Promoviert sein und bleiben: Steinmeier, Schavan und die Lösung des Plagiatsproblems

Erbloggtes von Causa Schavan:

So wurde kurz nach dem Düsseldorfer Reinfall der Annette Schavan unser jetziger Außenminister Frank-Walter Steinmeier durch die Justus-Liebig-Universität von jeglichem Plagiatsverdacht reingewaschen. Seitenweise hatte er in seiner 1991 vorgelegten Dissertation fremde Textteile aneinandergefügt, ohne die wörtlichen Zitate zu kennzeichnen, und sich dabei gerne auch gleich die Erläuterungen und Literaturnachweise aus den fremden Fußnoten angeeignet. […]
Wohl nicht ganz sauber, aber reingewaschen ist nun auch Dr. med. dent. Solaiman M. […] In Gießen nimmt man derlei nicht allzu schwer. M. ist allerdings kein prominenter Politiker und muss deshalb hinnehmen, dass man ihm immerhin wissenschaftliches Fehlverhalten attestiert. Wolf-Dietrich Walker, der Vorsitzende der Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis an der Justus-Liebig-Universität, teilte VroniPlag Wiki mit Schreiben vom 15. Juni 2014 gleichwohl mit, die Kommission habe M.s Fehlverhalten

nicht als so schwerwiegend angesehen, dass es mit dem Entzug des Doktorgrades geahndet werden müsste. Das Verfahren gegen Dr. M[…] ist daher endgültig abgeschlossen. [2]

Diese Auskunft kann nicht überraschen. Wie könnte denn die Universität Gießen angesichts der offen zu Tage liegenden Tatsachen im Fall Steinmeier auch jemals noch einen Doktorgrad wegen Plagiaten entziehen? Überraschen wird diese Erklärung auch nicht deshalb, weil die Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis ein solches Verfahren gar nicht führen darf und demzufolge auch nicht abschließen kann.

Weiterlesen… noch 1540 Wörter.

Die nun eingetretene Spätfolge des von Simone G. nochmals exemplarisch vorgeführten Falls Steinmeier, dass in Gießen nun niemand mehr wegen Plagiats entdoktort wird, war die eine Möglichkeit. Ihre Alternative, dass nur für Steinmeier eine Ausnahme gemacht wurde, wäre noch weniger wünschenswert. So geht der Gießener Doktorgrad dann wenigstens konsequent mit Persil und Calgon unter.

Anders dagegen Annette Schavan. Die bleibt Dr. phil., jedenfalls in ihrer homepagelichen „Vita“: „1980: Promotion zum Dr.phil. (gültig bis 2014)“[1] steht da nun, und wird so wohl auch stehenbleiben. Der Doktor erweist sich als Auslaufmodell, der langsam aber sicher seine Gültigkeit verliert. Die Unentziehbarkeit, auf die an verschiedenen Stellen Interessengruppen mit verschiedenen Mitteln hingearbeitet haben, passt sich gewissermaßen in übergreifende Tendenzen wie selbstverjährende Doktortitel oder Promotionsrechte für Fachhochschulen ein.

Eine Seite wie VroniPlag Wiki wird daher mittelfristig auch nicht mehr gebraucht. Wie passend, dass nun (endlich, wie manche jubilieren werden) jemand ein scharfes Schwert gegen das Plagiatsjakobinertum geschmiedet hat: Die Düsseldorfer Kanzlei Kötz Fusbahn hat im Namen des auf VroniPlag dokumentierten Düsseldorfer Mediziners Sandro Lorenz eine DMCA-Takedown-Notice an Wikia geschickt. Dort hat man daraufhin unverzüglich die entsprechende Plagiatsdokumentation gelöscht. Dabei handelt es sich um ein Verfahren nach dem „Digital Millennium Copyright Act“ (1998), in dem ein angeblicher Copyright-Inhaber einem Webseitenbetreiber eine vermeintliche oder tatsächliche Urheberrechtsverletzung meldet und den Webseitenbetreiber so – auf dem kurzen Dienstweg – zur Offlinestellung der inkriminierten Inhalte zwingt.

Das DMCA-Verfahren funktioniert gerade bei US-amerikanischen Webseitenanbietern recht zuverlässig und ist auch allen zu empfehlen, die sich zum Beispiel von irgendwelchen Inhalten dieses Blogs gestört fühlen. Man muss dabei nur versichern, dass durch eine konkret bezeichnete Internetseite die eigenen Urheberrechte verletzt würden. So macht es dann auch der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Daniel Kötz in der DMCA-Nachricht an Wikia:

„Your website is hosting content which is copyrighted by our client. […] The usage of my client’s texts in a public place such as “vroniplag” is not within legal boundaries.“[3]

Es geht dabei wohlgemerkt um die VroniPlag-übliche Gegenüberstellung von plagiiertem Text und seiner Vorlage. Und – nur um das nochmal klar zu sagen – der von VroniPlag als Plagiator ausgemachte Dr. med. behauptet, die Urheberrechte an den von ihm plagiierten Inhalten zu besitzen. Und die Urheberrechte an von VroniPlag-Mitarbeitenden formulierten Analysen ebenfalls. Wer die Funktionsweise eines solchen DMCA-Verfahrens genauer erfahren will, findet ausführliche Erläuterungen an einem eingängigen Beispiel auf der Diskussionsseite des Wikia-Mitarbeiters, der die Löschungen durchführte und sich anschließend den Fragen und Einwänden der VroniPlag-Aktiven aufopferungsvoll stellte.

Dass das Urheberrecht zur Beseitigung missliebiger Informationen aus dem Internet missbraucht werden könnte – das hätte ja niemand ahnen können!

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9 Antworten zu “Promoviert sein und bleiben: Steinmeier, Schavan und die Lösung des Plagiatsproblems

  1. Pingback: SAQ: Schavanly Asked Questions | Erbloggtes

  2. Das ist nichtmal eine richtige DMCA Notice. Es fehlen die nach 17 U.S. Code. Section 512(c)(3) erforderlichen Angaben über das verletzte Werk und vor allem eine eidesstattliche Versicherung („under the penalty of perjury“), dass der Beschwerdeführer vom Urheberrechtsinhaber beauftragt wurde. Gerade weil es um Plagiate geht, ist dieses Fehlen bemerkenswert.

    http://www.law.cornell.edu/uscode/text/17/512

  3. Pingback: Umleitung: Ein NSA-Leerlink namens Sensburg, die Grünen und der Krieg, Parteiübertritte, ein peinliches Redemanuskript sowie die Lösung der Plagiatsprobleme. | zoom

  4. Dr.Dr. med. Dr. phil. Harald Grausam, Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie

    Der Kollege Lorenz hat es prinzipiell ganz richtig gemacht und seiner Disseration ein Zitat Fontanes vorangestellt. So heisst es in seiner Disseration:

    „Unanfechtbare Wahrheiten gibt es überhaupt nicht,
    und wenn es welche gäbe, so wären sie langweilig.“
    Theodor Fontane, Der Stechlin (1897)

    Im Nachgang erscheinen die Worte im aktuellen Kontext zweideutig.
    Auch stellt sich die Frage, wieso das Zitat vom Originaltext (http://gutenberg.spiegel.de/buch/4434/2) abweicht und stattdessen in der Disserationsschrift der Konjunktiv gebraucht wird. Sicher hat der Kollege das Zitat nicht falsch aus der Sekundärliteratur übernommen, vielmehr wird es sich um einen Flüchtigkeitsfehler handeln. Flüchtigkeitsfehler sind verbreitet und selbst einer Wissenschaftsministerin a.D. zurecht nicht peinlich (http://causaschavan.wordpress.com/2013/02/02/heutige-voraussetzungen-der-gewissensbildung-bei-annette-schavan/).
    Trotzdem zeigt mir das Beispiel, dass mangelnde Sorgfalt in Medizin und Wissenschaft unangenehm auffällt und deshalb sehe ich das Fontanezitat – obwohl von der Intention prinzipiell richtig – eher als einen der schwachen Teile der Disserationsschrift.
    Wie bereits Milan Kunderas Musiklehrer wusste, gewinnen die starken Abschnitte aber erst ihr volles Gewicht vor dem Hintergrund der schwächeren Abschnitte, so dass beide ihre Berechtigung haben.
    Als starken Abschnitt kann ich zweifellos die Danksagung von Sandro Lorenz‘ Disseration bezeichnen. Diese Danksagung beschränkt sich nicht einfach auf eine elaborierte Variation des üblichen Danks wie sie auch Arwed Christopher R. anregt (https://erbloggtes.wordpress.com/2014/01/12/wie-schreibt-man-das-vorwort-einer-doktorarbeit/), sondern würdigt auch die Oma an hervorgehobener Stelle.
    Ich war beim Lesen gerührt und möchte jedem die erbauliche Lektüre des Originals empfohlen.

  5. Dipl.Biologe Christan S.

    Ich bin selbst nicht promoviert und das ist auch gut so. Trotzdem habe ich mir die besagte Arbeit des Arztes einfach mal angeschaut. Da ich selbst in einem Labor arbeite, wo wir viele med. Doktorranden haben, weiß ich wie eine typische Doktorarbeit in der Medizin aussieht. Die experimentellen Methoden und die Herangehensweise zum Thema sind überdurchschnittlich komplex, schwierig und anspruchsvoll. Ich finde diese Doktorarbeit ist gerade ein Beispiel für eine richtig gute med. Dissertation, die auch wirklich eine Berechtigung hat. Ihm wird nun vorgeworfen insbesondere im Material-, und Methodenteil nicht richtig zitiert zu haben. Die Beschreibung eines Western Blots ist aber nicht die Leistung einer experimentellen Doktorarbeit. Das er als Mediziner Klonierungen durchgeführt und rekombinante Proteine produziert hat, ist die Leistung. Und die finde ich für eine med. Dissertation beachtlich! Das jetzt schon „Nicht-Prominente“ im Netz so einer Hetzjagd ausgesetzt werden finde ich nicht richtig. Hier geht es nicht um Fälschung von Experimenten oder Daten, sondern um formale Zitierfehler bei Materiallisten und der Beschreibung von seit 20 Jahren etablierten Labormethoden. Im Übrigen dankt er der entsprechenden Kollegin, wohlgemerkt aus der gleichen Arbeitsgruppe, bei der Hilfe des Methodenteils. Wo sind wir hier eigentlich?! Neid, Missgunst und der feige Schutz der Anonymität lassen jegliche Ethik im Netz verschwinden.

  6. eichenbach

    Dieses Vorwort von Arwed Christopher R. beginnt mit einem unangreifbaren Goethe-Wort und führt uns über einen vergeblichen professoralen Suizidversuch, Kräuterbäder, den Service einer gewissen Moni und anderes mehr bis zur famosen Ehefrau. Doch in der Tat: Weshalb bleiben die Großmütter unerwähnt, die es gegeben haben muss? Die Bestnote macht einen staunen.

  7. Wenn Sie etwas zum Thema beitragen wollen, Herr Dipl.Biologe Christan „feiger Schutz der Anonymität“ S., dann sagen Sie einfach Bescheid.

  8. eichenbach

    „Das jetzt schon ‚Nicht-Prominente‘ im Netz so einer Hetzjagd ausgesetzt werden finde ich nicht richtig.“ Darf ich das so verstehen, sehr geehrter Herr Dipl.Biologe Christan S., dass Prominente weiterhin Freiwild sind?
    Ich frage mich wie Sie, wo wir hier eigentlich sind.

    von Eichenbach

  9. Dr.Dr. med. Dr. phil. Harald Grausam, Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie

    Lieber Herr Dipl.Biologe Christan S.,

    in Ihrer Aussage „…weiß ich wie eine typische Doktorarbeit in der Medizin aussieht. […] Das er als Mediziner Klonierungen durchgeführt und rekombinante Proteine produziert hat, ist die Leistung. Und die finde ich für eine med. Dissertation beachtlich!“ schwingt eine gewisse Abwertung der medizinischen Dissertation im Allgemeinen mit – wohl im Vergleich zur biologischen, biochemischen oder philologischen Promotion.
    Diese Abwertung, die sich bei Menschen ohne Benimm bis zur Abfälligkeit steigern kann, scheint unter Biologen und Qualitätsjournalistinnen, aber leider nicht nur diesen, verbreitet.
    Ein exemplarisches und ausgesprochen unangenehmes Beispiel für die Manifestation dieser Haltung gegenüber der medizinischen Dissertation findet sich in diesem Zeitungsartikel aus der Qualitätspresse, der sich gar zu der Behauptung versteigt, es handele sich bei der medizinischen Doktorarbeit um einen „Witz“.
    http://www.sueddeutsche.de/karriere/medizinstudium-und-promotion-dr-med-duennbrettbohrer-1.120817
    Alleine der ebenso effekthascherische wie seiner Intention nach diskreditierende Titel „Dr. med. Dünnbrettbohrer“ des Machwerks verrät die Schule, die seine Autorin, Frau Bönisch, gewählt hat (unter anderem Stationen bei BILD und Sat1).
    Dass Frau Bönisch es mit ihrem Stil zwischenzeitlich zur stellvertretenden Chefredakteurin bei der Süddeutschen Zeitung gebracht hatte, kann die Angelegenheit leider nicht aufbessern, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf die sogenannte Qualitätspresse und ihr Personal.

    Als Anwältin ihrer absurden These führt Frau Bönisch ausgerechnet eine Biologin, Frau Ulrike Beisiegel, ins Feld. Diese Frau Beisiegel wird dahingehend zitiert, sie halte eine medizinische Doktorarbeit für „Türschildforschung“. Dass die gute Frau als Biologin und Biochemikerin eine C3 Professur am KLINIKUM Eppendorf innehat, sollte ihr genauso zu denken geben, wie die Tatsache, dass sich die naturwissenschaftlichen Fakultäten in ihrer heutigen Form historisch erst aus der Fakultät für Medizin entwickelt haben, also Kinder und Enkelkinder der Medizin sind.
    Wie Sie, Herr Dipl.Biologe S., sicher wissen, bildeten die ersten Universitäten nämlich nur in wenigen Disziplinen, dem Kirchenrecht, dem weltlichen Recht und der Medizin aus.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Universität
    Es wäre schön, wenn auch Frau Bönisch und Frau Beisiegel diese Tatsachen der leider oft gering geschätzten Allgemeinbildung zur Kenntnis nähmen.
    Dann wüßten sie, dass es die medizinische Doktorarbeit schon gab, als an die naturwissenschaftliche Promotion noch keiner dachte. Es wird sie auch noch geben, wenn von Frau Beisiegels Meinungen zu ihr niemand mehr Kenntnis nimmt.

    Der Kollege Rudolf Henke hat derartige Diffamierungen („Witz“, „Türschildforschung“) dankenswerterweise bereits als schlicht „gemein“ bezeichnet. Dieser Aussage möchte ich mich nicht nur anschließen, sondern aus ganz persönlicher Erfahrung mit meinen eigenen Promotionen in Medizin und Philologie muss ich derartige Abwertungen der medizinischen Dissertation als rundum töricht mißbilligen.
    Ich denke, der verständige Leser wird sich mir anschließen wollen. Wer anderer Meinung ist, erwägt ggf. auch, sich bei einer perforierten Appendizitis mit Peritonitis nicht wissenschaftlich fundiert von einem Arzt behandeln zu lassen, sondern von einem Friseur oder einer promovierten Biologin, ggf. mit zusätzlicher Abendschule als Heilpraktikerin, die ja am besten wissen muss, was indiziert ist. Oder allenfalls die Operation handwerklich durch den Friseur durchführen zu lassen, nachdem Frau Beisiegel dafür die Indikation gestellt hat.

    Die in dem Artikel geäußerte Verdächtigung der Frau Bönisch, dem Kollegen Henke ginge es nicht um die Qualität der ärztlichen Arbeit und ihre wissenschaftliche Fundierung, sprich das Wohl des Patienten, sondern um das mit einem Doktortitel verbundene „Prestige“, möchte ich auf Schärfste zurückweisen. Auf eine solche Idee kann nur eine Journalistin aus Gram über das ärmliche Ansehen ihres eigenen Berufsstandes kommen. Das Ansehen eines Arztes dagegen hätte einen Doktortitel gar nicht nötig. Das kann ich Ihnen aus jahrzehntelanger und täglicher Erfahrung bestätigen. Sollten dennoch Zweifel bestehen, empfehle ich einen Blick in diesen Allensbacher Kurzbericht:

    Klicke, um auf PD_2013_05.pdf zuzugreifen

    Wie weit es im übrigen mit dem „Prestige“ des Titels alleine her ist kann jedermann daran ermessen, wie weit Frau Bönisch oder ein Tankwart durch das Tragen eines Doktortitels in dem verlinkten Ranking nach oben wandern würden. Vielleicht erscheint Ihnen das Beispiel vom Tankwart als abwegig. Ich kenne aber durchaus einen Tankwart mit Doktortitel. Er promovierte 1885 in Politischer Ökonomie an der Karl-Marx-Unversität Leipzig und galt schon kurz darauf als rechte Hand Günter Mittags, als für ihn ungünstige historische Umstände die hoffnungsvolle Karriere beendeten. Das Beispiel zeigt im übrigen, dass für das Fortkommen nicht nur nur Tugenden wie Fleiß, Strebsamkeit und ein reines Gewissen notwendige sind, sondern auch das günstige historische Moment. Diesbezüglich liegen wir alle in Gottes Hand.

    Im Übrigen möchte ich, Herr Dipl.Biologe Christan S., Ihnen als Denkanstoß bezüglich Ihrer hohen Bewertung eingesetzter Methoden („Klonierung“, „rekombinante Proteine“) gegenüber dem korrekten Zitat als Fundament jeder aufstrebenden Arbeit einen guten Freund, seines Zeichens Arzt, Wissenschaftler und Professor der Medizin, mit folgenden Worten zitieren:
    „Jede Methode ist so gut wie derjenige, der sie anwendet.“

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr.Dr. med. Dr. phil. Harald Grausam

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