Online-Petitionen und eine Sternstunde des Boulevards

Er fragte sich, ob nicht jeder Bürger eine klare Entscheidung treffen müsste, wie er sich zu Promotionsbetrug verhalten will. Ein Fall wie Veronika Saß, vielleicht auch Uwe Brinkmann, SPD, nötigt vielleicht nicht jeden dazu, sich seine eigene Position bewusst zu machen. Für Politikernachwuchs gibt es inzwischen eingeübte Verfahren: Doktor aberkennen, Strafanzeige erstatten, abwarten.

Aber in den Fällen, in denen aktive Politiker, Abgeordnete, denen Tausende Wähler ihr Vertrauen ausgesprochen haben, fröhlich behaupten, sie sähen keinen Grund, ihr Mandat abzugeben, in den Fällen ist jeder Bürger selbst betroffen.

Was sagt es über den Souverän in der repräsentativen Demokratie aus, wenn er die gewählten Funktionsträger selbst nach schwerstem Vertrauensverlust nicht mehr loswird? Wer bei der Beantwortung dieser Frage zu unerfreulichen Ergebnissen kommt, sollte diese Petition unterstützen, die den Rücktritt der überführten Plagiatorin Silvana Koch-Mehrin von ihrem Abgeordnetenmandat im Europaparlament fordert. Der Initiator Anatol Stefanowitsch zieht hier eine sehr kritische Erfolgsbilanz der Petition. Erbloggtes kann das nur bestätigen:

In den drei Tagen bis zum Verzicht von Koch-Mehrin auf ihren viel verspotteten Sitz im Forschungsausschuss unterzeichneten 7500 Personen die Online-Petition. In den folgenden drei Tagen kamen nicht einmal 750 hinzu, und in der seitdem vergangenen Woche weniger als 200 zusätzliche Unterzeichner (aktuell: 8322). Die Zahl der bisher von Erbloggtes auf diese Petition verwiesenen Leser ist mit 62 noch sehr ausbaufähig. Tun Sie’s!

Und was sagt es über die Rolle der Parteien aus, wenn sie den Souverän nicht in seinem legitimen Verlangen unterstützen, nicht von Betrügern vertreten zu werden? Um diese Frage geht es in einer anderen Petition, die sich an den neuen Vorsitzenden der meisten entdeckten Plagiatoren richtet, Philipp Rösler. Die Petition fordert: „Mit seinen Äußerungen bei Anne Will hat Jorgo Chatzimarkakis die wissenschaftlichen Standards diskreditiert und impliziert, dass sein Verhalten im Ausland, in diesem Fall Oxford, anscheinend normal sei. Diesem ist vehement zu widersprechen.“ Ein Oxforder Wissenschaftler stellt klar: „Für uns, die wir wissenschaftliche Forschung betreiben, sind die Äußerungen von Herrn Chatzimarkakis ein Affront. Weder in Oxford, noch irgendwo anderes auf der Welt, ist eine solche Zitierweise akzeptiert.“ Die Petition hat bisher international 115 Unterstützer gefunden – sie hat das Zeug zu mehr. Machen Sie mit!

Nach diesen ernsten Worten noch der Hinweis auf eine bisher wenig bekannte Sternstunde des Boulevardfernsehens: „RTL Extra“ berichtete am 16. Mai 2011 zehn Minuten lang über Jorgo Chatzimarkakis und die ihn telefonisch erreichende Nachricht, dass seine „Zitierweisen“ gerade bei VroniPlag aufgeflogen sind. Von den „Doktorfahndern“ ahnt wohl niemand, dass Privatsender noch solche Reportagen ausstrahlen. Im VroniPlag-Pressespiegel ist der Beitrag jedenfalls bis heute unbekannt, wahrscheinlich weil niemand dort jemals „RTL Extra“ gesehen hat. Und das YouTube-Video hat auch erst 830 Zuschauer gefunden. (Dank an Anton Maier für den Hinweis!)

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