Uni Düsseldorf feiert: Lammert kommt doch nicht!

Erstaunt es nun mehr, dass Norbert Lammert zunächst zusagte, eine Festrede zum 50jährigen Bestehen der Universität Düsseldorf zu halten, oder dass er diese Zusage gerade wieder zurückzog? Er wird sich doch wohl nicht die hier spezifizierten Anforderungen an den Redner zu Herzen genommen haben:

„Nachsicht wird auch von Norbert Lammert erwartet, wenn er am 16. November 2014 in der Düsseldorfer Tonhalle spricht [Update: laut Tagesspiegel hätte Lammert erst im November 2015 reden sollen]. […] Denn Lammert ist nicht bloß irgendein Politiker der ersten bundesdeutschen Garnitur, der sich bereit findet, an den Rhein zu kommen, obwohl die Universität Düsseldorf in seinem Umfeld vor allem für ihre schändliche Plagiatshatz gegen Annette Schavan berüchtigt ist. Lammert stand ein Jahr nach Schavan im Verdacht, in seiner Doktorarbeit plagiiert zu haben, und zwar mitunter recht ähnlich wie Schavan. […] Ein deutlicheres Anzeichen für eine bevorstehende Resozialisierung dieser in Acht und Bann geschlagenen Hochschule könnte man sich am Rhein wohl kaum wünschen.“

Oder war dem Bundestagspräsidenten etwa das Rahmenprogramm nicht recht, für das geplant war,

„dass auch Vertreter der Philosophischen Fakultät zu den Festlichkeiten erscheinen. Ob sie notfalls auch zwangsweise vorgeführt werden und ob sie dabei Narrenkappen oder Schandkragen tragen sollen, wollte der Rektoratsbeauftragte für das Jubiläumsjahr, Ulrich von Alemann, früher lange Prorektor für Lehre und Studienqualität, gegenüber RP-online noch nicht mitteilen.“

Lammerts Schreiben an den Rektor der Universität erwähnt nichts davon. Nach eigenen Angaben hat ihn vielmehr von seiner Zusage abgeschreckt, dass bei der Gelegenheit statt mit Narrenkappen und im Schandkragen womöglich mit Universitätsmedaillen geschmückte Professoren – noch dazu frei – herumlaufen könnten.

In einem Verweis, den Lammert der Heine-Uni erteilte, hieß es, eine „demonstrative Auszeichnung“ zweier unbotmäßiger Professoren, das gehe nun wirklich nicht. Noch dazu mache es ihn zum ungeeigneten Festredner, dass in Düsseldorf „jegliche kritische Stimmen auch und gerade von hochangesehenen Wissenschaftlern und aus den akademischen Spitzenverbänden ausnahmslos für eine unerwünschte Einmischung und unzulässige versuchte Einflussnahme erklärt werden“. Grundgesetzliche Wissenschaftsfreiheit, das muss der kundige Leser selbst ergänzen, sei schließlich die positive Freiheit gerade von hochangesehenen Wissenschaftlern und akademischen Spitzenverbänden, sowie die negative Freiheit von Plagiatsverfahren.

Aufgrund dieser Zusammenhänge plant man in Düsseldorf nun die Gewinnung von Frank Walter Steinmeier für eine Festrede zum Thema: „Diplomatische Wege zum Erhalt von Amt und Würden“. Alternativ ziehe man auch in Betracht, Joachim Gauck zum Thema „Freiheit von Wissenschaft“ sprechen zu lassen. Man sorge sich jedoch, ob der Bundespräsident die Themenstellung im Sinne der Hochschule auffasse, heißt es in gewöhnlich gut informierten Kreisen.

Den Abschlussbericht des Dekans Bleckmann, der jüngst neue öffentliche Diskussionen des Falls Schavan provozierte, hat Lammert ausweislich seiner Ausführungen über unerwünschte Einmischungen und unzulässige versuchte Einflussnahmen sorgfältig zur Kenntnis genommen. Im Gegensatz zu allen anderen Lesern des Berichts, die sich bisher öffentlich äußerten, Turner natürlich ausgenommen, empfand Lammert die berichteten Sachverhalte aber offenbar nicht als skandalös, sondern als völlig berechtigte „kritische Stimmen“. Wenn eine Universität solche „kritische Stimmen“ hinreichend berücksichtigt, kann sie eine unschöne Plagiatsaffäre auch schon im Ansatz in Wohlgefallen auflösen. Und dann kann man auch mit Norbert Lammert feiern, zum Beispiel das 50jährige Bestehen der Ruhr-Universität Bochum 2015.

Update, 14:46: Nach Recherchen des Tagesspiegel hat Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, „verständnislos und irritiert“ auf Lammerts Absage reagiert und es als „irregeleitet“ bezeichnet, dass Lammert auf diesem Wege die Universität desavouiere. Lammerts „alte Loyalitäten“ gegenüber Schavan seien „in diesem Fall aber kein guter Ratgeber.“

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4 Antworten zu “Uni Düsseldorf feiert: Lammert kommt doch nicht!

  1. Plaqueiator

    Lammerts Absage hat neben seinem allgemein unguten Gefühl noch einen anderen Grund. Als Co-Plagiator aufzutreten und ausgerechnet in Düsseldorf das Hohelied der Wissenschaft zu singen, ist für ihn bestimmt eine Zumutung.

    Sich aber derart von Bleckmann in dessen Abschlussbericht ans Bein pinkeln lassen zu müssen, das geht gar nicht. S. 11:

    „Es ist enttäuschend festzustellen, dass eine Unterstützung durch Rektorkollegen hier völlig ausgeblieben ist, dass vielmehr zumindest stillschweigend die Meinung toleriert wurde, ein Rektor, der ein politisch brisantes Verfahren nicht der zuständigen Fakultät durch Tricksereien entreiße – etwa durch die Einholung entsprechend hilfreicher Stellungnahmen auswärtiger Peers oder durch die Übergabe an nicht zuständige Kommissionen wie jene für die gute wissenschaftliche Praxis – habe versagt.“

    (http://www.tagesspiegel.de/downloads/10245842/2/AbschlussberichtBleckmann)

    Die „Einholung entsprechend hilfreicher Stellungnahmen auswärtiger Peers“ wäre das Lammert entlastende Gutachten aus der Schavan-GSG9 „IAG Zitat und Paraphrase“ durch Jürgen Kocka.
    Mit der „Übergabe an nicht zuständige Kommissionen“ bezieht sich Bleckmann zwar auf den Plagiatsfall Steinmeier, der Seitenhieb gilt aber auch Lammert, dessen Verfahren dem unzuständigen Bochumer Ombudsmann übergeben und niedergeschlagen wurde.

    Frontalangriff. Was hätte Lammert dort auch festreden sollen?
    Tja, Erbloggtes. So ist das, wenn man es gegen die Düsseldorfer Jedi-Ritter aufnimmt. Popcorn.

  2. Die Düsseldorfer Jedi-Ritter… da kommt mir eine Idee für eine Fotomontage mit Popkulturreferenzen zu diesem Bild. Muss gelegentlich mal die Grafikabteilung von Causa Schavan fragen, ob das machbar wäre. 😉

    In der Tat hätte Lammert dem organisierten Antischavanismus keinen größeren Dienst erweisen können, als zu diesem Zeitpunkt wieder auf seine „handwerklichen Fehler“ zu sprechen zu kommen und die Uni Düsseldorf doof zu finden, über die nun massenhaft Material bekannt ist, das nichtmal die RP wirksam zu ihren Ungunsten auslegen konnte. Je länger das Thema auf der Tagesordnung bleibt, desto besser. (Gesegnet sei das Sommerloch, in dem wir uns liebend gern von zwei welterschütternden Kriegen ablenken lassen wollen, dazu aber kein Berliner Kasperltheater aufgeführt wird.)

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