Wetten, dass …? Blackface in Augsburg gut ankommt?

Erbloggtes hatte vor fast drei Jahren schon einmal eine Begegnung mit Blackface und der Augsburger Puppenkiste geschildert, die die Problematik etwas deutlicher vorführte als der „Negerbaby“-Topos von Jim Knopf, den die aktuell laufende ZDF-Sendung „Wetten, dass …?“ zur Saalwette (oder heißt die jetzt Stadtwette?) gemacht hat:

Eine Rezension des Kabarettprogramms 2011 der Augsburger Puppenkiste fiel damals insgesamt so schlecht aus, dass manche Betroffenen darin „Rufmord“ sehen wollten. Daraus nur folgender Auszug zum Thema Blackface:

Sketche ohne Verfallsdatum?

Weitere Sketche nötigen zu der Frage, wie oft sie denn allein in der Puppenkiste bereits umweltschonend wiederverwertet wurden – und ob es eine einjährige Karenzzeit gibt, in der das Publikum (von dem der Kasperl behauptet, es würde womöglich wiederkommen) sich von ihnen erholen kann. 20 Jahre ist der Film „Das Schweigen der Lämmer“ inzwischen alt, das zugrundeliegende Buch drei Jahre älter. Das ist also das maximale Alter der Nummer, in der zwei Schafe einige Zeit auf einer Wiese stehen und nichts tun, gefolgt von der Ansage: „Sie sahen: Das Schweigen der Lämmer.“

Ebenso veraltet wie die Autogrammkarte von Willy Fritsch

Viel älter, nämlich über 80 Jahre, ist das Lied „Ich laß mir meinen Körper schwarz bepinseln“, das Willy Fritsch 1930 für den frühen Tonfilm „Einbrecher“ sang. Es handelt sich durchaus um ein humoristisches Lied, das seinerzeit sogar leichte kabarettistische Aspekte besessen haben dürfte. So enthält es Zivilisationskritik, wenn das lyrische Ich plant, auf die Fidschi-Inseln auszuwandern und dort das einfache Leben zu genießen, sowie eine kritische Anspielung auf das Preußenlied und nationalistisch-konservative Preußentum, wenn der Protagonist statt „Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein“ bekennt: „Ich bin ein Fidsche, will ein Fidsche sein.“

Nach 80 Jahren versteht solche Anspielungen kaum noch jemand, was bleibt ist vielmehr der platte Rassismus der frühen 30er, dem zufolge auf Fidschi kulturlose, unzivilisierte und promiskuitive „Fidschi-Puppen“ in Bambus-Klitschen hausen, auf deren Niveau man sich einfach durch das Ablegen der Kleidung und das Schmutzigmachen mit schwarzer Farbe herablassen könnte (Blackface). Aus dieser Analyse hätte man einen schönen Musik-Sketch machen können, indem man das Bühnengeschehen 2011 etwas gegen den Strich des Textes von 1930 bürstet. Nicht jedoch die Puppenkiste, die den Text im Bild verdoppelt, nackte Figuren mit schwarzer Farbe beschmiert und vor ärmlichen Bambushütten herumhampeln lässt.

Komplette Rezension vom 15. Januar 2011 lesen.

Den Augsburgern gefiel’s. Ebenso werden sie ihren Stolz auf die Augsburger Puppenkiste und alles, was da so geschieht, gewiss auch in „Wetten, dass …?“ zum Ausdruck bringen.

————————————————————

7 Antworten zu “Wetten, dass …? Blackface in Augsburg gut ankommt?

  1. Und so geschah es auch. Zahlreiche Paare in Lokomotivführer-Negerjunge-Verkleidungskombination – selbstverständlich mitsamt Blackfacing – strömten schließlich in die Halle.[1] Vermutlich handelt es sich bei diesem Paar in Augsburg um eine beliebte Faschingsverkleidung; im Studio tauchten auch zahlreiche Lokomotiven-Attrappen auf. Unrühmlicher Höhepunkt, aber bezeichnend für den Augsburger Lokalpatriotismus in Bezug auf die Puppenkiste – und für die Bedenkenlosigkeit des dortigen Alltagsrassismus, war der Auftritt des Oberbürgermeisters Kurt Gribl (CSU) als Lukas mit seiner schwarz bepinselten Ehefrau als Jim Knopf.

    Derweil entdeckte „DWDL. Das Medienmagazin“ „bei Twitter einen vermeintlichen ‚Shitstorm'“, der dann seiner Ansicht nach doch keiner war, und wenn dann überflüssig, wie die Überschrift „Wetten, dass..?“ im Shitstorm: Nun ist’s mal gut unmissverständlich klar machte. Dabei hatte Alexander Krei von DWDL.de offenbar gar nicht verstanden, dass die Aufregung von der Blackface-Gaudi ausgelöst wurde, geschweige denn, was das überhaupt ist. Der Begriff kommt in seinem Artikel nicht vor, und auf Twitter erklärte DWDL zum Grund des Shitstorms:

    So attraktiv es alten weißen Männern erscheinen mag, über Weihnachten die Kinderbuch-„Neger“-Debatte vom vorigen Jahr zu wiederholen (siehe etwa das Sprachlog zu Jim Knopf und Pippi Langstrumpf, und Astrodicticum Simplex u.a. zu Die kleine Hexe), da sie bestenfalls ausging wie das Hornberger Schießen, wäre es an dieser Stelle doch sinnvoller, Rassismus in Kinderbüchern vom Rassismus der Blackface-Praxis zu unterscheiden.

    [Nachtrag: Später bestreitet der DWDL-Twitterer, dass es sich bei der Jim-Knopf-Verkleidung überhaupt um Blackfacing handele.[2] Und das obwohl man ihm mit diesem Artikel ein nichtmal schlechtes Verständnisangebot unterbreitet hatte.]

    Auch scheint Verständnis für die Problematik nicht so leicht zu vermitteln zu sein. Das Niveau solcher Kommentare zeigt, wie viel Erkläraufwand, angefangen auf wie basalen Niveaus da noch zu betreiben wäre, bevor man überhaupt zu diskutieren anfangen könnte.

    Die Lösung kann allerdings nicht sein, willkürlich manchen Menschen die Definitionsmacht für Rassismus zuzusprechen und sie anderen zu entziehen. Es sind nämlich dieselben Machtverhältnisse, die bloß negativiert und dabei perpetuiert werden:

    Mehr zu diesem Problemfeld findet sich hier. Der soziokulturell tief verankerte Rassismus wird nicht dadurch weggehen, dass man die Leute Rassisten nennt. Wenn sie nicht verstehen, warum eine Praxis rassistisch ist, werden sie ihre rassistische Praxis bloß gegen solche Kritik verteidigen und damit stabilisieren.

  2. Pingback: Blackfacing: Aber IHR macht Jim Knopf zum Opfer! – Alis Afrika-Blog

  3. Pingback: “Zigeuner” | Koloniale Gefängnisse

  4. Pingback: Umleitung: Heavy Metal, Ginger Baker, Blackfacing, die Große Kopulation, Willy Brandt, Ollenhauer und der Kreishaushalt 2014 | zoom

  5. Einige weitere Beiträge:
    Letos Logbuch: Blackfacing bei “Wetten, dass…?”
    http://tonsen.net/blog/?page_id=357
    Ephemera: Blackface bei „Wetten, Dass…“ http://astefanowitsch.tumblr.com/post/70083922017/blackface-bei-wetten-dass
    Die Trendblogger: Meanwhile in Germany: Why not blackfacing? http://dietrendblogger.de/meanwhile-in-germany-why-not-blackfacing/

  6. Pingback: Rassismusbedingung: Rassismusleugnung | Erbloggtes

  7. Pingback: leave markus alone! | No Average Robot

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..