18, 7-10)

Aber so apokalyptisch furchterregend dieser Ausbruch und das Niederfahren Gottes aus der Höhe seines Heiligtums auch ist, so gewiss bringt er doch Hilfe und Errettung:

„Er entriss mich meinen mächtigen Feinden, die stärker waren als ich und mich hassten.
Sie überfielen mich am Tag meines Unheils, doch der Herr wurde mein Halt.“ (Ps 18, 18f.)

Und warum hat er den Erzähler vor seinen Feinden gerettet? Wer Schavans Adventspredigten kennt, ahnt es schon: Wegen der Treue zum wahren Gläubigen!

„Der Herr hat gut an mir gehandelt und mir vergolten, weil ich gerecht bin und meine Hände rein sind.
Denn ich hielt mich an die Wege des Herrn und fiel nicht ruchlos ab von meinem Gott.
Ja, ich habe alle seine Gebote vor Augen, weise seine Gesetze niemals ab.
Ich war vor ihm ohne Makel, ich nahm mich in Acht vor der Sünde.
Darum hat der Herr mir vergolten, weil ich gerecht bin und meine Hände rein sind vor seinen Augen.
Gegen den Treuen zeigst du dich treu, an dem Aufrichtigen handelst du recht.
Gegen den Reinen zeigst du dich rein, doch falsch gegen den Falschen.“ (Ps 18, 21-27)

Für den Reinen hat er auch noch ein paar Gimmicks eingebaut, so dass das mit dem Mauern Überspringen kein Problem mehr darstellt, und die Feinde am Ende aussehen wie das Schwertfutter in Schwarzeneggers Conan-Filmen:

„Gott hat mich mit Kraft umgürtet, er führte mich auf einen Weg ohne Hindernis.
Er ließ mich springen schnell wie Hirsche, auf hohem Weg ließ er mich gehen.
Er lehrte meine Hände zu kämpfen, meine Arme, den ehernen Bogen zu spannen.
Du gabst mir deine Hilfe zum Schild, deine Rechte stützt mich; du neigst dich mir zu und machst mich groß.“ (Ps 18, 33-36)

Aber dann geht es erst richtig los mit der Rachephantasie, die der gütige Gott der Gerechten ermöglicht, und die Ungläubige erschaudern lassen sollte:

„Ich verfolge meine Feinde und hole sie ein, ich kehre nicht um, bis sie vernichtet sind.
Ich schlage sie nieder; sie können sich nicht mehr erheben, sie fallen und liegen unter meinen Füßen.
Du hast mich zum Kampf mit Kraft umgürtet, hast alle in die Knie gezwungen, die sich gegen mich erhoben.
Meine Feinde hast du zur Flucht gezwungen; ich konnte die vernichten, die mich hassen.
Sie schreien, doch hilft ihnen niemand, sie schreien zum Herrn, doch er gibt keine Antwort.
Ich zermalme sie zu Staub vor dem Wind, schütte sie auf die Straße wie Unrat.
Du rettest mich vor zahllosem Kriegsvolk, du machst mich zum Haupt über ganze Völker. Stämme, die ich früher nicht kannte, sind mir nun untertan.
Sobald sie mich nur hören, gehorchen sie. Mir huldigen die Söhne der Fremde,
sie kommen zitternd aus ihren Burgen hervor.
Es lebt der Herr! Mein Fels sei gepriesen. Der Gott meines Heils sei hoch erhoben;
denn Gott verschaffte mir Vergeltung und unterwarf mir die Völker.“ (Ps 18, 38-48)

Über die Frage, wie Religion so „instrumentalisiert“ werden kann für Gewalt, woher die „Bilder der Brutalität und menschlicher Tragödien“ kommen, und wie „Verzweiflung und die Macht des Bösen“ in den Menschen wachsen, dürfte nun keine Unklarheit mehr bestehen. Wie hingegen die Phantasien vom Tag der Abrechnung aussehen, die Schavan nicht nur im November 2014, sondern auch die ganze Adventszeit hindurch beschäftigt haben, darüber lässt sich nur spekulieren. Aber in den blutigsten Farben. Psalm 18 ist weithin unterschätzt, kommt in Predigten selten vor. Aber in manchen Lebenslagen, da empfiehlt der kundige Seelsorger doch auch einmal diese Botschaft der göttlichen Gerechtigkeit, auf die sich dann Hoffnung und Sehnsucht richten können.

alexzakil: Ozymandias (2012)

Illustration von alexzakil, Lizenz: CC-BY-ND 3.0

Denn wer seine Feinde nicht mehr erzittern macht, von dem bleibt am Ende vielleicht – und mit dieser von Adolf Strodtmann und Percy Bysshe Shelley anverwandelten Strophe schließt die Botschaftsanalyse – nichts in Erinnerung:

Nichts weiter als ein Bild von düstrem Grame,
dehnt um die Trümmer endlos, kahl und leer
die Wüste sich, die den Koloss begräbt.

tl;dr: Annette Schavan, Botschafterin, Bloggerin, Predigerin: Diese dreiteilige Analyse ihres theologischen Werkes zum Jahresende 2014 gibt tiefe Einblicke in die Leitmotive der Kreativität, mit der sie an ihrer Zukunft arbeitet.

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Eine Antwort zu “Botschaften aus Rom III: Erblickt meine Werke, Mächtige, und erzittert!

  1. Nachdem Frau Schavan nun erste Schritte in der Blogospehere getan hat, seien hier einmal Anregungen für die weitere Karriere demütigst angeboten. Schön wäre doch eine Late-Night-Show um 22 Uhr zusammen mit Tebartz-van Elst. Vielleicht kann Erbloggtes schon einmal das Eröffnungsmanuskript schreiben? Sollte auch diesem Format wider Erwarten keine größere Aufmwrksamkeit als sechs Focus-Leser beschert sein, dann könnte vielleicht die Teilnahme beim Katholikencamp noch eine Anschlussverwendung bei den Privaten ermöglichen. Sozusagen als Gegenveranstaltung zu anderen privaten Produktionen, diesmal aber mit dem richtigen geist(l)ichen Unterbau. Ein vorläufiger Arbeitstitel könnte beispielsweise Kathopia sein. Ich bin mir sicher, dass bei dieser wegweisenden Reinterpretation des Genres sogar Graham Chapman gerne mit von der Partie sein wird.

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