Lammertplag und die Methode belegbasierter Plagiatserkennung

Ergänztes zur Werkbiographie des Erarbeiters von Lammertplag, die als Entwicklung von Hotznplotz zu „Robert Schmidt“ hier zuletzt geschildert wurde, steht noch aus: Dazu hat freundlicherweise der ehemalige VroniPlag-Mitarbeiter Plaqueiator in einer Zuschrift detailliert erläutert, welche Arbeitsweise den Analysen von Schavanplag und Lammertplag zugrunde liegt. Die Problemkonstellation, die in einer Untergruppe von VroniPlag zur Entwicklung dieser Methodik führte, war im September 2011 erreicht:

„Robert Schmidt“ – eine spezielle Methode der Textarchäologie

Anstoß für die „Textarchäologie“ waren zu Vroniplags Zeiten für unsere Arbeitsgruppe zum Fall Daniel Volk (Dv) – zu der später auch Hotznplotz stieß – Arbeiten wie die von Althusmann und anderen, z.B. die eines nicht weiter bearbeiteten Bundestagsmitglieds, dessen Leistung in der seitenweisen Reproduktion von Gesetzestexten und Archivmaterial bestand, auf das wir im Original keinen Zugriff hatten. Die offensichtliche Fehlleistung der Promovenden einerseits und die starre Anwendung der Werkzeuge zur Erfassung sowie die ungeeignete Darstellung solcher Plagiate in Vroniplag andererseits führten dazu, dass wir uns zunächst einen Zugang zu der damals (unzutreffend) „Strukturplagiat“ genannten Arbeitsweise suchen mussten.Bei der Arbeit an der Dissertation von Dv – zu der Hotznplotz kurze Zeit später stieß und die er schließlich allein bis zur Berichtsreife fortführte – fanden wir diesen Zugang in den Literaturreferenzen. Volks Arbeit war die erste, die wir sozusagen an den Fußnoten „aufgehängt“ haben. Den Punkt, an dem Hotznplotz in diese „Fußnotenforschung“ einstieg, markiert vielleicht am besten das Dv-Fragment 037 09 und dessen Diskussion.

Volk stellte seine Quellen stark um und paraphrasierte bis zur Unkenntlichkeit – was jedoch gleich blieb, waren die dargestellten Sachverhalte – und die dazugehörigen übernommenen Quellreferenzen, an denen der ganze Schwindel erkennbar war. Der Umgang Volks mit der Quelle Randelzhofer 1991b zeigt beispielhaft das immer gleiche System der Übernahme von ganzen Fußnotengruppen und der Paraphrasierung von Text aus der Quelle bei gleichzeitigem Fehlen eines (nennenswerten) eigenen Diskursbeitrags. Hotznplotz ist bei der Fußnoten-Vergleichstechnik geblieben und wendet sie wohl auch bei Lammert an. Heute würde ich diese Plagiatstechnik „Diskursplagiat“ nennen.

Warum sind die Fußnoten signifikant für eine Arbeit wie auch bei der Plagiatserkennung? Das hat mehrere Gründe. Ich bin nicht wie Volker Rieble der Meinung, der Fußnotenapparat sei zur straflosen Abschrift freizugeben. Zusammen mit den Aussagen bildet der Quellenapparat den wissenschaftlichen Diskurs. Die Quell-Referenzen und ihre Zusammenstellung sind neben der textlichen Ausarbeitung konstituierender Bestandteil einer selbständigen wissenschaftlichen Arbeit, jedenfalls im geisteswissenschaftlichen Bereich. Sie sind das Skelett, an dem das Fleisch der eigenen Ausarbeitung haftet. Ihre Erarbeitung im Kontext des zu bearbeitenden Themas ist eine beträchtliche und aufwendige Anstrengung, die der Autor selbständig vorzunehmen hat – wie ich meine, auch bei der Darstellung des Forschungsstandes zu einem Bereich. Dort ist sehr wohl eine signifikante und einzigartige Auswahl an Referenzen zu treffen.

Nicht die einzelne Fußnote ist dabei zu betrachten, wenn man ein Plagiat vermutet, sondern die Auswahl der Fußnoten, die einen Gedankengang stützen, ihre Reihenfolge, die Zitatauswahl und eben übernommene Fehler. Im Gegensatz zum Text können Fußnoten nicht paraphrasiert werden. Allein aus der Auswahl und Zusammensetzung der in einem Zusammenhang zitierten Autorennamen lassen sich hoch signifikante Token bilden, die bei der textkritischen Bestimmung einer tatsächlichen Quelle herangezogen werden können. Betrachten wir als Beispiel die Referenzen der Seite 16 aus Lammerts Dissertation und ihre Parallelen in Mühleisen 1973b, wie sie in lammertplag dokumentiert sind:

  • Mühleisen 1973b nimmt in folgender Reihenfolge Bezug auf folgende Autoren:
    Mayntz/Ziegler, Mühleisen (1970), Caplow, Anderson, Schlesinger, Ranney/Kendall, LaPalombara/Weiner, Kaufmann, Hennessy, Barnes
  • Lammert verwendet in dieser Reihenfolge:
    Mühleisen (1970), Mayntz/Ziegler, Caplow, Anderson, Schlesinger, Ranney/Kendall, La Palombara/Weiner, Kaufmann, Hennessy, Barnes

Es handelt sich hier um 10 identische Referenzen in weitgehend derselben Reihenfolge. Bereits an diesem Punkt lässt sich sagen, dass Lammert seinen Quellen-Diskurs genau entsprechend demjenigen Mühleisens aufbaut und keine abweichenden Gesichtspunkte einfügt, denn neben der Reihenfolge ist auch die Verwendung der Referenzen als stützende bzw. kritische Quellen identisch. Beide Werke, Mühleisens Aufsatz (1973b) wie Lammerts Dissertation sind in Google Books in der sogenannten Snippet-Ansicht durchsuchbar.

Herauszustellen ist dabei, dass sich die Referenz Lammerts auf Mühleisen (1970) auf Mühleisens Dissertation bezieht, während ein anderes Werk Mühleisens, ein Aufsatz von 1973, die Vorlage für das Plagiat darstellt. Mühleisen zitierte seine Dissertation von 1970 in seinem Aufsatz 1973 selbst. Hotznplotz bewertet dieses Fragment daher korrekt als „Verschleierung“ und nicht als „Bauernopfer“. Auf die Vorlage Mühleisen 1973b verweist Lammert erst zwei Seiten später nach einem wörtlichen Zitat. Die Referenz dort betrifft allerdings nicht die Seiten, von denen Lammert die 10 übernommenen Literaturtitel und ihre inhaltlichen Einordnungen übernommen hat.

Um herauszufinden, ob hier nur Standardliteratur rezitiert wird und diese Rezitation im Fach gängig ist, bilden wir Such-Token und führen eine Google-Recherche durch. Zur Erstellung der benötigten Such-Token ist auf den jeweils ersten Autorennamen zu kürzen. Mühleisen führt in den Fußnoten auf seiner Seite 81 drei Autoren auf (Mayntz, Mühleisen, Caplow), aus denen wir die Suchanfragen bilden, indem wir zunächst zwei Namen kombinieren, um herauszufinden, wo diese Suchbegriffe im Zusammenhang im kompletten Google-Books-Bestand vorkommen:

Bereits die Erwähnung von „Caplow“ und „Mühleisen“ im Zusammenhang scheint im Google-Books-Bestand auf Mühleisen und Lammert beschränkt. Unter Umständen reichen bereits zwei gleiche verwendete Referenzen, um starke Hinweise auf Quelle und Übernahme zu bekommen. Kombinieren wir alle drei Autoren, wird Lammerts Arbeit eindeutig aus dem digitalisierten Werkbestand bei Google-Books identifiziert.

Wenden wir dieses Verfahren auf die Fußnoten auf Seite 83 bei Mühleisen an, wird die Sache etwas komplizierter, da die Autorennamen recht häufig und in unterschiedlichen Variationen und Zusammenhängen vorkommen. Aber auch in diesem Fall lässt sich recht schnell ein eindeutiges Ergenbis erzielen, wenn die Suche um signifikante, d.i. seltene Begriffe erweitert wird. Wenn wir nach „anderson“, „barnes“ und „lapalombara“ suchen, genügt es, den Herausgeber „crotty“ als Suchbegriff dazuzunehmen. Wir müssen noch beachten, dass Lammert „La Palombara“ schreibt und Mühleisen zusammen „LaPalombara“, um zu folgenden Suchvorgängen zu kommen:

Auch hier sind bereits drei gleiche Quellreferenzen identifizierend. Was man nach diesen Stichproben mit Sicherheit erkennt, ist, dass die Übernahme von 10 identischen Referenzen nicht wissenschaftlicher Usus und ebensowenig durch Zufall zu erklären ist. Unsere Erfahrung mit anderen Arbeiten hat gezeigt, dass in der Regel die Verwendung von 3-4 gleichen Referenzen im Zusammenhang in zwei Arbeiten einen genügend starken Hinweis auf Quelle und Plagiat geben. Anhand von übernommenen Fehlern, wie im Fall Lammerts der „Gagel-Bohei“ (danke, Erbloggtes!) oder falsch geschriebenen Titeln, Namen und sachlichen Fehlern etc., kann dann der logische Beweis geführt werden, dass ein Gedankengang ohne Kennzeichnung übernommen sein muss, wie „Robert Schmidt“ dies bei Lammert akribisch tut.

Dies funktioniert unabhängig von der Stärke der Umformulierung des eigentlichen Textes. Vroniplag kennt dieses Verfahren jedoch bis heute nicht. Man ist stolz, der Presse solche Statements zu geben und im Vroniplag-Pressespiegel zu verlinken:

„Zweifel an der Schwere der Vorwürfe gegen Lammert gibt es allerdings auch in dem Netzwerk der anonymen Plagiatsjäger der Plattform VroniPlag, an dem auch ‚Robert Schmidt‘ mitgearbeitet haben soll. Dort sehen zwar einige die mutmaßlichen Verfehlungen in Lammerts Arbeit kritisch: Studenten würde man solche Schnitzer heute auch nicht durchgehen lassen. Andere hingegen verweisen auf den geringen Umfang der bisherigen Fundstellen. Einer nennt die aktuellen Vorwürfe gegen Lammert sogar einen ‚Witz‘.“ (Spiegel Online, 30. Juli 2013)

Belegbasierte Plagiatserkennung (CbPD)

Die von Plaqueiator geschilderte Bedeutung der Zusammenstellung von Referenzen für wissenschaftliche Arbeiten und die Möglichkeit, dadurch Plagiate zu erkennen, ist wissenschaftlich unbestritten. Seit 2010 hat eine Arbeitsgruppe um Bela Gipp an den Universitäten Magdeburg und Berkeley in zahlreichen Publikationen eine Methode beschrieben, die auf denselben Prinzipien beruht: Das Verfahren der Citation-based Plagiarism Detection (CbPD) wurde 2012 in dem Open-Source-Programm CitePlag als Prototyp umgesetzt. Knapp vorgestellt hat das Verfahren im September 2011 Elmar Diederichs auf De Plagio. Sie eignet sich besonders gut zur Entdeckung von paraphrasierten oder übersetzen Ideenplagiaten oder eben „Diskursplagiaten“, wie Plaqueiator sie bezeichnet.

Die belegbasierte Plagiatserkennung (CbPD) ist brandaktuell. Ende Juli 2013 hat das Team aus Berkeley und Magdeburg eine „Demonstration of Citation Pattern Analysis for Plagiarism Detection“ auf einer internationalen Konferenz in Dublin präsentiert – anhand einer Testanwendung des Prototyps CitePlag auf die Dissertation Guttenbergs (CitePlag Homepage; Testfall Guttenberg), die bekanntlich Übersetzungsplagiate wie dieses enthält, das sich anhand der identischen Abfolge von vier Fußnoten überzeugend nachweisen lässt.

In Dublin hat das Team das Problem paraphrasierter Plagiate und seine Lösung (hier grob übersetzt) so vorgestellt:

„Während unverschleierte Copy-&-Paste-Plagiate von Software erkannt werden können und typischerweise in studentischen Arbeiten auftreten, wo sie keine ernsten gesellschaftlichen Konsequenzen haben, sieht es bei verschleierten Wissenschaftsplagiaten, die derzeit automatisiert unerkennbar sind, ganz anders aus. […] CbPD nutzt die Muster der Belege in wissenschaftlichen Texten als einzigartige, sprachunabhängige Fingerabdrücke, um semantische Ähnlichkeit zu identifizieren. […] Plagiatoren verschleiern gemeinhin ihr wissenschaftliches Fehlverhalten durch das Paraphrasieren des übernommenen Textes, aber sie ersetzen die aus dem Quelldokument kopierten Belege üblicherweise nicht, und ordnen sie auch nicht neu an.“[1]

„Robert Schmidt“ setzt ein ganz ähnliches Konzept belegbasierter Plagiatserkennung wohl von Hand um, zumal die Automatisierung bisher nur sehr eingeschränkt – und auf Dissertationen der 1970er und 1980er Jahre gar nicht – anwendbar ist. Gleichwohl lässt sich auf diese Weise – wie oben demonstriert – überzeugend nachweisen, dass Norbert Lammert auf Seite 16 seiner Dissertation nichts anderes getan hat als die Seiten 59-61 aus Mühleisen 1973b verkürzend zu paraphrasieren und ausgiebig auf die von Mühleisen referierte Literatur zu verweisen, ohne jedoch seine eigentliche Quelle (Mühleisen 1973b) zu erwähnen.

Urheberrechtlich ist das unbedenklich, da nur textgetreue Übernahmen als „Diebstahl geistigen Eigentums“ angesehen werden können. Doch um das Urheberrecht geht es bei wissenschaftlichem Fehlverhalten nicht. Es geht um die Anforderung von Wissenschaft, die Quellen der eigenen Darstellung vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben. Dagegen verstößt man auch dann, wenn man die Texte der verschwiegenen Quellen stark umformuliert. Denn wer die Inhalte der eigenen Darstellung aus einer anderen Darstellung schöpft, letztere aber verschweigt, begeht ein Plagiat.

Was folgt daraus?

Wird die Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum diese Auffassung bestätigen? Oder sollte Lammerts Seite 16 die einmalige Ausnahme einer so umfassenden Übernahme sein? Welche Auswirkungen wird dabei das Kompetenzchaos im Bochumer Verfahren haben? Und wie lange ziehen sich die Untersuchungen diesmal hin? Wann tritt ein „Karriereende mehrerer Spitzenpolitiker“[2] wegen Wissenschaftsbetrugs wirklich ein? Und wen wählt der neue Bundestag im Herbst zum zweithöchsten Repräsentanten Deutschlands?

Ironisch ist es zu nennen, dass Lammerts Form der freien Reformulierung „Robert Schmidt“ ausgerechnet deshalb auffiel, weil Lammert in einem Aufsatz von 2006 einen Text Schavans paraphrasierte, ohne Schavan als Quelle anzugeben:[3]

Lammerts auffällige Schavan-Paraphrase, zitiert nach Die Welt, 2. August 2013

Lammerts auffällige Schavan-Paraphrase, zitiert nach Die Welt, 2. August 2013

Gegen die methodischen und technischen Fortschritte auf dem Gebiet der Plagiatsdetektion kann den Plagiatoren der Vergangenheit nur noch eines helfen, wie der ehemalige Pressesprecher Annette Schavans unumwunden klar macht:

„Die Organe des deutschen Wissenschaftssystems, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Hochschulrektorenkonferenz vorneweg, müssen dem Denunziantentum des ‚Robert Schmidt‘ endlich ein Ende bereiten. Angebracht wären klare Regeln, wozu vor allem eine Verjährungsfrist gehören sollte, die der Zeitgebundenheit wissenschaftlicher Praxis Rechnung trägt. Angebracht wäre aber auch eine Regelung, die anonyme Vorwürfe verhindert.“[4]

Sie bemühen sich ja redlich, die Organe, die sich auch weiter Wohlwollen und großzügige Mittelzuweisungen sichern wollen. Aber die Prinzipien dieser grausamen Zwangssysteme namens „Wissenschaft“ und „Rechtsstaat“ haben die bisherigen Versuche praktisch vereitelt. Da nützt es auch nichts, wenn ihren Apologeten der Wissenschaftsbetrug „prominenter Regierungspolitiker“ viel weniger schlimm erscheint als der von „Wirtschaftsberatern“[4] – oder der, den „Wissenschaftler“[5] selbst begehen. Das gemeinsame Grundkonzept von „Wissenschaft“ und „Rechtsstaat“ besagt nämlich, dass die Regeln ohne Ansehen der Person gelten und auch kein „prominenter Regierungspolitiker“ Sonderrechte beanspruchen kann. Auch nicht aufgrund von Beliebtheit.

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59 Antworten zu “Lammertplag und die Methode belegbasierter Plagiatserkennung

  1. Hansgert Ruppert

    Diese Sache mit Lammertplag habe ich stets seht interessiert verfolgt und verfolge sie noch. Herr Lammert passt für mich so gar nicht in jene Schublade, in der die Damen und Herren Guttenberg, Koch-Mehrin, Mathiopoulos und andere so gut aufgehoben sind. Allein schon die Tatsache, dass er seine Diss sofort zum Download freigab, zeigt mir, dass er aus anderem Holze geschnitzt ist.
    Hotznplotz/Schmidt wiederum kannte ich seit gemeinsamer Zeit bei Vroniplag – lang ist’s her. Ein lautloser, stiller Arbeiter, bei dem stets jeder Tastendruck sozusagen Hand und Fuß hatte.
    Dermaßen verunsichert lud ich mir die Arbeit von Herrn Lammert herunter, studierte sie, so gut es mir denn möglich ist, und betrachtete dazu stets die Vorwürfe Schmidts.
    Abschließend gelangte ich für mich zur Erkenntnis, dass Herr Lammert nicht perfekt gearbeitet hat, aber dass hier doch ganz offensichtlich ein Sturm im Wasserglas tobt. Ich war bei so vielen Aktionen von Vroniplag dabei, ich muss mir wie ich finde nicht vorwerfen lassen, Dinge herunterzuspielen.
    Lammert ist für mich unschuldig, Punkt.
    HgR

  2. Das Dabeisein bei Aktionen von Vroniplag ist aus meiner Sicht keine geeignete Verteidigung gegen den Vorwurf, Dinge herunterzuspielen. In der Causa Schavan war Vroniplag doch viel eher gleichbedeutend mit Herunterspielen. Dazu zählen auch blumig-vieldeutige Metaphoriken, die möglichst die Konkretion nachprüfbarer Behauptungen vermeiden, dafür um so gefühliger die Partei der Plagiatoren bedienten.

  3. Lammert dafür Respekt zu zollen (Anatol Stefanowitsch) oder ihn für aus einem anderen Holz geschnitzt zu halten, weil er eine ohnehin veröffentlichte Arbeit ins Netz gestellt hat, halte ich für reichlich naiv. Das ist einfach nur gelungene PR und zeigt, daß er aus dem Fall Schavan gelernt hat. Er will ja wiedergewählt werden. Bezeichnend finde ich es dagegen, daß er sich nicht konkret zu den konkreten Vorwürfen äußert, sondern nur blumig erklärt, er sei von der wissenschaftlichen Qualität der Arbeit überzeugt, was man ja auch sein kann, wenn man einen Teil der angegebenen Literatur nicht gelesen hat.

  4. Dass Lammert aus dem Fall Schavan gelernt hat, zeigt, dass er aus einem anderen Holz geschnitzt ist 😉
    Ja, hinsichtlich der Verweigerung konkreter Äußerungen zu konkreten Vorwürfen macht Lammert dasselbe wie Schavan. Wäre er wirklich davon überzeugt, dass er korrekt gearbeitet hat, dann müsste er sich nicht um eine Einzeldiskussion seiner Vorgehensweise herumdrücken, sondern könnte damit an Glaubwürdigkeit gewinnen.

  5. Volker Rieble

    Ich möchte klarstellen (gegen potentielle Mißverständnisse): Mit Plagiat ahnden wir die Ausbeutung fremder wissenschaftlicher Leistung als behauptet eigene, also ohne die zitierende Anerkennung. Das Finden eines Belegs (Fundstelle für Fn) ist grundsätzlich keine solche anerkennungsbedürftige Leistung (mit Ausnahmen). Wir brauchen also keine „Fußnote in der Fußnote“.
    Bei Lammert geht es um etwas anderes: Ob er fremde Texte in eigenen Worten nacherzählt, also Struktur und Ideengehalt übernimmt, ausbeutet. Insofern besteht ein qualitativer Unterschied gegenüber bastelnden Textübernahmen (Schaavan, Althusmann). Für das Struktur-, Gedanken- und Konzeptplagiat können Abfolgen identischer Belegstellen ein Indiz sein, nie aber selbständig kritikwürdig. Die Belegarbeit fällt aber deutlich komplexer aus als bei den Textplagiaten.
    Viele Grüße und vielen Dank für die Arbeit, die Sie hier leisten.

    Ihr Volker Rieble

  6. Vielen Dank Herr Rieble! Das ist der am meisten missverstandene Aspekt des Falls Lammert.

    Ich interpretiere Ihre Differenzierung so, dass unter die Oberkategorie „Plagiat“ („Ausbeutung fremder wissenschaftlicher Leistung als behauptet eigene“) sowohl die Unterkategorie „Textplagiat“, auch in der Sonderform „bastelnde Textübernahme“, als auch die Unterkategorie „Struktur-, Gedanken- und Konzeptplagiat“, oder wie Plaqueiator sagt „Diskursplagiat“ fällt.

    Andere haben es ja so dargestellt, als sollte man ein Strukturplagiat gar nicht Plagiat nennen.

  7. Volker Rieble

    Plagiatfähig ist jede wissenschaftliche Leistung; in den Geistes- oder Textwissenschaften also das eigentliche Textgewebe (durch Abschreiben, Umformulieren oder Übersetzen), die Textstruktur (Gliederung als strukturierte Gedankenführung), die Argumentation und der Ideengehalt (durch „Nacherzählen“ mit eigenen Worten aber ohne eigene Ideen), die eigentliche Werkidee (wobei kaum widerlegbar die freie Nacherfindung
    behauptet wird) und in Sonderfällen auch die Erschließung von Quellen (etwa in bislang unbekannten Archiven). In den Naturwissenschaften kann das auch ein origineller Versuchsaufbau, ja selbst die Idee eines Werkzeugs oder einer Maschine sein.
    Man muß sehr klar trennen: Plagiatfähig iSv unredlichem Wissenschaftsverhalten ist jede wissenschaftliche Leistung. Allerdings steigt die Beweislast, je sublimer das Abkupfern erfolgt. Deshalb reichte mir der bisherige Stand bei Lammert nicht aus. Und beim punktuellen Ideenklau fehlt es an der objektivierten Nachweisfähigkeit, weil die Gerichte hier dem Zweitautor glauben, der eigene Zweitschöpfung behauptet. Also Plagiat ohne Nachweisfähigkeit (wenn der Plagiator nicht gesteht).

  8. Vielen Dank für die Erläuterung!

    „Allerdings steigt die Beweislast, je sublimer das Abkupfern erfolgt. Deshalb reichte mir der bisherige Stand bei Lammert nicht aus.“

    Die Beweislast wird die RUB schultern müssen. Lammertplag hat gezeigt, wo sie suchen muss. Argumentieren, inwiefern diese Stellen valide Plagiate (nicht etwa zufällige, von allen Vorlagen abweichende Nachschöpfung) sind, muss die dortige Untersuchung. Wenn sie den Doktor nicht entziehen will, muss sie hingegen erklären, warum eine solche Argumentation nicht überzeugend sei.
    Vorläufig können natürlich Experten die Argumente der RUB vorwegnehmen. Das hat aber bisher nichtmal Stefan Weber getan, sondern lediglich sein Vorgehen bei der Sichtung von Lammertplag und seinen Eindruck dabei geschildert.
    Argumente in der einen oder in der anderen Richtung fehlen also bisher. Da kamen nur Glaubensbekundungen und Eindrücke (von Ihnen, Herr Rieble, oben immerhin die Erklärung, dass Sie keine Beweise zur einen oder anderen Richtung gesehen haben). Was es lediglich gibt: Lammertplags Gegenüberstellung von Stellen aus Lammerts Dissertation und ihren als Quellen bezeichneten Parallelstellen.

    An Argumenten hat Plaqueiator oben den (mich überzeugenden) Nachweis geliefert, dass 10 identische Referenzen in fast derselben Reihenfolge nur mit einer Übernahme erklärt werden können, die zudem ungekennzeichnet ist. Die nächste Frage ist, wie sich das im Text (im Argumentationsgang, in der Struktur usw.) niederschlägt. Um für eine Nachschöpfung zu plädieren, müsste man dort zeigen, dass Lammerts Argumentation nicht die Mühleisens nachbildet.

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  10. Ich glaube hier gibt es zwei Missverständnisse:

    a) CbPD ist eine Methode Plagiate zu finden, die mit herkömmlichen Methoden nicht so leicht zu finden sind, z.B. Übersetzungsplagiate. Meines Wissens liefert diese Methode aber keine implizite Definition, was denn nun als Plagiat zu gelten hat, ob z.B. 4 aufeinanderfolgende gleiche Quellenangaben tatsächlich ein Plagiat darstellen. Natürlich sind sie ein sehr guter Hinweis auf ein mögliches Plagiat (und deshalb macht CbPD Sinn), mehr aber erstmal nicht.

    b) Plaqueiator macht es sich zu einfach mit seiner Token Suche. Auf der einen Seite stimmt es natürlich, dass die 10 gleichen Quellenangaben tatsächlich zeigen, dass hier Mühleisen vorlag, aber sie weisen noch kein Plagiat nach. Denn meiner Ansicht nach ist es durchaus denkbar und nicht einmal weit hergeholt, dass Lammert Mühleisen gelesen hat, sowie von Mühleisen ausgehend auch alle Quellen die zu diesem Abschnitt angegeben waren, und dann aufbauend auf denselben Quellen seine eigene Argumentation / Zusammenfassung entworfen hat. Nur wenn die Argumentation genauso identisch ist wie die Quellenangaben, dann handelt es sich tatsächlich um ein Plagiat. Es ist ein grundsätzlicher Fehler, den Nachweis, dass jemand ein Werk gelesen hat mit einem Plagiat dieses Werkes gleichzusetzen.

    Ob nun eine Argumentation identisch oder nur ähnlich ist, ist bei abweichendem Wortlaut nicht scharf zu trennen, weswegen sich durchaus Fundstellen im „Graubereich“ ergeben können, die dann bei der Gesamtbetrachtung einer Arbeit entsprechend gewichtet werden müssen.

  11. Ich denke nicht, dass es sich „hier“ um Missverständnisse handelt, und die Behauptung, dass dies der Fall sei, verärgert mich. Bei genauerer Überlegung komme ich sogar zu dem Schluss, dass es sich „hier“ um eine gezielte Verwirrung des Plagiatsbegriffs handelt. Siehe dazu die Beiträge von Volker Rieble oben.

    Plaqueiator erklärt die Beobachtung, dass im Fall Dv ein „System der Übernahme von ganzen Fußnotengruppen und der Paraphrasierung von Text aus der Quelle bei gleichzeitigem Fehlen eines (nennenswerten) eigenen Diskursbeitrags“ feststellbar gewesen sei. Die Hilfsannahme zum Auffinden von Plagiaten mit CbPD lautet, dass dies häufig der Fall sei:

    „Plagiatoren verschleiern gemeinhin ihr wissenschaftliches Fehlverhalten durch das Paraphrasieren des übernommenen Textes, aber sie ersetzen die aus dem Quelldokument kopierten Belege üblicherweise nicht, und ordnen sie auch nicht neu an.“

    Wenn die „10 gleichen Quellenangaben tatsächlich zeigen, dass hier Mühleisen vorlag“, dann weisen sie auch eine ungekennzeichnete Übernahme nach, da die also nachweislich vorliegende Quelle Mühleisen nicht angegeben ist. Dass Lammert „von Mühleisen ausgehend auch alle Quellen die zu diesem Abschnitt angegeben waren“, gelesen habe, lässt sich ausschließen, wie Plaqueiator vorführt:

    „Anhand von übernommenen Fehlern […] oder falsch geschriebenen Titeln, Namen und sachlichen Fehlern etc., kann dann der logische Beweis geführt werden, dass ein Gedankengang ohne Kennzeichnung übernommen sein muss, wie ‚Robert Schmidt‘ dies bei Lammert akribisch tut.“

    Aber Sie befinden sich da in guter Gesellschaft, Johannes: Schavan und ihre Apologeten argumentieren (wenn überhaupt) ebenso wie Sie. Der Terminus „Graubereich“ geht ja sogar über die Original-VroniPlag-Position vom „Grenzfall“ hinaus. Denn bekanntlich ist ein „Grenzfall“ schwer nachweisbar, während Praktiken im „Graubereich“ nicht einmal ausdrücklich verboten sind.

  12. Ein Beitrag

    Fehler in Bibliografiedaten sind kein Beweis, ob eine Quelle inhaltlich geprüft/gelesen wurde und nur die Literaturdatenprüfung schlampig gemacht wurde.

    Abgesehen davon, wenn die Übernahme einer Quellenzusammenstellung in textbasierten Wissenschaften ein Plagiat sein sollte, ist es für diesen Tatbestand belanglos, ob die Quellen geprüft wurden, ein Plagiat kann nicht von einer in vielen Fällen simplen handwerklichen Tätigkeit abhängen.

  13. Erst mal, ich will „hier“ niemanden verärgern — das tut mir aufrichtig Leid, wenn der Eindruck entstanden ist. Auch verteidige ich weder Lammert noch Schavan (beide Arbeiten enthalten Fehlverhalten, das über reines Quellenabsaugen hinausgeht), sondern ich will zur Schärfung des Plagiatsbegriffes beitragen.

    Sie sagen:
    „Wenn die “10 gleichen Quellenangaben tatsächlich zeigen, dass hier Mühleisen vorlag”, dann weisen sie auch eine ungekennzeichnete Übernahme nach, da die also nachweislich vorliegende Quelle Mühleisen nicht angegeben ist. “

    Das ist ein Fehlschluss. Vorrausschicken sollte ich, dass ich mich hier auf „Mühleisen“ und die „10 Quellen“ nur rein exemplarisch beziehe. Ich habe nicht nachgeschaut, ob hier letztendlich im Fließtext plagiiert wurde oder nicht, ich will nur sagen, dass das Übereinstimmen der 10 Quellen allein noch keinen Plagiatsbefund darstellt. Ein Plagiat liegt nämlich nur dann vor, wenn auch die Argumentation oder sogar der Wortlaut aus der Quelle übernommen wurde. Oft wird natürlich genau das der Fall sein und ein Plagiat vorliegen, aber eben nicht zwingend. Die „Quellenübernahme“ ist in etwa vergleichbar mit dem Doktorvater, der seinem Doktoranden sagt: „lesen sie mal diese 10 Quellen, die sind relevant“. Wenn der Doktorand das dann tut, und diese 10 Quellen in seiner Dissertation verwendet und angibt, dann muss er nicht noch eine Fußnote anhängen und auf die „Quelle der Quellen“ (den Doktorvater) hinweisen.

    Selbst wenn dann noch ein Literaturverweis fehlerhaft übernommen wurde, ist das nicht zwingend ein Beweis für ein Plagiat. Oft legen Autoren den Eintrag ins Literaturverzeichnis erst später an, wenn die eingesehene Quelle nicht mehr vorliegt (zurück in der Bibliothek), und der Quellenverweis wird dann aus einem vorliegenden Werk abgeschrieben. Das ist natürlich keine gute Praxis und ein Fehler, aber kein Plagiat, solange es sich nur um den Quellenverweis handelt.

    Zusammenfassung: Um ein Plagiat nachzuweisen, reicht es nicht zu zeigen, dass eine Quelle vorlag und dieselben Quellenverweise enthält. Dies sind nur Indizien, wenn auch sehr hilfreiche.

    Zum Thema CbPD:

    Sie schreiben:
    “ […] die Dissertation Guttenbergs […], die bekanntlich Übersetzungsplagiate wie dieses enthält, das sich anhand der identischen Abfolge von vier Fußnoten überzeugend nachweisen lässt.“

    Wenn sie hier anstelle von „überzeugend nachweisen“ „effektiv finden“ geschieben hätten, dann wäre ich voll einverstanden. Es ist eigentlich derselbe Punkt wie oben: abgesaugte Quellenverweise allein (!) sind kein Plagiatsnachweis, sondern nur ein Plagiatsindiz und ein Zeichen, dass der Autor bei seinem Quellenstudium seine Netze nicht sehr weit ausgeworfen hat (was ein inhaltlicher Kritikpunkt ist).

  14. Kontrafaktische Beispiele sind ziemlich misslich: Nehmen wir also an, Lammert habe 10 Fußnoten über Politik identisch übernommen, im Text aber über Eiscremezubereitung geschrieben. Was dann?

    In diesem Fall entscheide ich mich, dass es sich um ein ungeeignetes Beispiel handelt, um daran irgendetwas zu demonstrieren. Unter Plausibilitätsgesichtspunkten müssen wir davon ausgehen, dass Lammert nicht von Eiscreme schreibt. Oder wir überprüfen, inwiefern sich die Fußnotenstruktur in der Struktur des Argumentationsganges wiederspiegelt. Das habe ich oben ja bereits als Erfordernis beschrieben.

    Zu Beginn der Plagiatsdebatte wurde zuweilen die Ansicht vertreten, eine Aneinanderreihung von Zeichen (ein Satz, eine Formulierung) könne in begrenzter Länge auch identisch neugeschöpft werden, ohne dass die vorhergehende Schöpfung bekannt ist und damit als Plagiatsquelle gelten kann. Und nun soll es möglich sein, 10 Fußnoten identisch anzuordnen und auch in gleicher Weise einzuordnen/zu bewerten, ohne dies aus der Vorlage übernommen zu haben? Das ist doch Augenwischerei!

    Bei Guttenberg wäre es ohne die identischen Belege nicht nachweisbar, dass er dort ein Übersetzungsplagiat begangen hat, und von welcher Quelle. Der Umstand, dass es inhaltlich starke Ähnlichkeiten in der Darstellung gibt, wird erst durch die Identität der Quellenbelege zum überzeugenden Nachweis für ein Übersetzungsplagiat.

    @EinBeitrag: Ich weiß ja nicht, wie das in Naturwissenschaften ist, aber in allen mir aus eigener Erfahrung bekannten Fächern lernen die Studierenden, von wo man bibliographische Angaben ausschließlich abschreibt: Vom Titelblatt. Und ich muss ehrlich sagen, meine Neigung, ein Fach als Wissenschaft anzuerkennen, das solche Grundsätze zurückweist, ist denkbar gering. Da werden dann nämlich Phantomwerke erschaffen und als Belege verwendet, die gar nicht existieren. Und das soll irgendwo erlaubt sein?

  15. Ein Beitrag

    Ich habe nicht behauptet, dass es in Ordnung ist, so zu arbeiten (auch nicht in MINT Dächern. Ich wollte lediglich ausdrücken, das ein Fehler in der Bibliografie kein 100 %er Beweis ist, das keine inhaltliche Prüfung stattgefunden hat, und die Bibliografieprüfung aus irgendeinem Grund vergessen wurde.

    2. Ich habe auch nicht behauptet, dass irgendein Fachgebiet diese Arbeitsweise gutheißt, jedoch verschiebt sich die Bedeutung dieses Themas im Bereich einer Prüfungsbeurteilung automatisch, wenn die Arbeit nicht nur aus Quellenstudium und Schreiben besteht.

    Sie sollten mir nicht Inhalte unterstellen, die ich so nicht geschrieben habe, das wäre z. B. ein wesentlicher Punkt, bei der Analyse einer Quelle (hier mein Beitrag).

  16. Ich nehme einfach mal das zuerst genannten Beispiel von S. 16: Wenn
    man unterstellt, daß Schmidts Angaben stimmen, hat Lammert wohl die
    Dissertation von Mühleisen nicht in der Hand gehabt, da sich die
    beiden Begriffe Organisationssoziologie und Organisationstheorie bei
    Mühleisen nicht auf den angegebenen Seiten finden. Einerseits
    übernimmt Lammert zwar die Seitenzahl 194-97 aus der Quelle Mühleisen
    1973b, andererseits steht in dieser Quelle aber nicht, daß die Begriffe an der Stelle in Mühleisens Dissertation erörtert würden. Die Ausführungen Lammerts dazu scheinen also eine Mischung aus Plagiat und Erfindung zu sein. Eine ähnliche Stelle findet sich auf S. 21 bezüglich des Aufsatzes von Indik. Im Einzelfall muß man sehr genau hinsehen, um welche Art von Fehlverhalten es sich handelt.

    Generell spricht die große Anzahl von übernommenen Fehlern m.M.n.
    dafür, daß er die angegebene Primärliteratur in vielen Fällen nicht
    eingesehen hat. Eine gegenteilige Annahme fände ich etwas lebensfremd.

  17. @Yolanda: Mit Ihrem Fazit ist die Sache noch nicht vorbei. Ich ergänze das, weil es häufig implizit mitgemeint ist, aber nicht explizit dazu gesagt wird: Aus dem Umstand, dass jemand die Primärliteratur nicht eingesehen, aber in den Fußnoten angegeben hat, folgt, dass die Informationen über die Inhalte dieser Primärliteratur von irgendwo stammen müssen. Sofern diese eigentliche Quelle aber nicht angegeben wird (und das ist recht schwierig, wenn man verschleiern will, dass man die Primärliteratur gar nicht gelesen hat), handelt es sich damit um ein Plagiat, weil Übernahmen aus einer nicht angegebenen Quelle erfolgen.

    @EinBeitrag: (Ich spare mir mal auszuführen, was ich nicht behauptet habe.) Etwas sei kein 100%iger Beweis halte ich nicht für ein sinnvolles Argument. In der Wissenschaft hat man es nie mit 100%igen Beweisen zu tun. Es gibt Indizien, Belege, Argumente usw., und die überzeugen in ihrer Gesamtheit entweder, oder sie tun es nicht. In Plagiatsverfahren stimmt am Ende ein Gremium ab, und zwar idealerweise der Fakultätsrat, ob die vorgelegten Indizien, Belege, Argumente mit hinreichender Sicherheit überzeugen oder nicht.
    Deshalb sind fiktive Fälle, in denen dies oder jenes denkbar wäre, und wo dann die Überzeugungskraft bestimmter Indizien abgeschwächt würde, ungeeignet, um über einen konkreten Fall etwas auszusagen – oder um generelle Aussagen zu machen, die dann bei Übertragung auf konkrete Fälle zu Kurzschlüssen führen müssen.
    Die Behauptung, man könne nichts daraus ableiten, dass bibliographische Angaben aus einem anderen Werk abgeschrieben wurden, ist abenteuerlich.

  18. @Erbloggtes: Im Fall von „reinen“ Blindzitaten würde ich
    nicht von Plagiaten sprechen, da sich der Autor in diesem
    Fall keine im engeren Sinne intellektuelle Leistung
    anderer anmaßt. Ein Plagiat wäre es, wenn er das Blindzitat
    überhaupt nicht als Zitat kenntlich machen würde.

    Beispiel S. 76: Selbst wenn Lammert zugeben würde
    (was er natürlich nie täte), daß er Döhn nie selbst
    in der Hand gehabt hatte, würde ich die Stelle nicht
    als Plagiat bezeichnen.

  19. Danke für das konkrete Beispiel! Seite 76. Ich möchte mal aufzählen, welche intellektuellen Leistungen Dittberners sich Lammert anmaßt:
    1. Auswahl des Werkes von Döhn als relevant für den Kontext;
    2. Auswahl des Werkes von Döhn als qualitativ geeignet, um zitiert zu werden;
    3. Auswahl des genauen Zitats (Anfang, Ende) als der für den Argumentationsgang hier benötigten Referenzstelle.
    Das Motto ist: Der (plagiierte) Dittberner, der hat schon Ahnung, was die Artikulationsfunktion von Parteien betrifft. [Daher wird auf Lammerts S. 75 ein Absatz mit derselben S. 82 Dittberners belegt.] Da kann man ja nicht falsch liegen, wenn man sich auf die Zitate beruft, auf die sich auch Dittberner beruft.
    Lammerts Eigenleistung in diesen Absätzen ist es wohl, Dittberners Thema „Willensbildung durch Parteitage“ auf die lokale Ebene zu übertragen als „Willensbildung im Ortsverband“. Seine Eigenleistung ist es jedoch *nicht*, Döhn als einschlägig (relevant und qualitätsvoll) beurteilt zu haben und die zitierte Stelle als geeignetes Zitat identifiziert zu haben.
    Ich bin mir übrigens gar nicht so sicher, ob Döhn das meint, was Lammert meint, dass Döhn meint. Mit anderen Worten: Die zitierte Stelle gehört da womöglich gar nicht hin und ist da nur gelandet, weil das Wort „eindeutig“ darin vorkam und Lammert das noch brauchen konnte. Nicht dass es Fehlverhalten wäre, etwas misszuverstehen. Fehlverhalten ist es aber, nicht zu sagen, woher man einen Gedanken nimmt. Lammert hat ihn von Dittberner genommen.

  20. Ein Beitrag

    Ok. Ein Blindzitat zu machen (im Sinne einer ungeprüften Quellenübernahme) scheint von recht vielen Leuten an sich nicht als Plagiat/Täuschung gewertet zu werden. Demnach hat ein Autor einer Arbeit an solchen Stelle nicht sauber genug gearbeitet, in wie weit das bei der Leistungsbewertung einfließt hängt wohl durchaus vom Fach und der Natur der Arbeit ab, es ist jedoch generell in keinem bekannten Fachgebiet eine „normale Arbeitsweise“, einzig die Konsequenzen unterscheiden sich. Ein Nachweis des Sachverhalts gelesen/ungelesen kann (außer bei einer inhaltlich komplett falschen Quelle) nicht eindeutig erbracht werden, sondern stützt sich auf Indizien und Vermutungen. Auf jeden Fall können Fehler in Zitaten auf mögliche inhaltliche/Strukturelle Übernahmen von Argumentationen anderer Autoren sein.

    Bleibt der Punkt, ob generell die ungekennzeichnete Übernahme einer Fußnotenzusammenstellung (egal ob geprüft, oder nicht) in textbasierten Wissenschaften ein Plagiat ist.

    Erbloggtes schreibt:
    „Ich möchte mal aufzählen, welche intellektuellen Leistungen Dittberners sich Lammert anmaßt:
    1. Auswahl des Werkes von Döhn als relevant für den Kontext;
    2. Auswahl des Werkes von Döhn als qualitativ geeignet, um zitiert zu werden;
    3. Auswahl des genauen Zitats (Anfang, Ende) als der für den Argumentationsgang hier benötigten Referenzstelle.
    Das Motto ist: Der (plagiierte) Dittberner, der hat schon Ahnung, was die Artikulationsfunktion von Parteien betrifft. [Daher wird auf Lammerts S. 75 ein Absatz mit derselben S. 82 Dittberners belegt.] Da kann man ja nicht falsch liegen, wenn man sich auf die Zitate beruft, auf die sich auch Dittberner beruft.
    Lammerts Eigenleistung in diesen Absätzen ist es wohl, Dittberners Thema “Willensbildung durch Parteitage” auf die lokale Ebene zu übertragen als “Willensbildung im Ortsverband”. Seine Eigenleistung ist es jedoch *nicht*, Döhn als einschlägig (relevant und qualitätsvoll) beurteilt zu haben und die zitierte Stelle als geeignetes Zitat identifiziert zu haben.“

    Diese Punkte stehen natürlich weiter im Raum, auch wenn die Primärquellen gelesen wurden, daher dürfte es auch recht unwichtig sein, ob man den Sachverhalt „gelesene/ungelesene Primärquelle“ nachweisen/beweisen kann.

    Es scheinen sich nun die Auffassungen (wenn man die Interviews mit anderen Plagiatsexperten in den Medien berücksichtigt) zu unterscheiden, ob man dem Rechercheprozess eine Relevanz zuordnet.

    @Erbloggtes: Ich kann Ihre Argumentation am Beispiel Döhn nachvollziehen. Es kommt für die Beurteilung im Fall Lammert wohl jetzt darauf an, ob die Uni Bochum die Literaturrecherche für relevant hält, und dann, ob man davon ausgehen kann, dass zwei Autoren von selbst auf die gleiche Quellenzusammenstellung und Interpretation gekommen sind, oder ob dies von einem der beiden Autoren ungekennzeichnet übernommen wurde. Dabei können Fehler in den Zitaten und Literaturangaben den entscheidenden Hinweis geben, auch wenn sie selbst kein Plagiat/keine Täuschung sind.

    Bei diesem Thema bietet sich wohl der Begriff „Zitatsplagiat“ an, der z. B. in diesem Dokument auf Seite 14:

    Klicke, um auf Leitfaden_Techniken%20des%20wissenschaftlichen%20Arbeitens.pdf zuzugreifen

  21. Zum Umgang mit „Diskursplagiaten“ im VroniPlag Wiki

    Plaqueiators Anmerkung zur Plagiatserkennung über Fußnoten: „Vroniplag kennt dieses Verfahren jedoch bis heute nicht.“ kann ich so nicht ganz gelten lassen. Jeder findet auf seine eigene Art Plagiate. Wer sich damit befasst, kommt aber gar nicht umhin, sehr bald festzustellen, dass gleiche Quellenangaben einen Hinweis auf ein Plagiat geben. Die Probleme bei „Diskursplagiaten“ liegen woanders. BTW: Den Ausdruck „Diskursplagiat“ finde ich sehr treffend.

    VroniPlag Wiki ist mit seiner kollaborativen und auf einzelne Fragmente fokussierten Arbeitsweise mit der beschriebenen Form von „Diskursplagiaten“ überfordert. Bei der Dokumentation und in der Belastbarkeit der Befunde gibt es etliche Probleme, die zu Meinungsverschiedenheiten führen. Ein Problem ist, dass für ein einzelnes, separat stehendes Textfragment bei solchen nahe der Unkenntlichkeit umformulierten „Diskursplagiaten“ eine Übernahme bzw. ein Plagiat (man beachte die Unterscheidung) oft nicht belastbar aufgezeigt werden kann, auch wenn das naheliegt. Die Gesamtbetrachtung aller auffälligen Textfragmente kann im Zirkelschluss diesen Einzelnachweis dann ebenfalls nicht erbringen. Der Nachweis einer Übernahme ist somit ggf. nur über die Häufigkeit der Übereinstimmungen/Ähnlichkeiten in ihrer Gesamtheit zu führen. Im Gegensatz zu plumpen wortwörtlichen Kopien oder nur geringen Verschleierungen können bei dem so erfolgten Nachweis der Übernahme dann immer noch öfter Unsicherheiten verbleiben, die den Befund in irgendeiner Weise relativieren und ggf. noch soweit gehen können, dass es unterschiedliche Ansichten gibt, ob wirklich ein Plagiat bzw. unredliches Verhalten vorliegt. Diese Schwierigkeiten finden Eingang in den großen Themenkomplex, der sich hinter den ewigen Fragen verbirgt, ob und wie Plagiatsbefunde dokumentiert und veröffentlicht werden sollten. Umstrittene und schwer nachvollziehbare Befunde mögen z. B. mit Rechtfertigungsargumenten von Anonymität bzw. Pseudonymität in Konflikt stehen. Eine Zeit lang war ich der Meinung, man solle sich nur auf glasklare Fragmente und glasklare Fälle konzentrieren. Weitab von dem, was Verleumdungsvorwürfe nährt, nahe an der Bagatellgrenze liegt oder dessen Dokumentation als oberlehrerhafte Klugscheißerei aufgefasst werden könnte. Zufriedenstellend war das letztlich nicht. Manchmal hatte ich mich auch, ähnlich wie Plaqueiator, geärgert, wenn aus dem Zusammenhang gerissene Textfragmente nicht als Teil eines Plagiats anerkannt wurden. Dazu lässt sich dann vielleicht nur sagen: Das Wiki soll das machen, was es kann. Das Wiki muss nicht jeden Fall machen.

  22. @Erbloggtes: Du schreibst: „In der Wissenschaft hat man es nie mit 100%igen Beweisen zu tun. Es gibt Indizien, Belege, Argumente usw., und die überzeugen in ihrer Gesamtheit entweder, oder sie tun es nicht.“ Was die 100% betrifft, da würde ein Mathematiker wohl widersprechen. Davon einmal abgesehen, ist im Gegensatz zu „Diskursplagiaten“ (bzw. Teilen davon) die Abweichung von den 100% bei großflächigen Textkopien aber meist auch so gering, dass es wahrscheinlicher wäre, den Lotto-Jackpot zu knacken, gleichzeitig vom Blitz getroffen zu werden, während die Erde gerade von Aliens erobert wird. Wo in VroniPlag-Diskussionen hingegen „Argumente“ zum Tragen kamen, da fand sich schon so ziemlich alles zwischen Kaffeesatzleserei, Minority-Report und Gottesurteil. Nein, im Ernst: Ich habe mal mich mal in die Rolle des „Plagiatsskeptikers“ versetzt und dabei zahlreiche Entlastungstheorien, Ausreden und Nebelkerzen entdeckt. Fast alle davon hatten eines gemein: Bei einer wortwörtlichen Kopie können sie nicht greifen, ganz im Gegensatz zum beschriebenen „Diskursplagiat“. Ich hatte daraufhin schon überlegt, eine Anleitung zum „Sauberen Plagiieren“ zu verfassen.

    Ich kann nachvollziehen, wenn Du „fiktive Fälle, in denen dies oder jenes denkbar wäre“, für „ungeeignet“ hältst, um „generelle Aussagen zu machen, die dann bei Übertragung auf konkrete Fälle zu Kurzschlüssen führen müssen.“ Ein paar Dinge kann man aber durchaus mal benennen (ganz unabhängig von Lammert):

    Bei der Bewertung besteht leicht die Gefahr von Zirkelschlüssen: Eine verdächtige Textstelle mit identischen Referenzen wird als Zusatzbeleg für eine andere solche Textstelle angesehen und umgekehrt. Diese Herangehensweise ist OK, zugleich aber anfällig für Fehlbewertungen. Unabhängig davon mögen inhaltliche Ähnlichkeiten im Text mit der Auswahl der Referenzen zwangsläufig einhergehen und werden ungeachtet dessen leicht als weiterer Plagiatsbeleg gewertet (oder auch als das eigentliche Plagiat gesehen). Ein echter Zusatzbeleg muss das aber nicht sein. Auch die Reihenfolge kann gedanklich-logisch oder chronologisch begründet sein und bringt dann auch keinen echten Zusatzbeleg. Man könnte dann auch noch fragen, ob ein Autor, der sich mit Umformulierung sehr viel Mühe gibt, zur beabsichtigten Verschleierung nicht auch die Reihenfolge ändern würde, sofern die Logik dies zulässt. Was ich damit sagen will, ist: Man muss schon manchmal sehr genau hinschauen.

    Dann gibt es noch eine andere Problematik: Themenverwandte Arbeiten sind eine legitime Recherchehilfe und keine Recherche kommt völlig ohne Hilfsmittel aus. Der Weg, wie ein Literaturinhalt aufgefunden wurde, bleibt in der Regel ungenannt, was in vielen Fällen OK sein mag. Wo aber die erlaubte Grenze liegt, mag dann subjektiv unterschiedlich hoch angesetzt sein (wie auch vielen Kommentaren zu entnehmen ist). Autoren, die eine bestimmte Quelle sehr intensiv als Recherchehilfe verwenden, neigen manchmal dazu, die Inhalte in kleinste Bausteine in den eigenen Text einzustreuen, angereichert mit vielen weiteren Zitaten und eigenen Inhalten. Könnte man dann überhaupt noch von einem „Diskursplagiat“, d. h. der Aneignung eines „Diskurses“ sprechen? Wird das Plagiat vielleicht dadurch geheilt, dass die Aufteilung fein genug ist oder die Anzahl eingesetzter Recherchehilfen hoch genug ist? Ein hohes Maß an eigener Rechercheleistung und eigener „Diskursorganisation“ sei dann ja schließlich unbestritten. Manch einer mag dann vielleicht nicht mehr von einem Plagiat sprechen, sondern ggf. nur Originalität und Neuheitswert vermissen. Die Vorgabe angeblicher Originalität oder Neuerkenntnis könnte in der Tat als „andere Art wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ bezeichnet werden. Ich stelle diese Fragen deshalb, weil ich den Eindruck habe, dass vielfach in diese Richtungen argumentiert wird.

    Zum „Abfischen“ von Quellenangaben gab es im VroniPlag Wiki übrigens einmal eine Forumsdiskussion: http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Forum:%22Abfischen%22_von_Quellenangaben_und_Kategorien_der_Fragmente

  23. Vielen Dank Hood für die nachvollziehbaren Erwägungen! Man muss die Funktion einer bestimmten Tätigkeit im Auge behalten, denke ich. Ob Fehlverhalten vorliegt, und ob das eine bestimmte Maßnahme rechtfertigt (und auch erforderlich macht), entscheidet ein Fakultätsrat. Die Funktion von VroniPlag kann es nur sein, Argumente zu liefern, dass eine bestimmte Konstellation auf Fehlverhalten hindeutet. Über Entlastungsgründe wird die Uni sicher nachdenken, und auch die Stellungnahme des Beschuldigten wird sie bestmöglich vorzubringen versuchen.

    Ich halte es für grundfalsch, den Fehlverhaltensbegriff auf Copy-&-Paste-Zeichenkettenidentitäten zu beschränken. Die CbPD-Leute halten es offenbar für das übliche Verfahren von Plagiatoren, möglichst gut umzuformulieren. Wer bei reiner Suche nach Zeichenkettenidentitäten nur erwischt werden kann, sind die Leute, die nicht „Hood’s Guide to perfect Plagiarism“ gekauft haben 😉 – die dummdreisten Plagiatoren. Wenn man nur die erwischt und den Rest von vornherein für schlecht, aber nicht sanktionierbar erklärt, dann bedeutet das, die zugrundeliegende Betrugskultur in der Wissenschaft unangetastet zu lassen, und den Betrügern die Botschaft zu vermitteln: Ihr müsst ordentlich betrügen, das respektieren wir!

    Das ist eine sehr attraktive Position für Plagiatsskeptiker unter den Wissenschaftsfunktionären. Natürlich würden die nicht sagen, dass sie ordentlichen Wissenschaftsbetrug respektieren, sondern dass Wissenschaftsbetrug gar nicht vorhanden ist, wenn keine Zeichenkettenidentität besteht.

    Oben habe ich geschrieben:

    „Zu Beginn der Plagiatsdebatte wurde zuweilen die Ansicht vertreten, eine Aneinanderreihung von Zeichen (ein Satz, eine Formulierung) könne in begrenzter Länge auch identisch neugeschöpft werden, ohne dass die vorhergehende Schöpfung bekannt ist und damit als Plagiatsquelle gelten kann. Und nun soll es möglich sein, 10 Fußnoten identisch anzuordnen und auch in gleicher Weise einzuordnen/zu bewerten, ohne dies aus der Vorlage übernommen zu haben?“

    Du schreibst, es gebe „gedanklich-logisch oder chronologisch“ begründete Notwendigkeiten für bestimmte Reihenfolgen von Referenztexten, die eine solche identische Neuschöpfung der Fußnotenstruktur erklären könnten. Ich bezweifle, dass das stimmt. Im obigen Beispiel Lammert, S. 16, gibt es 8 identisch aneinandergereihte Referenztexte. Man müsste da mal ein Modell konstruieren, um zu überprüfen, ob das wahrscheinlicher ist als Lotto-Jackpot, Blitzeinschlag und Alien-Überfall. Wissenschaftliches Schreiben ist ein kreativer Prozess, weder Argumentationsgang noch Formulierung noch Belegauswahl sind sachlich prädeterminiert.

  24. „VroniPlag Wiki ist mit seiner kollaborativen und auf einzelne Fragmente fokussierten Arbeitsweise mit der beschriebenen Form von „Diskursplagiaten“ überfordert.“

    Da ist etwas, das sich wissenschaftliches Projekt nennt, aber ziemlich schnell überfordert. Denken überfordert? Zusammenhänge erkennen überfordert?

  25. Das ist so zu verstehen, dass sich die Kollaboratoren dort nicht einigen können, sobald ein Computer das Plagiat nicht mehr erkennen könnte. Dann gibt es Streit über jedes einzelne Fragment, und dann werden alle die rausgeworfen, die nicht mit dem Computer einer Meinung sind. Sofern Computer Meinungen haben können.
    Deshalb ist es auch so wichtig, darauf zu beharren, dass eine beliebige Reihung von identischen Fußnoten nicht ausreicht, um ein Plagiat zu belegen. Denn das könnte mit CbPD ja wieder ein Computer, und dann müssten ja diejenigen rausgeworfen werden, die mit dem Computer nicht einer Meinung sind. Sofern Computer Meinungen haben können.

    Das mit wissenschaftlich, das muss man nicht so ernst nehmen. Es gab da da auch so eine Tagung des *Wissenschafts*rats, und da wurde ein *wissenschaftlicher* Vortrag gehalten. Mehr dazu hier: http://causaschavan.wordpress.com/2013/08/16/grundlagen-der-plagiatsphrasenforschung-teil-2-das-plagiatsfabulat-im-wissenschaftsrat/

  26. Der Grundirrtum oder sagen wir die Unsicherheit liegt in den Kriterien für das, was man „Diskursplagiat“ nennen will. An der letzten Diskussion zwischen Erbloggtes und Pl_Hood wird es meine ich deutlich: Paraphrasieren kann man eng und weniger eng. Nur wenn man überhaupt keine eigenen Akzente in den Gedankengang einbringt und darüber hinaus so tut, als hätte man die Gedanken selbst entwickelt, kann man noch von einem Plagiat sprechen. Ansonsten ist die Arbeit einfach wenig originell, also von mir aus schlecht, aber das muss der korrigierende Prof beurteilen und in seine Benotung einfließen lassen, es ist aber kein Grund, nachträglich Fehlverhalten zu monieren und Karrieren zu zerstören.

    Das gilt umso mehr in den Passagen, wo der Autor sowieso schlicht referiert, was eigtl. schon bekannt ist. Erbloggtes hat bei der Analyse von S. 76 absolut richtig hervorgehoben: Die Eigenleistung Lammert bestand nur in der Übertragung der Erkenntnisse anderer auf die Ebene des Ortsvereins. Nur: Etwas anderes erwartet auch niemand von Lammert. Das macht schon der Titel der Arbeit deutlich. Niemand verlangt, dass er sich mit den Originalquellen, die er nennt und offensichtlich nicht gelesen hat (m.E. dürfte er das auch ruhig zugeben, bewiesen ist es eh) im O-Ton auseinandersetzt, womöglich noch auf Englisch, und deren Erkenntnisse kreativ und selbstständig zu denselben Erkenntnissen zusammensetzt, die andere auch schon hatten. Er soll den aktuellen Forschungsstand korrekt und präzise referieren (natürlich mit Nennung der Quellen) und seine Schlüsse für oder aus seine(n) Erfahrungen im Ortsverein ziehen und das dann zu einer eigenständigen These oder Erkenntnis zusammenbringen, die den vorher referierten Forschungsstand bestätigt oder widerlegt oder relativiert oder konkretisiert oder was auch immer. Und das tut er ja. Mehr war nicht gefragt.

    Dass er dafür Sekundärliteratur paraphrasiert, ist kein Plagiat. Wie gesagt, er kann das originell oder weniger originell, selbstständig oder weniger selbstständig, korrekter oder weniger korrekt (was die Zitierweise angeht) machen, aber dass er diese Gedanken in seiner Arbeit referiert, um sie dann auf sein Praxisbeispiel anzuwenden, ist völlig legitim. Deshalb sagte ja auch Jäger (glaube ich): Er durfte unser Werk verwenden, denn es stellte den damals letzten Stand der Dinge umfassend genug dar, sodass jeder darauf vertrauen konnte, dass das so stimmt und dass man darauf aufbauen kann (hab ich jetzt sinngemäß wiedergegeben, er wurde in der Presse so zitiert, aber ich weiß nicht mehr wo). Lammert brauchte das Rad nicht neu zu erfinden. Dass er diese Literatur, auf die er sich stützt und deren Ergebnisse er referiert, nur ab un an nennt, macht die Sache auch nicht zum Plagiat, weil er ja auch nicht behauptet, er hätte das alles selbst herausgefunden. Die bloße Tatsache, dass er die übernommenen Gedanken nur schludrig mit Fußnoten ausweist und meist direkt die aus der Sekundärliteratur kopierten Belege dafür nimmt, ist natürlich nicht sauber, macht daraus aber kein Plagiat. Niemand, der die Arbeit liest, geht davon aus, dass diese Erkenntnisse von Lammert selbst stammen, und Lammert brauchte auch nicht davon auszugehen, diese Selbstverständlichkeit extra betonen zu müssen, damit ihm in 40 Jahren kein „Plagiatsjäger“ einen Strick daraus dreht.

    Was fehlt, ist für mich klar: die Täuschungsabsicht. Und zwar die bewiesene Täuschungsabsicht. Nur wer erwiesenermaßen in der Absicht, sich fremde Leistungen anzueignen und sie als seine eigenen auszugeben, eine Arbeit abschreibt, plagiiert. Und dieses Kriterium ist, dass hatte ich schon in Stefan Webers Blog gesagt, nach unserer westlichen Strafrechtslogik eng auszulegen. Das heißt, Vermutungen reichen nicht, schon gar keine Unterstellungen. Es muss klar sein, nicht, dass er Belegstellen abgekupfert oder paraphrasiert oder Diskurse 1 zu 1 nachgezeichnet hat, sondern dass er damit täuschen wollte und so getan hat, als ob es seine eigenen kreativ erarbeiteten Leistungen wären. Dass er das nicht getan hat, steht schon im Titel der Arbeit. Alles andere kann man gut und gern auf die antinomistische Einstellung der 70er Jahre zurückführen, auf Faulheit, auf zuviel Stress nebenher, auf mangelnde Originalität oder sonstige Gründe: Das könnte alles zu einer Abwertung der Arbeit geführt haben (hat es aber nicht), aber ein Plagiat (also eine absichtliche Täuschung zwecks Erschleichung des Titels), das beweisbar sein muss, um es jemandem vorwerfen zu können, ist das deswegen nicht.

  27. @Aha, @ Erbloggtes: Um nicht missverstanden zu werden: Ein IQ-Nachweis ist zur Beteiligung im VroniPlag Wiki zwar nicht verlangt. Der Begriff „überfordert“ bezog sich hier aber auch nicht auf eine Denkleistung. Das ist so zu verstehen: Zur Organisation des gemeinschaftlichen Arbeitens muss man sich auf gewisse Grundsätze verständigen. Der so festgelegte Work-Flow und die Art und Weise der Dokumentation setzen aber gelegentlich leider auch zu enge Grenzen, was sich bei den beschriebenen „Diskursplagiaten“ als Problem erweist. Manchmal ist das Problem aber auch gerade, dass solche Regeln fehlen, weil sie kaum allgemein und sinnvoll festlegbar sind. Neben den Schwierigkeiten der Darstellbarkeit gibt es dann darüber hinaus, wie ich schon oben angedeutet hatte, eine ganze Reihe von Fragen und Meinungen dazu, ob und wie etwas dokumentiert und veröffentlicht werden sollte. (Die ganzen Diskussionen jetzt hier aufzurollen, wäre mit zu anstrengend). Auch außerhalb des Wikis gibt es dazu unterschiedlichste Meinungen. Mit „Denken überfordert“ hat das also nichts zu tun. Ein Wiki kann eben nicht alles leisten. So einfach ist das.

    @ Erbloggtes: Dass Meinungsverschiedenheiten dann auftreten, wenn „ein Computer das Plagiat nicht mehr erkennen könnte“ war vermutlich von Dir bewusst etwas zugespitzt formuliert. Auf den ersten Blick mag man zwar meinen, dass Teile Arbeit an einen Roboter übergeben werden könnten. Eine z.B. mit Hilfe von Plagiatserkennungssoftware geäußerte „Comuputermeinung“ spielte aber nie eine nennenswerte Rolle im Wiki. Vieles bleibt Handarbeit und auch bei einem sehr pragmatischen Work-Fow gibt es immer noch genug zu bewerten, zu entscheiden und zu streiten. Der Work-Flow muss der Qualitätssicherung dienen und einfach genug sein, um neuen Nutzern die Hürden zur Beteiligung zu nehmen. Was damit nicht vereinbar ist, geht eben leider nicht. Enge Vorgaben vermeiden übrigens auch das Problem, dass man Leute „rauswerfen“ müsste, die sonst nicht so genau wüssten, was sie da eigentlich tun, oder nicht willig oder tatsächlich „überfordert“ sind, „Zusammenhänge [zu] erkennen“ wie von „Aha“ vorgebracht. („Rausgeworfen“ wird nur, wer sich nicht an Regeln hält. Nur für „Meinungen“ wurde noch niemand bei VroniPlag „rausgeworfen“, auch wenn die Rausgeworfenen das – bei einigen früheren Irritationen – naturgemäß anders sehen mögen. Aber dies ist ein anderes Thema.)

    @Aha, @Erbloggtes: Noch eine Anmerkung zum Begriff „wissenschaftliches Projekt“ im Kommentar von „Aha“: Ein Vroniplagger hatte einmal geschrieben, er verstehe den Begriff „wissenschaftliches Projekt“ nicht so, dass das, was im VronPlag Wiki betrieben wird, Wissenschaft sei, sondern so, dass es einem *wissenschaftlichen Zweck* diene. Da schließe ich mich an. Man darf auch nicht vergessen, dass es bereits ein kleines Wunder ist, dass sich GuttenPlag Wiki und VroniPlag Wiki in der geübten Qualität überhaupt entwickeln konnten. Der ein- oder andere erinnert sich vielleicht noch daran, wie überrascht sich damals die Presse davon zeigte. Man darf von VroniPlag Wiki kein komplettes Serviceangebot erwarten oder es mit einem Institut bzw. einer Institution vergleichen, wie das in der Vergangenheit schon geschehen ist. Im Übrigen fehlt es ja auch nicht an Wissenschaftlern, die sich im VroniPlag Wiki beteiligen. Dass diese gewisse Denkleistungen erbringen und Zusammenhänge erkennen können, darf mal vorsichtig vorausgesetzt werden 🙂 . Das würde ich übrigens auch den Teilnehmerns des „*Wissenschafts*“[rats] (wie von Erbloggtes eingebracht) nicht absprechen. Blöd ist da vermutlich keiner, nur haben die eben ihre individuellen Erfahrungshintergründe und Interessen.

  28. Plaqueiator

    Man muss Vroniplag auch mal ins Schutz nehmen. Sie leiden dort so erheblich an der Unschärfe des Plagiatbegriffes, dass sie sich verunsichert nur auf fest gewähntem Boden bewegen wollen.
    Es liegt nicht nur an den Kollaboranten, der Irrweg wird auch hier und überall in der Diskussion begangen: das wissenschaftliche Fehlerhalten, resp. die wissenschaftliche Qualität eines Werkes, wird ausschließlich über die Definitionsversuche des Plagiatsbegriffs versucht.

    Dabei ist es nicht die Anforderung, dass ein Werk kein Plagiat zu sein / zu beinhalten habe, die ein Werk zum „wissenschaftlichen Werk“ macht.

    Die Anforderungen an ein solches Werk sind andere. Sie sind beispielhaft in den Promotionsordnungen der Fakultäten als Vorgabe für die kommenden Wissenschaftler formuliert. Hier fällt zuallererst auf, dass in den Promotionsordnungen, die ich kenne, überhaupt nicht vom Plagiat die Rede ist.

    Im Kern sind die Anforderungen an ein wissenschaftliches Werk über alle Promotionsordnungen folgende:
    Das wissenschaftliche Werk habe eine eigenständiger Beitrag zu sein, der nach den anerkannten wissenschaftlichen Methoden eines Fachs zu erbringen sei. Herausgehoben wird meistens (obwohl dies bereits Teil der wissenschaftlichen Methode sein sollte), dass alle verwendeten Hilfsmittel anzugeben seien, also ein Transparenzgebot.

    Die Verwirrung über den Versuch der Plagiatsdefinition zieht in die Promotionsordnungen höchstens über die Einbeziehung schriftlich niedergelegter wissenschaftlicher Standards ein, die an der Hochschule gelten sollen, auf welche manchmal verwiesen wird.
    Oft genug finden sich in solchen Fassungen dann wenig ausdifferenzierte und damit nicht erhellende Formulierungen über die notwendige Achtung „geistigen Eigentums“ – es geht in der Wissenschaft jedoch nicht um das „Eigentum“, sondern um die geistige Urheberschaft.

    Wie dem auch sei, in den meisten Promotionsordnungen sind die Anforderungen ausreichend umrissen, denen eine Dissertation als Erstlingswerk (und alle Folgewerke) im Wissenschaftsbereich gerecht werden müssen:
    – es muss formal und substanziell methodisch korrekt erarbeitet sein
    – es muss eigenständig erarbeitet sei, und wo nicht, sind die Hilfsmittel vollständig und transparent anzugeben
    – es muss den substanziellen Kenntnisstand des Forschungsbereichs erweitern.

    Wenden wir diese Definition der Anforderungen für ein wissenschaftliches Werk auf das vorliegende Werk Lammerts an, um festzustellen, ob das Werk den Ansprüchen genügt, so erreichen wir dies nicht über die Definition von Plagiat, sondern über die Falsifikation an der Definition für wissenschaftliche Arbeit.

    Die richtige Frage ist daher nicht: „Ist die Seite 16 plagiiert?“, sondern:

    – Ist die Seite 16 eigenständig erarbeitet oder, wenn nicht, sind die Hilfsmittel – also die Literatur – vollständig angegeben?

    Nein.

    Bereits die Falsifikation an einer der Anforderung führt zur Disqualifikation der Seite als Teil einer wissenschaftlichen Arbeit.
    Es herrscht wohl Einigkeit aufgrund der Indizien, dass Lammert Mühleisen als Vorlage verwendet hat.
    Die Falsifikation erlaubt noch weitere Aufschlüsse über die Qualität der Seite 16 hinsichtlich der „Zitierpflicht“ der wissenschaftlichen Leistung der Quelle. Nicht zitierpflichtig/(-fähig!) ist alles Triviale und Standardwissen.

    Ist die Quelle Mühlhausen an den übernommenen Stellen trivial?

    Nein.

    Wird Mühlhausen hier als Standardwissen referenziert?

    Nein (siehe den statistischen Nachweis mit der Token-Suche bei Google-Books).

    Eine interessante Frage ist, ob die von Herrn Rieble vertretene These korrekt sei, dass es sich bei der übernommenen Zusammenstellung einer Auswahl an Quellreferenzen um eine keine wissenschaftliche Leistung handele.
    Die Frage zur notwendigen Falsifikation lautet:

    – Kann diese Quellenarbeit ein anderer als ein Fachwissenschaftler leisten?

    Antwort: nein.

  29. Die drei vorstehenden Kommentare wurden in wechselseitiger Unkenntnis verfasst und erst gerade alle zugleich freigeschaltet.
    Interessanterweise beziehen sie sich inhaltlich ganz gut aufeinander.

  30. @Luis Tobar: Der wissenschaftliche Ertrag von Lammerts Dissertation ist nicht der entscheidende Punkt. Natürlich kann man in einer Dissertation eine Theorie auf ein Praxisfeld anwenden. Dazu stellt man die Theorie dar, und dann beschreibt man die Praxisanwendung.
    Täuschung, es geht um Täuschung in der Theoriedarstellung: Lammert behauptet implizit, er stelle den Forschungsstand in seinem Gebiet dar und stütze sich dabei auf (s.o.) Mühleisen (1970), Mayntz/Ziegler, Caplow, Anderson, Schlesinger, Ranney/Kendall, La Palombara/Weiner, Kaufmann, Hennessy, Barnes usw. Demnach würde er referieren, was diese Autoren erarbeitet haben. Tatsächlich referiert er jedoch, was in Mühleisen 1973b (über die genannten Autoren) erarbeitet hat. Das ist die Täuschung.
    Hätte Lammert in seiner Einleitung oder in der ersten Fußnote des Kapitels geschrieben „In Kapitel 2.1. schildere ich Parteien als Organisationen und stütze meine Ausführungen auf die Darstellung des Forschungsstandes in Mühleisen 1973b, S. 70-87.“ – dann gäbe es keine Täuschung. Zu Lammerts Entlastung wird die Uni Bochum sicherlich nach solchen salvatorischen Klauseln suchen. Ich bin gespannt, ich habe bei Lammert noch keine gesehen. Und bei Schavan ebenfalls nicht. Aber bei Theisohn, der aus der Existenz solcher Klauseln das Gegenteil dessen ableiten will, was sie besagt: Dass ihr Fehlen schon ok sei.

    @Pl_Hood: Ja, soziale und argumentative Probleme. Darstellbarkeit ist ein mir sehr unliebes Wort, da es m.E. mit Nichtrechtfertigbarkeit konnotiert ist.

  31. Plaqueiator

    @Erbloggtes:
    Gegen Einrede der Unkenntnis der Zitierpflicht für „Sekundärliteratur“ bei Lammert (ich sage absichtlich nicht „Täuschungsabsicht!):

    Schmidt macht (neu?) auf der Hauptseite unter „Allgemeines“ von lammertplag eine „Vorbemerkung: Der Verfasser weiß, dass Primärliteratur, die ihm nicht vorliegt und die er aus der Sekundärliteratur zitiert, mit ‚zitiert nach‘ anzugeben ist, da er dies in Fußnote 53 auf Seite 26 und in Fußnote 2 auf Seite 33 so praktiziert.“

  32. Lammert schreibt da in beiden Fällen „zitiert nach Lenk/Neumann“.
    Den Aufsatz „Politische Soziologie“ von Otto Stammer, den Lammert auf S. 26 aus Lenk/Neumann zitiert, haben Lenk/Neumann 1968 in ihr Sammelwerk aufgenommen. In Lammerts Literaturverzeichnis taucht er aber ohne Verweis auf Lenk/Neumann auf:
    [Stammer] Politische Soziologie, in: Arnold Gehlen/Helmut Schelsky (Hrsg), Soziologie, Düsseldorf 1955 [ohne Seitenangaben]
    Ebenso verhält es sich mit dem Aufsatz Treitschkes auf S. 33, der ohne Verweis auf Lenk/Neumann 1968 im Literaturverzeichnis steht.

    Auf Otto Stammers Aufsatz „Politische Soziologie“ verweist Lammert unter der von Lenk/Neumann 1968 zugewiesenen Überschrift „Demokratisierung der Organisation“ auf S. 105 in Fußnote 239, ohne jedoch die oben benutzte Quellenangabe „Politische Soziologie“ aus Gehlen/Schelsky hinzuzufügen. Dort erscheint es einfach als aus Lenk/Neumann 1968 entnommen, taucht so aber nicht im Literaturverzeichnis auf.

    Zwei Erklärungsmöglichkeiten für diese Ungereimtheiten kommen in Betracht: 1. Chaos und Verwirrung, die Lammert Fußnoten mal so mal so setzen lassen; 2. Den Sammelband von Lenk/Neumann hat Lammert an der einen oder anderen Stelle gar nicht benutzt, sondern das auch „zitiert nach“ einem dritten Werk, ohne das anzugeben.

  33. Plaqueiator

    Die auf Lammertplag dargestellten Sachverhalte sind geeignet, die Wissenschaftlichkeit von großen Teilen von Lammerts Werk zu verneinen. Die Zitierfähigkeit von Lammerts Dissertation als selbständigem wissenschaftlichem Werk sind nicht gegeben.

    Formal würde also eine Voraussetzung für das Führen eines Doktorgrades nicht bestehen, ein Umstand, der die Rücknahme des Verwaltungsakts der Verleihung begründet.

    Die RUB hat die damals gültige PromO bereits am 31.7.13 ins Netz gestellt. Sogar Schmidt hat dies offenbar wohl noch nicht zur Kenntnis genommen, da ein entsprechender Vermerk auf Lammertplag fehlt:

    http://www.sowi.rub.de/news/13/00297/index.html.de

    Die für den Fall relevanten Abschnitte sind

    „§1
    (2)
    Die Dissertation muß einen im Bereich der Abteilung liegenden Gegenstand behandeln. Sie soll die Fähigkeit des Promovenden zu selbständiger wissenschaftlicher Forschung nachweisen und eine wissenschaftlich beachtliche Leistung darstellen.“

    „§4
    (2) Dem Gesuch über die Zulassung zur Promotion hat der Promovend folgende Unterlagen beizufügen:

    g) eine Versicherung darüber, daß die Dissertation selbständig angefertigt wurde, daß alle Hilfen und Hilfsmittel angegeben, insbesondere die wörtlich oder dem Sinne nach anderen Veröffentlichungen entnommenen Stellen kenntlich gemacht wurden.“

    㤠12
    (1)
    Ergibt sich vor der Aushändigung der Promotionsurkunde, daß der Promovend sich bei dem Nachweis der Promotionsleistung einer Täuschung schuldig gemacht hat oder wesentliche Voraussetzungen für die Promotion irrigerweise als gegeben angenom­men worden waren, so kann die Fakultät die Promotionsleistungen für ungültig erklären.
    (2) Für die Entziehung des Doktorgrades gelten die gesetzlichen Bestimmungen.“

    Mit wohltuender Klarheit und Prägnanz stellt die für Lammert gültige PromO die Vorgaben dar, die keines weiteren Kommentars bedarf, wie ich finde: „dem Sinne nach anderen Veröffentlichungen entnommenen Stellen“ ist eine wunderbare und absolut ausreichende Formulierung. Sie steht für sich selbst.

    Üblicherweise kann ein Doktorgrad nachträglich nur bei Unwürdigkeit oder einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Täuschung entzogen werden.
    Es ist einigermaßen gefestigte Rechtsprechung, dass für eine grob fahrlässige Täuschung das In-Kauf-Nehmen der falschen Annahme über die tatsächliche Urheberschaft ausreichend ist, um eine Promotionsleistung ex ante für ungültig zu erklären.

    Was auffällt: es fehlt eine salvatorische Klausel in Lammerts PromO, der zu Folge bei „Nichtvorliegen der Voraussetzungen zur Zulassung zur Promotion, ohne daß der Doktorand hierüber täuschen wollte“ und des Bekanntwerdens dieses Mangels erst nach Aushändigung der Promotionsurkunde, „dieser Mangel durch das Bestehen des Promotionsverfahrens geheilt“ wird. Eine solche findet sich in etlichen Promotionsordnungen.

    Die etwas sperrige Formulierung der Mängelheilung durch Unwissenheit oder Unschuld lässt auf den ersten Blick kaum einen praktischen Anwendungsfall vermuten – bis der Fall Althusmann in die Erinnerung kommt.

    War uns damals auf deplagio in unserer Diskussion (https://deplagio.wordpress.com/2011/12/01/universitat-potsdam-entlastet-althusmann/) merkwürdig vorkam und was Erbloggtes bereits in einem Althusmann-Beitrag dargestellt hatte (https://erbloggtes.wordpress.com/2011/12/01/fall-althusmann-uni-potsdam-wird-uni-plagsdamm-bruch/), war die Tatsache, dass Althusmann der Entziehung entkam, indem er die vorgeworfenen Übernahmen frank und frei gestand, vorgab, es mit dem wissenschaftlichen Arbeiten nicht besser gewusst und somit keine Täuschung über die Voraussetzungen begangen zu haben:

    „Insbesondere spricht die Gutgläubigkeit von Herrn Althusmann im Hinblick auf die von ihm angewandte Methodik gegen das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.“ (Gutachten-Zusammenfassung Potsdam http://www.uni-potsdam.de/uploads/media/Zusammenfassung_Gutachten.doc, vgl. die Pressemeldung http://www.uni-potsdam.de/pm/news/up/date/2011/12/01/2011-246.html)

    Nun, einen solchen Ausweg aus der Misere bietet dem Plagiatoren oder dem Nicht-Wissenschaftler, der sich versehentlich in einem Promotionsentzugsverfahren wiederfindet, eine solche salvatorische Klausel.
    Hier zu finden, §20 (3):

    Klicke, um auf nr-08-10062010-promotionsordnung-phil-fak-neufassung.pdf zuzugreifen

    damals in Bayreuth zu finden, und weiter in einer Vielzahl von Promotionsordnungen quer durch die deutsche Hochschullandschaft:
    https://www.google.de/search?q=Mangel+durch+das+Bestehen+des+Promotionsverfahrens+geheilt

    Das Fehlen der Klausel in der PromO der RUB könnte für Lammert bedeuten: ein Ausreden auf Unkenntnis der wissenschaftlichen Zitierstandards fällt aus.

    In der PromO in Potsdam ist eine Mängelheilung, wie sie Althusmann zugute kam, überraschenderweise überhaupt nicht vorgesehen! http://www.uni-potsdam.de/u/ambek/ambek2003/2/a2003-03-28-v06.htm
    Dort gibt es gar die Formulierung:

    „§ 16 Ungültigkeit und Entziehung des Doktorgrades
    (1) Der Doktorgrad kann durch Beschluss des Promotionsausschusses entzogen werden, wenn

    (c) der Doktorgrad durch Täuschung erworben worden ist oder wesentliche Voraussetzungen für die Verleihung irrtümlich angenommen worden sind.“

    Diese Formulierung legt einen Entzug bei Althusmann eigentlich nahe, denn es bestand ja ein wesentlicher Irrtum in der Annahme, Althusmann habe eine wiss. Grundausbildung genossen.

    Warum damals nicht entzogen wurde, mag demnach zwei Gründe haben: entweder ist eine wiss. Grundausbildung keine wesentliche Voraussetzung für eine Promotion, oder aber: „Der Doktorgrad KANN durch Beschluss des Promotionsausschusses entzogen werden“. Er muss nicht.
    Hoffnung für Lammert.

  34. Selbst eine plausibel vorgetragene Unkenntnis der Zitierpflichten erledigt nicht den Vorhalt der Täuschung.

    1.) Objektiver Tatbestand: Eine *objektive* Täuschung (Getäuschtsein) liegt vor, wenn durch die Zitierweise bei vernünftig denkenden Menschen eine falsche Auffassung (eine Täuschung) z.B. über die geistige Urheberschaft hervorgerufen wird.

    2.) Subjektiver Tatbestand: Bei der Feststellung einer *subjektiven* Täuschung (Täuschen) ist danach zu fragen, inwieweit die objektive Täuschung intendiert war (Vorsatz).
    a) Wenn der Autor es z.B. durch Fahrlässigkeit versäumt hat, eine unzweideutige Zitierweise zu gebrauchen und so eine objektive Täuschung auszuschließen, so liegt „bedingter Vorsatz“ vor. Dies kann z.B. auch dann zutreffen, wenn es der Autor fahrlässig versäumt hat, sich über geltende Zitierregeln ausreichend zu informieren. Entscheidend ist hier lediglich, dass der Autor die objektive Täuschung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (daher: „Eventualvorsatz“).
    b) Wenn der Autor davon ausgehen muss, dass seine Zitierweise notwendig eine objektive Täuschung zur Folge hat, so liegt „direkter Vorsatz“ vor. Dies trifft unabhängig davon zu, ob dem Autor gerade an der Täuschung gelegen ist.
    c) Wenn der Autor es gerade auf die objektive Täuschung angelegt hat, so liegt „Absicht“ vor. Dabei kommt es allein auf den zielgerichteten Erfolgswillen an, und nicht darauf, welcher Rang diesem Ziel in der Intention des Autors zukommt.

    P.S. Eine salvatorische Klausel wollten die Herren Tenorth und Benner im Vorwort der Doktorarbeit von A. Schavan entdeckt haben:

    “Die Referenz auf Böckle weist die Dissertation bereits im Vorwort aus. Hier bedankt sich die Autorin, weil sie von seiner “moraltheologischen Prinzipienlehre” stark profitiert habe. Böckle bildet offenbar einen wichtigen Hintergrund ihrer eigenen Reflexion, von ihm hat sie ihre Kant-Lesart (entsprechend ist Böckle der nicht zitierte Kant-Interpret), und ihm verdankt sich das Kapitel über die christliche Ethik. Man erkennt den akademischen Lehrer und kann gar nicht überrascht sein, dass er so intensiv die Argumente der Verfasserin bestimmt.“

    Die Überraschung über den bestimmenden Einfluss seiner Argumente wird sich in der Tat in Grenzen halten, wenn man bedenkt, dass sich ihm das ganze Kapitel „verdankt“.

  35. Darstellbarkeit, Diskussionen, Überforderung oder nicht… Schavanplag hat nicht einmal farbig dargestellt und trotzdem eine bundesweite Diskussion angestoßen und viele Leute haben sich damit beschäftigt (da ist es wieder, die Sache mit dem Nachdenken und dem Erkennen von Zusammenhängen).

  36. @Aha: Bitte sachlich bleiben. Ich hab’s zweimal versucht zu erklären, mich hier und dort vielleicht umständlich oder missverständlich ausgedrückt. Sie können ja mal über Alternativen nachdenken, wie so ein gemeinschaftliches Projekt am besten gemeinschaftlich zu gestalten wäre. Oder was alles sein könnte, wenn es anders organisiert wäre. Auch da gibt es „Zusammenhänge“ zu „erkennen“. Und bedenken, dass bei so einem Projekt Kritik von allen Seiten in alle Richtungen kommt. Was mir immer wieder auffiel, ist, dass manch lauter Kritiker, der den Projekt-Mitwirken vorschreiben wollte, was sie zu tun hätten, selbst wohl nie bereit wäre, sich in der Sache irgendwie zu engagieren. Vorwerfen oder fordern kann ich das aber genauso wenig. Vielleicht würden Sie nach längerer Projekterfahrung ja angenervt sagen: Was wollt ihr denn, ich mach das freiwillig. Muss ich ja nicht. BTW: Die farblichen Markierungen gab es erst kurz nach Bekanntwerden des Falls Schavan. Die spielen wohl die geringste Rolle.

  37. Pingback: Wenn die Belege kopiert sind, was ist mit dem Text? | Erbloggtes

  38. Ich habe Fragen.

    Was sagen die hier versammelten Experten zu den dokumentierten Plagiaten in der Doktorarbeit des Herrn Leipziger? Auf welcher Stufe steht das? Wie muss man die gefundenen Stellen im Kontext von Schavan und Lammert einordnen?

  39. Bei Leipziger handelt es sich einfach nur um großteils wörtlich wiedergegebene Ausführungen anderer Autoren in indirekter Rede, die er in Anführungsstriche hätte setzen sollen. Die Rezipientin wird aber nicht über den Urheber des Gesagten getäuscht. Mit einem Plagiat und den Fällen Schavan und Lammert hat so eine eher technische Unzulänglichkeit nicht das Geringste zu tun. Aber man kennt ja den intellektuell herausgeforderten Ex-Sportler, der in diesem Fall wohl einen Plagiatsvorwurf politisch instrumentalisieren wollte.

  40. In der Überschrift bei PolitPlag Wiki steht nicht „dokumentierte Plagiate“, sondern „Free-Gustl-Mollath“.

    Als Nichtexperte folge ich aber mal der Aufforderung und nehme mich mit einiger Plagiatsskepsis und ohne Vorliegen der Originaltexte des ersten Free-Gustl-Mollath-Befunds an. (Die anderen Beispiele sind ja ähnlich). Dabei gehe ich davon aus, dass Leipziger mit „Sprengler et al. (1998)“ die richtige Quelle angibt (im PolitPlag Wiki wird nichts Gegenteiliges behauptet). Heidingsfelder schreibt: „Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Endlosparaphrase […]. Ansonsten übernimmt Leipziger an einigen Stellen selbst noch die Konjunktive aus dem Originaltext. Durch seine minimalen Änderungen täuscht der Verfasser eine Zusammenfassung und Interpretation der Quelle vor ohne die übernommenen, fremden Formulierungen hinreichend zu kennzeichnen.“

    Zwar verwendet der Verfasser keine Anführungszeichen. Ob darin aber eine Aneignung fremder Formulierungen besteht, wäre daran zu messen, ob beim Leser der Eindruck entstehen kann, dass es sich um eigene Formulierungen des Verfassers handelt. Dies würde ich abgesehen von zwei Sätzen (s. u.) sofort verneinen, da die Wiedergabe in indirekter Rede erfolgt, welche Umformulierungen ausschließt. (Der Verfasser legte andernfalls den Autoren der Quelle seine eigenen Worte in den Mund.) Allenfalls Kürzungen wären möglich. Im Übrigen ließen sich die Inhalte auch ohnehin nur schwer ohne Sinnveränderungen deutlich umformulieren.

    Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man noch folgenden Satz für eine eigene Schlussfolgerung des Verfassers halten: „Damit würden psychisch kranke Delinquenten in letzter Konsequenz auf unabsehbare Zeit in der Unterbringung ohne Entlassungs- oder Bewährungschance bleiben.“ Im Falle einer eigenen Formulierung (also keiner indirekten Rede) brächte der Verfasser durch den Irrealis zum Ausdruck, dass er das zuvor Gesagte in Frage stellt bzw. zur Bedingung macht. Der Verfasser hinterlässt im Text aber keine sonstigen Hinweise, die darauf schließen ließen (als Leser würde ich dann einen Einwand bzw. eine Begründung erwarten). Der Vergleich mit dem Originaltext nach PolitPlag Wiki zeigt überdies: In der Quelle steht kein Konjunktiv, d.h. selbst bei der für den Verfasser ungünstigsten Auslegung machte sich der Verfasser die Aussage der Quelle nur in abgeschwächter Form zueigen. In Anbetracht der umliegenden Wiedergaben in indirekter Rede kann dieser Eindruck aber kaum entstehen. Über eine weite Strecke (davor und danach) spricht nämlich nur die Quelle. Auch, dass bereits in der Quelle zweimal der Konjunktiv verwendet wird, wie Heidingsfelder vorwerfen will, ändert daran nichts.

    Desweiteren ist noch beim eingeklammerten Satz zu hinterfragen, ob dort der Verfasser oder die Quelle spricht, da er im Indikativ belassen ist: „(der Sachverständige soll feststellen, ob „keine Gefahr mehr besteht, daß die Gefährlichkeit … fortbesteht …“)“. Eine wertende Aussage bzw. „Interpretation“ (siehe Heidingsfelders Vorwürfe) beinhaltet dieser Satz ganz offensichtlich nicht (zur Klärung wäre ein Blick in den Gesetzesentwurf nötig). Würde man den eingeklammerten Satz als eigenständig ansehen, so wäre im Anschluss an das wörtliche Zitat eine Quellenangabe zu erwarten, was aber nicht der Fall ist. Formal knüpft der Satz an das vorher Gesagte an – der Punkt kommt erst nach Abschluss der Klammer und die Kleinschreibung wird am Satzanfang beibehalten. Der Eindruck eines eigenständigen eingestreuten Inhalts kann somit auch hier – trotz des Indikativs – nur schwer entstehen.

    Der Indikativ findet sonst nur in Nebensätzen, meist (fehlerhaft) in Kausalsätzen oder Relativsätzen, Verwendung. Eigenständige Inhalte in den Nebensätzen werden dabei durch die indirekte Rede in den Hauptsätzen ausgeschlossen. Die nachweislichen Fehler sind wiederum ein weiteres Indiz, dass der Verfasser auch bei den zwei zu hinterfragenden Sätzen ohne Plagiatsabsicht ähnlich fehlerhaft gearbeitet hat.

    Abgesehen von dem einem Satz, der, wie oben beschrieben, nur bei missgünstigster Auslegung für eine angeeignete Schlussfolgerung gehalten werden könnte, finden sich im Textauszug keine weiteren wertenden Aussagen oder Deutungen, die für Aussagen Leipzigers gehalten werden könnten. Heidingsfelders Vorwurf der Vortäuschung einer „Interpretation“ ist somit falsch.

    Eine Vortäuschung einer „Zusammenfassung“ (was auch immer diese bringen sollte), wie Heidingsfelder behauptet, liegt ebenfalls nicht vor. Der Leser kann davon ausgehen, dass nicht jeder Gedanke eines zusammenhängenden Texts der Quelle wiedergegeben wird, und daran wäre auch nichts auszusetzen. Der Originaltext nach PolitPlag Wiki enthält einige Auslassungen („[…]“). Ob sich Heidingsfelder darauf bezieht, weiß ich nicht. Die Behauptung ist wirr.

    Darüber hinaus unterlässt es Heidingsfelder, den abwertenden Begriff „Endlosparaphrase“ durch eine inhaltliche Bezugnahme zu unterlegen. Ohne eine solche kann er aber nicht entscheiden, ob sich der Inhalt nützlich oder notwendig in den übrigen Inhalt integriert oder tatsächlich nur Seitenschinderei darstellt, wie der Begriff „Endlosparaphrase“ nahelegt. Allein im Umfang („Endlosparaphrase“) besteht kein wissenschaftliches Fehlverhalten.

    Fazit: Die fehlenden Anführungszeichen sind hier (im Gegensatz zu vielen Plagiaten in anderen Arbeiten) eher als formale (handwerkliche) Mängel, vielleicht vergleichbar mit Rechtschreibfehlern, zu werten. Eine nennenswerte Vorteilsnahme des Verfassers ist nicht erkennbar. Eine Intention bzw. Absicht der Täuschung kann im Fall der obigen Übernahme nicht nachgewiesen werden und liegt auch nicht nahe.

  41. “ Ich weiß ja nicht, wie das in Naturwissenschaften ist, aber in allen mir aus eigener Erfahrung bekannten Fächern lernen die Studierenden, von wo man bibliographische Angaben ausschließlich abschreibt: Vom Titelblatt. “

    Das gilt nicht generell, in unserem Mathematik-Studium wurde uns gezeigt und auch empfohlen die Literaturangaben über die Importfunktion für Bibtex, Citavi, usw, die Verlage und Paper-Portale anbieten, die Angaben automatisch zu importieren, um das lästige Abschreiben zu sparen.

  42. „Ich ergänze das, weil es häufig implizit mitgemeint ist, aber nicht explizit dazu gesagt wird: Aus dem Umstand, dass jemand die Primärliteratur nicht eingesehen, aber in den Fußnoten angegeben hat, folgt, dass die Informationen über die Inhalte dieser Primärliteratur von irgendwo stammen müssen. Sofern diese eigentliche Quelle aber nicht angegeben wird (und das ist recht schwierig, wenn man verschleiern will, dass man die Primärliteratur gar nicht gelesen hat), handelt es sich damit um ein Plagiat, weil Übernahmen aus einer nicht angegebenen Quelle erfolgen.“

    Hmm, meiner Meinung ist das nur ein Plagiat, wenn auch Inhalte, die dem Autor der Sekundärliteratur zuzuordnen sind, übernommen werden. Z. B. Eine reine Inhaltswiedergabe, oder Faktenbeschreibung ohne jegliche eigene inhaltliche Elemente des Sekundärautors sehe ich nicht als Plagiat, da keine Gedanken des Sekundärautors übernommen werden. Kommt vielleicht noch auf die Inhalte an, bei reinen Fakten halte ich ein Plagiat für abwegig.

  43. Das hängt von der Definition von „Plagiat“ ab.
    a) ungekennzeichnete Übernahme – das ist der beschriebene Fall zweifellos
    b) Diebstahl geistigen Eigentums – das ist der beschrieben Fall zweifellos nicht
    In der Wissenschaft geht es aber überhaupt nicht um geistiges Eigentum. Der Wissenschaft geht es eigentlich gar nicht um geistiges Eigentum (siehe „Wissenskommunismus“), sondern um die Zurückverfolgung eines Gedankengangs und seiner Bestandteile zu seinem Ursprung.

  44. Bleiben wir mal bei reinen Faktendarstellungen. Egal wie, sehe ich kein Plagiat in folgendem Beispiel: In der Sekundärliteratur steht: Hamburg hat im Jahr xxxx eine Einwohnerzahl von yyyyyy (Primärquelle: Stadt Hamburg, xxxx). Wenn man jetzt diese Fakten übernimmt ohne die Quelle nachzuprüfen ist das methodisch zweifellos falsch, aber ein Plagiat sehe ich bei fehlender Nennung der Sekundärliteratur nicht. Ich kann mir nicht vorstellen einen Abschluss deswegen abzuerkennen.

  45. Es handelt sich um einen eindeutigen Verstoß gegen Prüfungsordnungen, die solche Passagen enthalten: „Alle verwendeten Quellen sind anzugeben.“ Abschlüsse werden wegen Verstößen gegen Prüfungsordnungen aberkannt, und zwar deshalb, weil der Abschluss dann laut Prüfungsordnung nicht hätte verliehen werden dürfen.
    Dabei ist egal, welche Kriterien irgendwelcher anderen Plagiatsbegriffe erfüllt sind. Der Begriff Plagiat ist nur eine Krücke, die in kaum einer Prüfungsordnung vorkommt.

  46. Ok, dann ist es aus Plagiatssicht vollkommen egal, ob man eine Primärquelle selbst prüft, oder nicht, sobald man einen Quellenverweis in der Sekundärliteratur gefunden hat, muss die Sekundärliteratur angegeben werden, auch wenn man außer dem Quellenverweis keinerlei Inhalt übernimmt und die Primärquelle selbst nachschlägt, da man nach der Prüfungsordnungsdefinition ja in diesem Fall schon die Sekundärquelle „verwendet“ hat, man hat schließlich mit ihr eine Quelle gefunden.

  47. Das ist korrekt. Warum auch nicht?
    Es gibt sogar konventionelle Floskeln dafür, etwa:
    „# Hamburg xxxx, S. y. Siehe dazu auch xyzSekundär, S. z.“

    (Was es bedeuten soll, dass es egal sei, ob man eine Primärquelle selbst prüft oder nicht, ist mir aber nicht ganz klar. Egal ist das nicht. Aber die benutzte Sekundärquelle muss man jedenfalls angeben.)

    Eine andere Frage ist natürlich, dass man es meist nicht nachweisen kann, wenn jemand NUR einen Verweis auf eine Primärquelle weiterverfolgt und nichts sonst dazu übernimmt.

  48. Vielleicht etwas zu undeutlich. Es ist natürlich methodisch nicht egal, ob man eine Primärquelle selbst prüft, oder nicht. Aber für die Plagiatsfrage ist es unerheblich, ob derjenige die Primärquelle selbst geprüft hat. Wenn die Sekundärquelle verschwiegen wird, hilft es auch nicht, dass die Primärquelle selbst geprüft wurde, da man diese durch die Sekundärliteratur gefunden hat diese jedoch verschweigt.

    Das scheinen allerdings sehr viele (Fach-)Leute nicht ganz so zu sehen, Herr Rieble hat sich auch hierzu geäußert (wenn ich es richtig interpretiere).

  49. In einem Kommentar oben erläutert er, dass die Nachweisfähigkeit ein um so größeres Problem wird, „je sublimer das Abkupfern erfolgt.“ Aber grundsätzlich „Plagiatfähig iSv unredlichem Wissenschaftsverhalten ist jede wissenschaftliche Leistung.“ Weiter oben nennt er „die Erschließung von Quellen (etwa in bislang unbekannten Archiven)“ als Beispiel, wo jemand hingegangen ist und eine Quelle aus einem abseitigen Archiv benutzt hat (in dubio pro reo: wirklich selbst benutzt) – aber nicht angegeben hat, dass er von dieser Quelle aus einem anderen Werk erfahren hat. In einem solchen Fall kann es ausnahmsweise möglich sein, nachzuweisen, dass das Verschweigen der Sekundärquelle, aus der nichts als der Hinweis auf die Quelle übernommen wurde, ein Plagiat darstellt, weil die Kenntnis von der Existenz der Quelle aus dieser Sekundärquelle stammen muss! Ansonsten ist es in der Regel nicht nachweisbar, aber deshalb noch nicht ok.
    Man muss für solche theoretischen Differenzierungen unterscheiden: „korrektes Vorgehen“ oder „Plagiat nicht nachweisbar“.
    [Kommentar nachträglich präzisiert]

  50. Er schreibt aber vorher auch:

    „Das Finden eines Belegs (Fundstelle für Fn) ist grundsätzlich keine solche anerkennungsbedürftige Leistung (mit Ausnahmen). Wir brauchen also keine “Fußnote in der Fußnote”.“

    Demnach wäre es generell wiederum keine Verfehlung, sondern nur in „Sonderfällen“.

    Abgesehen davon, dass dann grundsätzlich in der Ausbildung der Studenten ein Problem liegt, so weit ich weiß wird diese Thematik nicht behandelt, auch in der Methodenliteratur nicht.

  51. War das jetzt die These, dass zwar in den Prüfungsordnungen steht, alle Quellen anzugeben, dass das aber nicht gelehrt wird, und auch nicht in den vieldiskutierten Leitfäden steht?
    (Mir wurde beigebracht, dass ich die benutzte Ausgabe des Duden nicht ins Literaturverzeichnis aufnehmen muss, wenn es keine sprachwissenschaftliche Arbeit ist.)

  52. Herr Rieble hat doch geschrieben:

    „Mit Plagiat ahnden wir die Ausbeutung fremder wissenschaftlicher Leistung als behauptet eigene, also ohne die zitierende Anerkennung. Das Finden eines Belegs (Fundstelle für Fn) ist grundsätzlich keine solche anerkennungsbedürftige Leistung (mit Ausnahmen). Wir brauchen also keine “Fußnote in der Fußnote”.“

    Es bedarf also scheinbar keiner Kennzeichnung, wenn man eine Fußnote übernimmt.

    Ich kenne keinen Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten, in dem steht, dass der Ursprung einer Fußnote kenntlich gemacht werden muss (nur bei der Übernahme aus zweiter Hand.) Daher der Verweis, dass hier die Ausbildung zumindest verbesserungswürdig ist, wenn es denn überhaupt ein Problem ist.

    (Apropos: Ein Bekannter (Chemiker) sagt, dass ihm beigebracht wurde, dass fachliches Grundlagenwissen nur zitiert werden muss, wenn es wörtlich aus einem Buch etc. übernommen wird. Hierzu gelesene Quellen müssten bei der Wiedergabe mit eigenen Worten nicht angegeben werden.)

  53. Ich glaube gern, dass es verschiedene Fächer gibt, die im Detail verschiedene Techniken präferieren. Wenn man chemisches Grundlagenwissen (das 1000fach nachzulesen ist) mit einem quasi unbekannten Archiv vergleicht (das nur an einer Stelle überhaupt erwähnt wird), macht das die Berechtigung solcher Unterschiede vielleicht deutlich.

    Natürlich kann man ein Stichwort zur eigenen Fragestellung in einen Bibliothekskatalog eingeben und bekommt dann eine Liste von Publikationen zum Thema. Geisteswissenschaftler sagen wohl üblicherweise nicht dazu, wenn sie so vorgegangen sind. Ich habe aber schon Arbeiten aus anderen Fächern gesehen, wo man die Stichwortkombinationen, die man in bestimmten Literaturdatenbanken benutzt hat, angibt, damit spätere Forscher genau nachvollziehen können, wie man zu seiner Literaturauswahl gekommen ist.

    Mir ist nicht ganz klar, was das mit der „Fußnote in der Fußnote“ zu bedeuten hat. Es ist m.E. sehr wichtig, die konkreten Konstellationen zu betrachten: Was bedeutet es, „wenn man eine Fußnote übernimmt“? Man schreibt eine Fußnote in sein Werk, die anderswo schon stand. Warum sollte man das tun? Um etwas zu belegen, was anderswo auch schon durch diese Fußnote belegt wurde? Dann ist es ja nicht nur die Fußnote, die übernommen ist, sondern auch die These, dass sie etwas Bestimmtes belegt. Diese These ist dann nicht auf dem eigenen Mist gewachsen, sondern stammt vom Autor der übernommenen Fußnote.

    Anders sieht es natürlich aus, wenn man durch ein Sekundärwerk ein Primärwerk findet, darin liest und dann eine Stelle findet, die mit dem benutzten Sekundärwerk nichts zu tun hat. Da wäre es unsinnig, das Sekundärwerk auch mit anzugeben.

    Und noch mal: Auf solchen Wegen Fehlverhalten nachzuweisen ist schwierig, oft unmöglich. Dadurch wird das Fehlverhalten aber nicht gerechtfertigt. Es lässt sich nur nicht ahnden.

  54. „Man schreibt eine Fußnote in sein Werk, die anderswo schon stand. Warum sollte man das tun? Um etwas zu belegen, was anderswo auch schon durch diese Fußnote belegt wurde? Dann ist es ja nicht nur die Fußnote, die übernommen ist, sondern auch die These, dass sie etwas Bestimmtes belegt. Diese These ist dann nicht auf dem eigenen Mist gewachsen, sondern stammt vom Autor der übernommenen Fußnote.“

    In Ordnung, aber um noch mal das Beispiel mit der Einwohnerzahl Hamburgs zu nehmen, diese Zahl ist auch nicht auf dem Mist des Sekundärautors gewachsen.

    „Anders sieht es natürlich aus, wenn man durch ein Sekundärwerk ein Primärwerk findet, darin liest und dann eine Stelle findet, die mit dem benutzten Sekundärwerk nichts zu tun hat. Da wäre es unsinnig, das Sekundärwerk auch mit anzugeben.“

    Streng genommen verstößt man nach vorherigen Überlegungen trotzdem gegen Prüfungsordnungen, da man die Sekundärquelle in der Beziehung verwendet hat, dass man mit ihr die Literaturstelle gefunden hat.

    Es hängt wohl alles von der Definition des Begriffs „verwendet“ ab.

  55. Die Einwohnerzahl ist nicht auf dem Mist des Sekundärautors gewachsen, aber die Idee, dass man die Einwohnerzahl mit der betreffenden Quelle belegen könnte.

    Beispiel: Primärquelle ist ein Reisebericht aus dem Jahr 1284, in dem der Autor, ein südfranzösischer Mönch, berichtet, dass von den 850 Einwohnern Hamburgs 50 bei einem Großbrand ums Leben kamen. Sekundärliteratur, die wir im Beispiel benutzt haben, ist eine Übersichtspublikation des Vereins für Hamburgische Geschichte aus dem Jahr 1975, in der steht, dass die Stadt im Verlauf des Spätmittelalters einen starken Bevölkerungsanstieg erlebt habe und von ihren 800 Einwohnern im Jahr 1284 [Fußnote zum Reisebericht] bis auf 30.000 Einwohner im 16. Jahrhundert [andere Fußnote] angewachsen sei.

    Da es uns nun nur um das Jahr 1284 geht, und nicht um das 16. Jahrhundert, könnten wir ja auf die Sekundärliteratur verzichten und einfach nur die Primärquelle angeben, um zu belegen, dass die Einwohnerzahl Hamburgs Ende des Jahres 1284 um 800 lag.

    Ziemlich eindeutig haben wir vom Verein für Hamburgische Geschichte die Idee übernommen, dass man mit dem Reisebericht die Bevölkerungszahl des Jahres 1284 ziemlich genau belegen könne. Dem kundigen Professor, bei dem diese Arbeit eingereicht wurde, würde natürlich auffallen, dass das eine überraschende Einwohnerzahl ist, und ein ebenso überraschender Beleg aus einer abseitigen Quelle, die sich nicht im Hamburger Staatsarchiv findet, sondern in einer südfranzösischen Klosterbibliothek (wir waren im Urlaub extra da und haben uns die Quelle tatsächlich angesehen). Also ein großer Fortschritt für die Forschung?

    Wir haben ja nicht ausdrücklich behauptet, dass wir die ersten waren, die diese Primärquelle herangezogen haben, um die Bevölkerungszahl zu belegen. Daher haben wir auch nicht getäuscht? Aber selbstverständlich haben wir getäuscht. Die benutzte Sekundärliteratur des Vereins für Hamburgische Geschichte ist nämlich zwischen 1975 und 2013 zu Recht in Vergessenheit geraten, weil schon bald nach ihrer Veröffentlichung ausdiskutiert wurde, dass 800 niemals stimmen kann, sondern dass der Mönch mit „Einwohner“ nur die freien Männer im wehrfähigen Alter gemeint haben kann, die tatsächliche Bevölkerungszahl eher so um 5000 lag.

    Wenn die Angabe, Hamburg habe 1284 ca. 800 Einwohner gehabt, sich nur in dieser Sekundärliteratur aus dem Jahr 1975 findet und dort auf den südfranzösischen Reisebericht gestützt wird, dann handelt es sich nicht um einen Forschungsfortschritt, sondern um ein Wiederaufwärmen von längst Überholtem. Wenn man dabei so tut, als wäre das neu, indem man verschweigt, dass man durch die Sekundärliteratur von 1975 darauf gekommen ist, dann ist das eine zumindest fahrlässige Täuschung. Das Dumme für uns wäre in diesem Fall, dass es rekonstruierbar ist, wie wir auf die verrückte Idee gekommen sind, Hamburg hätte 1284 nur 800 Einwohner gehabt: nämlich nicht, weil die Primärquelle das behauptet, sondern weil die (verschwiegene) Sekundärliteratur das mit der Primärquelle belegen wollte.

    Ich räume gern ein, dass dieses Beispiel sich nicht gut auf die Gravitationskonstante übertragen lässt, die man ja überall her haben könnte. Auch wenn es um die Hamburger Bevölkerungszahl von 1985 ginge und man sich auf die offiziellen Angaben des Statistischen Amts für Hamburg und Schleswig-Holstein berufen würde, könnte man immer sagen, es sei einem spontan eingefallen, dort nachzuschauen – liegt ja nahe. Deshalb wäre nicht nachweisbar, dass es sich anders verhält. Deshalb würde man einen solchen Beleg nicht unter Plagiatsverdacht stellen.

    In dem Beispiel mit der mittelalterlichen Quelle ist es aber so, dass die benutzte Sekundärliteratur Fehler gemacht hat, nämlich zu glauben, dass die Angabe im Reisebericht die Bevölkerungszahl korrekt angibt. Diesen Fehler macht sich der Plagiator zu eigen, und so wird er enttarnt. Aus diesem Grund wird auch in prominenten Plagiatsfällen wie Schavan oder Lammert so viel auf Fehlern herumgeritten, die aus der Sekundärliteratur übernommen wurden: Sie weisen die Übernahme sicherer nach als die übernommenen Wahrheiten (die ja prinzipiell auch aus anderen Quellen von Wahrheiten stammen können).

  56. Ein sehr einleuchtendes Beispiel dem man vollkommen zustimmen kann. Das gemachte Beispiel mit der Gravitationskonstante zeigt andererseits sehr schön, dass in MINT-Fächern die Art und Weise, wie mit Literatur und Literaturrecherche umgegangen wird sich in manchem Fach deutlich von anderen Wissenschaften unterscheidet. Mein Bekannter merkte an, dass nicht selten bei ihnen (Chemie) Studenten bei der Abschlussarbeit gesagt wird „nehmen sie die Quellen hierzu aus meiner Dissertation“. Der Literaturrecherche scheint hier nur wenig Bedeutung bei der wissenschaftlichen Leistung zuzukommen.

    Bei dem Hamburg-Beispiel schwebte mir ehrlich gesagt auch eher vor, dass z. B. die aktuellste Zahl gemeint ist, die Wahl der zuständigen Stadtbehörde als Quelle ist hier natürlich naheliegend. Ihr historisches Beispiel ist daher äußerst interessant, da ich daran nicht gedacht hatte.

  57. Ohne Kontext geht es nicht. Eine Fußnote steht immer im Argumentationszusammenhang. Und nur aus diesem geht hervor, ob eine Täuschung über die Herkunft eines Elements vorliegt. Deshalb können technische Mittel nur Hilfestellungen geben, und der Rohrbacher-Kommentar liegt deshalb ganz richtig, dass man ähnliche Textstellen interpretieren und argumentieren muss, warum es sich jeweils um täuschend ungekennzeichnete Übernahmen handelt. Die bloße Identität von Zeichenketten sagt erstmal wenig aus – wie man am Fall Friedman/Grün nun schön sieht.

  58. „Ich räume gern ein, dass dieses Beispiel sich nicht gut auf die Gravitationskonstante übertragen lässt, die man ja überall her haben könnte. Auch wenn es um die Hamburger Bevölkerungszahl von 1985 ginge und man sich auf die offiziellen Angaben des Statistischen Amts für Hamburg und Schleswig-Holstein berufen würde, könnte man immer sagen, es sei einem spontan eingefallen, dort nachzuschauen – liegt ja nahe. Deshalb wäre nicht nachweisbar, dass es sich anders verhält. Deshalb würde man einen solchen Beleg nicht unter Plagiatsverdacht stellen.“

    Eine Ergänzung nach einer Diskussion mit Naturwissenschaftlern:

    Sollte sich der letzte Satz auch auf die Gravitationskonstante beziehen, so ist dies hierbei nicht korrekt. In Mathematik und Naturwissenschaften kommt es grundsätzlich nicht darauf an, wo man etwas her hat, sondern wo es ursprünglich her ist. Wenn jemand die Gravitationskonstante mit einer Quellenangabe aus der Sekundärliteratur hat, so ist es vollkommen überflüssig die Sekundärliteratur zu nennen. Die Nachweisbarkeit einer Übernahme ist nicht relevant. Wird die Konstante mit einer Herleitung übernommen, so kommt es darauf an, ob diese Herleitung fachbekanntes Grundlagenwissen ist (in diesem Fall ist die Sekundärliteratur weiterhin irrelevant), oder ob es z. B. eine neue Herleitung ist, dann muss die Sekundärliteratur genannt werden, jedoch immer noch nicht für die Gravitationskonstante an sich.

  59. Unter dem Betreff „Widerruf“ geht mir folgende Erklärung zu, die auch eine oben geführte Diskussion betrifft:

    „Ich habe sowohl in einer unter dem 02.08.2013 als auch in einer unter dem 25.10.2013 durch mich erstellten Presseerklärung und darüber hinaus in einer vom Bayerischen Rundfunk Anfang August 2013 ausgestrahlten Fernsehsendung in Bezug auf die Dissertation von Herrn Dr. Klaus Leipziger [Leipziger, Klaus: Forensische Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth. Beschreibung und Untersuchung der Rahmenbedingungen, Konzepte und Behandlungsergebnisse bei nach Paragraph 63 Strafgesetzbuch im Maßregelvollzug untergebrachten Patienten im Bezirkskrankenhaus Bayreuth unter besonderer Berücksichtigung der Gruppe der Sexualstraftäter, Regensburg 2000 (zugl. Diss. Ulm 1999)] behauptet, die Dissertation von Dr. Klaus Leipziger enthalte Plagiate.
    Diese Behauptung widerrufe ich hiermit als unwahr.
    Martin Heidingsfelder“

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