#Seeschlachtenplag Reloaded

Erbrachte Studienleistungen rechtfertigen mancherlei Privilegien. Man kann lustige Buchstabenkombinationen vor oder hinter den eigenen Namen setzen, sich auf Jobs bewerben, für die solche Buchstabenkombinationen verlangt werden, oder sich einfach im Lichte der eigenen Großartigkeit sonnen. Da dies kein Ego-Blog ist, allenfalls ein Is- oder gar Id-Blog, eignet es sich eigentlich nicht für die Ansprüche, die ein Blogstöckchen von Charlotte Jahnz nun stellt. Da die oberste Regel von Blogstöckchen aber lautet: Befolge keine Regeln!, gibt es einen Ausweg:

Ein Seestöckchen zum #Seeschlachtenplag…

…als assoziative Fortsetzung des gestrigen Artikels.

1. Welche wissenschaftliche Erkenntnis über die du in den letzten zehn Jahren gestolpert bist hat dich staunen lassen?

Die Rumpfgeschwindigkeit ist ein staunenmachendes Phänomen, und es ist auch gar nicht so lang her, dass es darüber manches zu lesen gab:

„Der ‚Plagiatsfund‘ war reiner Zufall. Karsten und Rader schrieben über ‚Rumpfgeschwindigkeit‘, ich suchte den mir unbekannten Begriff in Wikipedia und fand genau denselben Text, den ich gerade im Buch gelesen hatte. Das wars.“[1]

Wenn man dort in der Wikipedia so umherliest, gelangt man auch zu der Erkenntnis:

„Mittels geeigneter Schiffsformen ist es jedoch möglich, die Rumpfgeschwindigkeit stabil und ohne extremen Leistungsaufwand weit zu überschreiten.“[2]

Und so schien es ja auch mit dem Verfassen von geschichtswissenschaftlichen Büchern für den über 250 Jahre alten Fachbuchverlag C. H. Beck zu sein. Die geeignete Konstruktionsweise ermöglicht stabile Buchrümpfe ohne extremen Leistungsaufwand. „Mit klassischem Bildungswissen“, schrieb die taz zum Jubiläum, „erzielt der Verlag immer noch hohe Auflagen, was keine leichte Aufgabe ist.“[3] Die Aufgabe wird auch nicht leichter, wenn bekannt wird, dass dieses klassische Bildungswissen zu einem Gutteil aus der Wikipedia stammt. Denn die Nachteile, die man der Online-Enzyklopädie gern andichtet, sie werden dieser Tage nachhaltig dementiert.

2. Sind soziale Medien wichtig für Wissenschaftler?

Für manche Wissenschaftler sind soziale Medien wichtig. Für andere sind sie vor allem ärgerlich. Denn sie ermöglichen eine kommunikative Dynamik, die einigen Stakeholdern schadet. Das geschieht auch deshalb, weil die Verantwortlichkeit von Türhütern weitestgehend wegfällt, über die lange Zeit eine Kontrolle des Zugangs zur aktiven Kommunikationsteilnahme möglich war. Man stelle sich den Vorläufer des oben verlinkten – initialen – Facebook-Postings im Analogzeitalter vor: Die Rezension in einer Fachzeitschrift. Der Autor des Facebook-Postings ist sich offenbar bereits unsicher über die beste Vorgehensweise.

Wenn er einen klassischen Türhüter auf die avisierte Kommunikation anspricht, wird dieser ihm womöglich abraten (wie einem Studierenden 2010 erfolgreich abgeraten wurde, Plagiatsfunde in der Guttenberg-Dissertation zu veröffentlichen). Ein klassischer Türhüter wird sich auch absichern wollen, schließlich steht einiges auf dem Spiel. Vielleicht wird er sich dazu an die fraglichen Autoren wenden, vielleicht an den Verlag, und was werden die tun? Sinnvollerweise werden sie versuchen, die Veröffentlichung von solch unvorteilhaften Verdächtigungen zu verhindern.

Und aufgrund des Verantwortungsbewusstseins des Türhüters werden diesem auch einige Einwände dieser Stakeholder einleuchten. Schließlich genießen Autoren und Verlag hohes Ansehen, und wer würde da nicht ihren Worten Glauben schenken, dass es sich lediglich um ein bedauerliches Missverständnis handelt, gepaart mit einigen Flüchtigkeitsfehlern? Hat so ein Türhüter nicht auch die Pflicht, zu schweigen, wenn sich ein Sachverhalt noch nicht eindeutig darstellt? Wer weiß, welche Folgen den Betroffenen drohen, auch wenn am Ende alles ganz anders ist als anfangs gedacht? Und welche Folgen mögen dem Türhüter drohen? Wird der Verlag weiterhin vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten? Und welcherart subtile Drohungen sind noch denkbar?

Aus diesen Überlegungen ergibt sich übrigens eine Definition von sozialen Medien, die den bisher in „klassischem Bildungswissen“ kondensierten Definitionen an Trennschärfe überlegen sein dürfte:

Soziale Medien sind Medien, die öffentliche oder halböffentliche Kommunikation ohne Vorzensur ermöglichen.

Dabei sind Medien Informationsträger, öffentlich oder halböffentlich sind die durch Medien ermöglichten Kommunikationsvorgänge, wenn sie sich prinzipiell an alle Mitglieder eines Kollektivs richten, und ohne Vorzensur finden diese Kommunikationsvorgänge statt, wenn alle prinzipiell adressierten Empfänger für die Fortführung der Kommunikation gleichen Zugang zur Senderposition haben, ohne dass ein Türhüter (Gatekeeper) die Kommunikationsinhalte vorab kontrolliert.

3. Und wie archiviert man jetzt Bundeskanzler-SMS?

Da Bundeskanzler-SMS und insbesondere Bundeskanzlerinnen-SMS keine Objekte für soziale Medien sind, bietet sich eine Archivierung in Form klassischer Informationsträger an. Schrift erscheint naheliegend, ein umfassender Zeichensatz erforderlich, um auch Emoticons archivieren zu können. Für die Persistenz der Archivierung könnten wohl Steintafeln am besten sorgen. Da diese jedoch mit einem stark normativ wirkenden Nimbus behaftet sind, empfiehlt sich wohl als Trägermedium eher Papier.

4. Ich blogge, also…

Ja, was war die Frage?

5. Was hättest du gemacht, wenn du dein Fach nicht studiert hättest?

Manche Menschen studieren ein Fach, andere erwerben Unmengen an „klassischem Bildungswissen“, indem sie die Wikipedia durcharbeiten. Wieder andere werden Journalist, und dann gibt es noch Blogger. Unendliche Möglichkeiten!

6. Wozu braucht man einen Doktortitel?

Zunächst einmal benötigt man anerkannte Studienleistungen, die sich in Buchstabenkombinationen vor oder hinter den eigenen Namen ausdrücken. Das ist eine Anforderung der postmodernen „Wissensgesellschaft“, in der die Umwandlungsoptionen der Arbeitskraft der Subjekte in ihre monetären Äquivalente so stark von deren inkorporiertem Kulturkapital abhängen, dass dessen Messung, Definition und Repräsentation in Form von institutionalisiertem Kulturkapital zum Hauptschauplatz der gesellschaftlichen Verteilungskämpfe wird: Die Appropriation sogenannten geistigen Eigentums fungiert als Ersatz der unerwünschten Appropriation ökonomischen Kapitaleigentums und weist den geistigen Appropriateur als geeignetes Mitglied einer Funktionselite aus, die zuverlässig die Appropriationsprozesse der materiellen Appropriateure zu organisieren bereit und fähig ist.

Die Funktionsstellen, für die die entsprechenden Buchstabenkombinationen als Eignungsnachweis verlangt werden, gewähren im Rahmen des durch sie geleiteten allgemeinen Appropriationsprozesses zahlreiche Privilegien. Beispielsweise darf man, wenn man erstmal die entsprechende Formalqualifikation nachweisen konnte, ungehemmt mit der geistigen Appropriaton fortfahren, da diese kein Konkurrenzverhältnis zu den ökonomischen Kapitaleigentümern begründet, sondern allenfalls die eigene vorzügliche Qualifikation zur Ausfüllung appropriationsleitender Positionen nachweist.

Am besten ohne Nachweis, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, das niemand bemerkt, wie das Kollektiveigentum (Allmende) Wissen in Form „geistigen Eigentums“ privatisiert und durch symbolische Aufladung zu „klassischem Bildungswissen“ veredelt wird. Ohne diesen Prozess ließe sich jedoch eine Binnendifferenzierung der eigentumslosen Klasse nicht plausibel darstellen, so dass der gesellschaftliche Verteilungskonflikt nicht länger auf das Feld „geistigen Eigentums“ abgelenkt werden könnte, sondern erneut als tatsächlicher Klassengegensatz durchschaubar werden müsste.

Das eigentliche Gespenst, das umgeht, ist nämlich das „geistige Eigentum“.

7. Und wenn ich mich gerade nicht wissenschaftlich betätige, mache ich…

Gedanken aller Art. Man könnte auch sagen: Welt. Aber das würde die Sorgen so hervorheben.

8. Was ist die absurdeste Arbeit, die du jemals gelesen hast (Nein, die wissenschaftliche Untersuchung zu
Koboldstaubsaugern wird als Antwort ausgeschlossen)?

Das ist aus heutiger Sicht keine besonders schwere Frage (aber was sind Koboldstaubsauger?):

  • Arne KarstenOlaf B. Rader: Große Seeschlachten. Wendepunkte der Weltgeschichte von Salamis bis Skagerrak. Beck, München 2013.

Und natürlich die Rezension von Sönke Neitzel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Januar 2014, S. 26, in der es heißt:

„Die beiden Autoren stellen sich der Aufgabe, knapp zweitausendfünfhundert Jahre Seekriegsgeschichte zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. Es ist ihnen in famoser Weise gelungen.“

In diesem Internet hätte man die 2500 Jahre ja auch nicht lassen könnten. Da könnte ja jeder die Wikipedia-Artikel dazu lesen. Also mussten sie zwischen Buchdeckel. Famos! Und weiter:

„Sie beschränkten sich mit zwölf Seeschlachten auf eine handhabbare Auswahl, anhand deren sich gleichwohl die großen Entwicklungssprünge der Seefahrt und ihrer Bedeutung für die maritimen Konflikte von Salamis 480 vor Christus bis zur Skagerrakschlacht 1916 verdeutlichen lassen.“

Anders gesagt: Wenn man von den über 250 in der Wikipedia beschriebenen Seeschlachten 12 aussucht, dann kann so ein kontinuierlicher Verlauf von 2500 Jahren schonmal als geprägt von großen Entwicklungssprüngen erscheinen. Statt durchschnittlich einer Schlacht alle 10 Jahre kommt man da ja nur alle 200 Jahre mal zum näheren Hinsehen. Da müsste man womöglich mal überlegen, wie erkenntnisträchtig solche Ereignisgeschichte eigentlich ist. Ach, hat schonmal jemand überlegt? Ach, so lange ist das schon her? Ach, das ist eigentlich nur zur Unterhaltung? Dann ist ja gut, dass der Rezensent klarstellt, dass es bei so einem Buch um wissenschaftliche Erkenntnisse gar nicht gehen kann:

„Arne Karsten und Olaf Rader bieten dem Leser einen kurzweiligen Parforceritt durch die Seefahrtgeschichte. So demonstrieren sie, wie interessant und vielfältig die Beschäftigung mit dem Kern des Krieges – der Schlacht – sein kann.“

Geschichten eben. Da muss sich dann auch keiner aufregen, wenn da unwissenschaftliche Übernahmen in einem Geschichtenbuch auftauchen. Nur warum der traditionsreiche Fachbuchverlag C. H. Beck das als Wissenschaft ausgibt, das ist vielleicht nicht ganz so klar. Vielleicht liegt es ja daran, dass in dieser Disziplin alle Bücher mit „klassischem Bildungswissen“ so aussehen, damit „der Verlag [damit] immer noch hohe Auflagen“ erzielen kann, „was keine leichte Aufgabe ist“,[3] aber eben unter Vorspiegelung wissenschaftlicher Erkenntnisansprüche doch nochmal viel leichter von der Hand geht als in Form einer drögen Sammlung von mehr oder weniger gesicherten Tatsachen in einer kostenlosen Online-Enzyklopädie. Da kann ja jeder reinschreiben. Wie gut, dass die Autoren ausgewiesene Experten mit zahlreichen Buchstabenkombinationen vor ihren Namen sind. Da verschwindet gleich der Hintersinn, wenn der Rezensent schreibt:

„Die technischen und taktischen Details werden dabei geschickt in den größeren Zusammenhang von Krieg und Gesellschaft gestellt.“

Geschickt ist das sicher, wenn man die „technischen und taktischen Details“ aus der Wikipedia kompiliert und dabei den Blick für das große Ganze nicht verliert. Und ungemein unterhaltsam. Und voll mit „klassischem Bildungswissen“. Z.B. auf S. 269:

„In Thomas Manns ironischem Bildungsroman Der Zauberberg kommt der Figur des schöngeistigen Humanisten Lodovico Settembrini eine zentrale Rolle zu. Sorgenvoll bemüht, den Romanhelden Hans Castorp zu einem tüchtigen Vertreter des bürgerlichen Liberalismus zu erziehen, feiert Settembrini die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution, wie sie, inzwischen etwas angestaubt, die ‚Zivilisationsliteraten‘ des frühen 20. Jahrhunderts vertraten: Der Dreiklang Nationalismus, Liberalismus, technischer Fortschritt begleitet die Ausführungen Settembrinis auf Schritt und Tritt.“

Mischt man ein halbes Dutzend Begriffe, deren Kenntnis in sämtlichen Oberstufenlehrplänen als Lernziel vorgesehen ist, mit einem Verweis auf Thomas Mann, dann hat man es mit nichts anderem als mit „klassischem Bildungswissen“ zu tun. Das ist das kulturelle Referenzsystem, mit dem sich die Mitglieder der Bildungselite (siehe Frage 6), wechselseitig ihre Legitimität bescheinigen. Dazu braucht es, wie gesehen, nicht mehr als die aufmerksame Teilnahme an gutbürgerlichem Gymnasialunterricht, ein Buch von Thomas Mann und Zugang zur Wikipedia.

Wenn das das „Niveau“ ist, das man haben muss, um für allerlei gesellschaftliche Leitungsfunktionen als qualifiziert zu gelten, dann kann auch Annette Schavan Botschafterin werden. Abitur, ein Buch von Mann und Wikipedia-Zugang hat sie auch. (Also Ergänzung zu Frage 6: Niemand braucht einen Doktortitel. Connections sind viel wichtiger.)

9. Mit 4 Millionen Euro würde ich…

4 Millionen Euro ließen sich sicherlich in einige gute Connections umwandeln. Ein Buch von Thomas Mann und eine repräsentative, gedruckte Ausgabe der Wikipedia (ledergebunden, mit Goldschnitt) sollten auch noch drin sein. Alternativ reichen 4 Millionen Euro auch aus, um sich zur Ruhe zu setzen, ein Blog zu betreiben und in süffisanter Arroganz das possierliche Streben der niederen Klassen zu kommentieren.

10. Stelle dir selber eine Frage.

Gibt es Neuigkeiten und weitere Links zur Causa Skagerrak, für die sich nun wohl eher die von Moritz Hoffmann geschöpfte Bezeichung #Seeschlachtplag durchsetzen dürfte?

11. Beantworte Frage 10.

Ja. Jenseits der obigen Facebook-Links zeigt Rivva zunächst Moritz‘ Analyse aller Bilder, die dem „Archiv der Autoren“ entstammen und Klaus Grafs Bewertung von Gewicht und Gehalt der einzelnen Vorwürfe. Darüber hinaus bloggte Spreeblick. Neben Zeitungen der M. DuMont Schauberg-Gruppe, die Arne Karsten zu einem Statement bewegte, hat auch Spiegel Online über den Fall berichtet und Olaf Rader interviewt. Die Süddeutsche soll heute eine neue Stellungnahme mitsamt der Einräumung möglicher Fehler enthalten. Dynamischer sind allerdings weiterhin soziale Medien, etwa die Wikipedia, deren Mitarbeiter-Postille „Kurier“ berichtete und damit umseitig erhitzte Diskussionen auslöste. In den Social-Media-Kanälen wurde auch eine Quelle über die generelle Sichtweise des Verlags C. H. Beck auf Plagiate in seinen Werken verbreitet.

Das Blogstöckchen geht weiter an die inkriminierten Autoren und den Verlag.

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28 Antworten zu “#Seeschlachtenplag Reloaded

  1. Abgesehen von der sehr modernen Auffassung von ’social‘ science, die bei Plagiatoren immer wieder zum Vorschein kommt, finde ich doch auch eine andere Eigentümlichkeit zahlreicher Wissenschaftler und nicht zuletzt Historiker bedenklich:

    „Arne Karsten und Olaf Rader bieten dem Leser einen kurzweiligen Parforceritt durch die Seefahrtgeschichte. So demonstrieren sie, wie interessant und vielfältig die Beschäftigung mit dem Kern des Krieges – der Schlacht – sein kann.”

    Possierlich und gar putzig kommt die Schlacht – der Kern des Krieges – daher. Gar interessant und kurzweilig kann das massenhafte Töten und Sterben doch sein, wenn man nur genügend vom Menschen abstrahiert.

    Vielleicht sollte man ‚die Schlacht‘ wieder transformieren ins „abschlachten“. Dann gelingt vielleicht auch wieder, zumindest ein wenig, die Einordnung der Ereignisse nicht nur in ein „historisches Zahlenwerk“, sondern als Lebens- und Leidensgeschichte der Menschen. Dann bekommt Geschichte auch wieder seine Bedeutung für die Gegenwart.

    Nur mal so – als Ethikkaffee zum Morgen.

  2. Sehr schön der Verweis auf den von Winfried Köppelle 2012 geschriebenen Beitrag und im obrigen Artikel zuletzt verlinkten Beitrag zur Sichtweise des C.H.Beck-Verlags. Der Justiziar dieses ehrenwerten Verlags ist also der Auffassung, dass ungekennzeichnete Übernahmen aus Wikipedia grundsätzlich kein Plagiat darstellen … da scheint also noch mehr faul zu sein im Staate Beck (frei nach Shüttelbeer), als nur geklautes technisches Geschwurbel, mit dem zwei Historiker sich den Anstrich umfassender Kompetenz zu erschreiben versuchen.

    Ob der Justiziar schon begriffen hat, wie sehr sich die Welt in den letzten Jahren durch die Präsenz schneller elektronischer Kommunikation für Vielermann verändert hat? Dann hätte er wohl besser geschwiegen. So aber können wir diesem Herrn für seine ungeschminkte Sicht auf das Geschäftsmodell des Verlags C.H.Beck dankbar sein. Dank auch an Winfried Köppelle für das Dokumentieren und an Erbloggtes für den Verweis darauf. Und der Wolfgang kann ja jetzt noch eine Ombudsperson für Verlage aufmachen. Da freut sich der Wolfgang.

  3. Mal ganz ehrlich: Hier geht es im Kern um einen einzigen plagiierten Satz. Die Ausführungen über die Waffenbestückung der USS Iowa lasse ich einmal außen vor. Die Behauptung, das Werk sei „komplett aus wikipedia zusammenkopiert“ (Janning, aus dem Gedächtnis zitiert) halte ich für in keiner Weise belegt und im Kern für einen klassischen Fall von Verleumdung.
    Dass nun einzelne Autoren von den Hinterbänken der Wissenschaft in der Euphorie über die Fehlerfund bei einem „etablierten“ abstruses Zeug in die Welt setzten, ist die eine Sache. Dass aber Blogger, deren intellektuelles Niveau ich ansonstens sehr schätze, wegen eines Satzes ein Buch zur „abstrusesten wissenschaftlichen Arbeit“ (war es nicht eher ein Sachbuch?!) aller Zeiten erklären, stimmt mich mehr als nachdenklich. Wo ist da der Maßstab für Qualität geblieben?
    Ja, plagiieren ist nicht in Ordung. Falschparken auch nicht. Aber öffentlich zu plakatieren: „Nachbar Müller ist ein ganz niederträchtiger Falschparker“ wäre ein justiziabler Fall von Verleumdung. Und sowohl moralisch als auch rechtlich verwerflicher als die Belegung von Frauenparkplätzen oder die Wiedergabe einer technischen Beschreibung über Rumpfgeschwindigkeiten. Wenn noch dazu fälschlich behauptet wird, die DFG hätte einen Forschungsaufenthalt finanziert, gleitet die Sache entgültig in den Bereich der Böswilligkeit. Im vorliegenden Fall würde ich es tatsächlich begrüßen, wenn ein Richter sich als Türhüter legitimer Meinungsäußerung betätigt.

  4. Noch ein kleiner Nachtrag: Herr Janning schreibt, die Plagiate begännen bereits auf S. 1 „Herrgott, selbst den Text zu Alfred Thayer Mahan, der als „Patron“ über ihrem ganzen Buch steht, haben sie nicht selbst hinbekommen. Das ist schon ein starkes Stück und das „passiert“ nicht einfach so.“
    Ich konnte hier trotz akribischer Recherche keine Textparallelen erkennen, sieht man einmal von den Lebensdaten ab. Natürlich hätten die Autoren hier selbst die Geburtenbücher und Sterberegister konsultieren müssen, alles andere ist Plagiat, oder?!
    Problematisch mag man vielleicht die erste Bildunterschrift sehen: “ Bis heute haben seine geostrategischen Beobachtungen in den USA ihre Bedeutung nicht verloren, und auch in Indien oder China sind sie zum Bezugspunkt…“
    Auf wikipedia heißt es: „Sowohl seine geostrategischen Beobachtungen als auch seine Umschreibung der Vereinigten Staaten als Seefahrernation wirken bis in die Gegenwart nach. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts begannen auch die indische und die Marine der Volksbefreiungsarmee in China, sich konzeptionell auf Mahan zu berufen“

    Gleich ist hier eigentlich nur der Begriff „geostrategische Beobachtungen“. Ist das bereits ein Plagiat?! Dann bin ich ab heute auch bekennender Plagiator, denn selbst diesen Begriff habe ich mir nicht selbst ausgedacht.

  5. Danke für die Kommentare!

    Dem Ethikkaffee kann ich nur beipflichten. Auch die Berufung der Autoren auf Alfred Thayer Mahan als Inspirator des Buches lässt tief blicken. Wenn man die Seeschlachtminiaturen als Geschichten ernst nimmt, muss man doch fragen, zu welchem Zweck solche Geschichten erzählt werden. In der Vergottung von militärischer Macht und imperialer Geostrategie scheint der Ansatz über hundert Jahre rückständig zu sein.

    Ja, Annette, die Haltung des Beck-Justiziars ist entlarvend. Man könnte sie natürlich positiver referieren, aber die von ihm zum Ausdruck gebrachte Interessenlage ist doch deutlich.

    Lieber EJay, danke auch für deinen Kommentar, der einige kritische Bemerkungen widerspiegelt, die ich anderswo gelesen habe! In der Tat ist die These des ursprünglichen Facebook-Posts (oben verlinkt): „Dieses Buch ist vollständig aus Wikipedia-Einträgen zusammenkopiert.“ Das stimmt so nicht, was mir auch nach dem ersten Lesen des Posts bereits klar war. Der Gesamtzusammenhang, besonders die Eröffnung mit „Liebe Follower, sagt mir, was ich tun soll“, impliziert, dass eine Reihe von Hinweisen auf wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegen und dem Poster unklar ist, wie er damit umgehen sollte.
    Natürlich kann man das Posting auch als böswillige Initialaktion einer miesen Schmutzkampagne interpretieren, die Bitte um Rat als bloß vorgeschoben usw. (Ich habe keine Ahnung, wie die DFG ins Spiel gekommen ist.) Wenn man das tut, verhält man sich aber genau wie der Facebook-Poster und plakatiert metaphorisch: “Nachbar Müller ist ein ganz niederträchtiger Falschparker”. Der Empörungsausdruck richtet sich nur in die andere Richtung. Dabei handelt es sich um eine ebenso beliebte Richtung wie Plagiatoren: Der angebliche Social-Media-Mob. (Der Vorwurf der Verleumdung kann ja auch eine Art üble Nachrede sein, ein persönlicher Eindruck, der vor Gericht vermutlich nicht standhielte.)
    Nebenbei: Das Thema Plagiate polarisiert und emotionalisiert, warum, dazu habe ich oben einige krude Andeutungen hinterlassen. Zuerst wurde die Empörung (gesamtgesellschaftlich gesehen) gegen den „Plagiator“ gerichtet, dann gegen den „Boten“, und dazwischen kann man sich jeweils entscheiden. Selbst bei Guttenberg schimpften ja viele auf die „Boten“. Über diese antithetische Konstellation sind wir noch nicht hinaus. Das kommt noch, in ein paar Jahrzehnten.
    Nun zur Vorhaltung, ich würde „ein Buch zur ‚abstrusesten wissenschaftlichen Arbeit‘ (war es nicht eher ein Sachbuch?!) aller Zeiten erklären“. Ich hoffte eigentlich, dass aus dem Gesamtzusammenhang des Artikels klar würde, dass ich das Blogstöckchen im Hinblick auf diese Affäre beantworte und deshalb „aus heutiger Sicht“ auch nur diese „wissenschaftliche Arbeit“ zur „abstrusesten“ erklären kann. Die massiven Zweifel, ob es sich um eine „wissenschaftliche Arbeit“ handelt, sind ja auch auch richtig angekommen. Das ist aus meiner Sicht der Kern dieser Affäre: Da wird ein Druckwerk als Höhepunkt der modernen Geschichtswissenschaft verkauft und beworben, mit allem Renommee ausgestattet, das das Fachverlagswesen zu bieten hat, und dabei handelt es sich nicht um Geschichtswissenschaft, schon gar nicht um moderne, und erst recht nicht um einen Höhepunkt, sondern um ein amateurhaftes Liebhaberprojekt zweier Segler, das sich auf die Hauptquellen eigene Segelerfahrung, Schifffahrtsmuseumsbesuche und Wikipedia stützt und einem habituell bildungsbeflissenenen Publikum primär angenehme Unterhaltung bieten will. Das kann man machen, ich würd’s auch tun, ich hoffe, die Autoren hatten Spaß dabei. Mich stört die Verachtung, die (a) der Geschichtswissenschaft entgegengebracht wird, indem man dies als solche verkauft, und die (b) der Wikipedia entgegengebracht wird, indem man verschleiert, dass sie sich als äußerst nützliches Werkzeug für die Arbeit an dem Buch erwiesen hat.
    Punkt (a) ist nichtmal primär den Autoren anzulasten. Verlag, Rezensent und Co. haben sich dabei viel peinlicher gebärdet. Die Autoren geben ja im Buch Hinweise darauf, dass es eigentlich aus maritimen Familienurlaubsreisen entsprungen ist. Punkt (b) ist erstens die Verantwortung der Autoren, und zweitens möglicherweise angestachelt durch einen Verlag, der sein Renommee so hoch hält, dass Verweise auf Wikipedia in seinen Büchern gewiss nicht gern gesehen sind. Die Aussage, dass der Verlag Wikipedia-Verweise verboten hat, das fände ich eine gelungene Verteidigungsstrategie der Autoren. Und sie würde, wie ich im ersten Artikel zitierte, den Finger darauf legen, „daß ALLE Teile des Betriebs versagen und weiter versagen müssen“.
    Zu dem Nachtrag: Sind wir uns einig, dass die Autoren den Wikipedia-Artikel zu Mahan als Quelle ihrer Ausführungen und des Fotos benutzt haben (die Lebensdaten sind da nur ein schwaches Indiz)? Wenn wir zudem darin übereinstimmen, dass die inhaltlichen und formulierungsmäßigen Übernahmen sich nicht auf Trivialitäten (Lebensdaten, US-Amerikaner, Marine-Offizier, Schriftsteller) beschränken, sondern darüber hinaus gehen, und dass sich im Wikipedia-Artikel Verweise auf Quellen finden, die Rader/Karsten nicht angeben, empfinde ich es als Snobismus, die Verwendung der Wikipedia zu verschweigen. Es ist ja nicht so, dass die Wikipedia in einer der Anmerkungen auf S. 375 besonders aufgefallen wäre. Damit wird die Wikipedia als Wissensallmende ausgebeutet und symbolisch privatisiert.

    Das war jetzt lang. Noch ein Wort zum Richter als Türhüter: So funktioniert das nicht. Der Richter kann den Delinquenten nur in die Strafkolonie schicken, wenn er eine illegitime Meinung äußert. Das größere Problem sind aber bekanntlich die Türhüter, die vor dem Gesetz stehen und dem Mann vom Lande keinen Zugang gewähren. Deshalb können Manche das Recht als Machtmittel nutzen und andere nicht.

  6. Arne Janning

    Vielen Dank für Deinen Text.

  7. Mich emotionalisiert das Thema scheinbar auch sehr, weil ich mich tatsächlich frage, wie weit man den Plagiatsvorwurf noch treiben kann. Zum Fall meines zweiten Postings drei Bemerkungen:
    a) finden sich mindestens ebenso viele Textparallelen zu Mahan bei Michel Mollat du Jourdin: Europa und das Meer. Vermutlich würde man in jedem anderen Werk, das sich mit seiner Person beschäftigt, ähnliche Formulierungen finden. Ich würde das als sachlich bedingt bewerten und natürlich ist nie zu vermeiden, dass einem beim Einlesen bestimmte Begrifflichkeiten hängen bleiben. Ein Plagiat wäre nur zu vermeiden, wenn ich pauschal auf alle Segler- und Piratenromane, alle gängigen Lexika, die Bibel und das Kapital und was ich sonst noch alles gelesen habe verweise. Oder hinter jedem Wort eine FN: Der Duden…
    Die Grenze zum Plagiat wäre für mich erreicht, wenn relevante Inhalte und Rechercheleistungen übernommen würde, so z.B., wenn wikipedia die einzige verfügbare Quelle ist, die auf das Zitat Wilhelms II. verweist. Das ist aber gerade nicht der Fall. Die Autoren haben hier ganz offenbar selbst kompetent recherchiert.

    b) Was bedeutete „populäres Schreiben“? In zahlreichen Magazinen in Umfeld meines Faches wird generell ohne Fußnoten geschrieben, das Höchste ist eine knappe Literaturauswahl im Abspann. Dem Leser ist selbstverständlich klar, dass die präsentierten Erkenntnisse „auf den Schultern von Riesen“ stehen. Ein schönes Beispiel wären auch die Bände der Reihe „Beck Wissen“. Sind sie im Prinzip alle Plagiate?

    c) woher hat eigentlich „wikipedia“ seine Informationen? Die ersten Abschnitte des Artikels sind eine nahe Übersetzung aus dem Artike Robert Seager in der ANB: „Mahan, Alfred Thayer (27 Sept. 1840-1 Dec. 1914), naval officer and author, was born in West Point, New York, the son of Dennis Hart Mahan, a professor of military engineering and dean of faculty at the U.S. Military Academy, and Mary Helena Okill. Raised in a household run on two guiding principles, strict military obedience and a stern literalist and fundamentalist form of Episcopalianism that emphasized constant prayer, Mahan did not have a happy childhood. In his autobiography, From Sail to Steam (1907), he scarcely mentioned his parents or his youth.“ Angemerkt ist hier nichts davon. Muss es auch nicht unbedingt, denn die wikipedia ist keine Dissertation. Ansonsten wäre dies wohl ein eindeutiges Übersetzungsplagiat. Aber es ist gerade der Zweck und Ursprung des Konversationslexikons, exklusives Wissen breit verfügbar und verwendbar zu machen. Eine nobles Ziel, das wir gerade nicht durch eine „Reprivatisierung“ rückgängig machen sollten.

    Über den Boten werde ich weiterhin schimpfen. Herr Janning schreibt zwar derzeit auf allen Bloggs, liefert aber keine weiteren Belege für seine Behauptung. Die DFG-Finanzierung war offenbar ein Hingespinst, von „komplett kopiert“ möchte er selbst nicht mehr reden. Das ist der Unterschied zu Fischer-Lescarno: Hier stand substantiell etwas hinter dem Vorwurf. Die Zeit, in der die Anzeiger in Inquisitionsprozessen ganz generell Schutz genossen, sollten vorbei sein. Heute muss jeder selbst im guten und bösen für seine Äußerungen gerade stehen.

  8. Vor lauter ‚Appropriation‘ schwirrt mir – offen gestanden – der Kopf. Da geht’s jetzt zu wie nach einer Seeschlacht auf sinkendem Schiff … Kann man nicht einfach ‚geklaut‘ oder ‚Zappzerapp‘ sagen?

    😉

  9. @Klaus Jarchow:
    Geklaut? Also bitte, die Appropriation ist grundgesetzlich geschützt. Darauf basiert unsere Gesellschaftsordnung!

    @EJay: Ja, die Zukunftsfrage des Geistesproletariats ist, „wie weit man den Plagiatsvorwurf noch treiben kann“. Sehr weit. Bis hin zu „geistiges Eigentum ist Diebstahl“, mindestens.

    Zu a) Der sarkastische Vorschlag, „alle Segler- und Piratenromane, alle gängigen Lexika, die Bibel und das Kapital“ anzugeben, kursiert ja seit Guttenberg. Wegen dieses Einwandes hat sich die Online-Plagiatssuche wohl auf wörtliche Textübernahmen konzentriert, also auf geklaute Formulierungen statt auf Inhalte (die eigentlich wichtiger wären). Die kaputte Praxis ist jedoch, beim Schreiben ein Buch/einen Text vor sich zu haben und das nicht anzugeben. Und wenn man Piratenromane vorliegen hat, dann soll man bitte die angeben.

    Zu b) Meiner Ansicht nach gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder etwas ist Wissenschaft, dann muss es im Einzelnen nachgewiesen und damit überprüfbar sein. Oder etwas ist Unterhaltung, Kunst o.ä., dann gibt es textliche Anspielungen, „Zitate“, auch Textklau, freies Fabulieren, aber jedenfalls keine Pflicht zur Quellenangabe. Das als „populäres Schreiben“ Bezeichnete ist m.E. keine Wissenschaft, eher Wissenschaftsjournalismus. Mich erzürnt, dass der Beck-Verlag für seine von „klassischem Bildungswissen“ durchdrungenen, allenfalls semi-akademischen Publikationsreihen das Label „Wissenschaft“ ganz offensiv beansprucht:

    Mit den einhergehenden und vom Verlag geforderten Praktiken (Endnoten statt Fußnoten, auch nicht zu viele, höchstens eine pro Absatz, möglichst wenig Zitate, „nützliche“ Bibliographie anstatt der verwendeten Literatur u.ä.), verdirbt genau dieser Stern am „wissenschaftlichen“ Verlagshimmel die tatsächlich geübten Wissenschaftspraktiken und ihre Fundierung im Gedanken der Nachprüfbarkeit.

    Zu c) In der Tat fehlt im Wikipedia-Artikel an der entsprechenden Stelle der Nachweis, oder es handelt sich um ein Bauernopfer-Plagiat zu Fußnote 3 (aus der Oxford Encyclopedia of Maritime History). Doch, die Quelle „muss“ da angemerkt sein, das ist auch Wikipedia-Norm, nur wird sie eben oftmals nicht umgesetzt. Solche Mängel der Wikipedia entlasten aber natürlich den Weiterverarbeiter nicht von der Pflicht zur Quellenangabe. Um „exklusives Wissen breit verfügbar und verwendbar“ zu machen, sollte die Wikipedia insbesondere sagen, wo dieses Wissen herkommt. Sonst ist es nämlich eigentlich weder Wissen noch verwendbar.

    Zum „Anzeiger in Inquisitionsprozessen“: Fischer-Lescano hatte ja auch seine Türhüter bei der Zeitschrift Kritische Justiz und bei der SZ. Arne Jannings Facebook-Fragestellung ist ein neues Phänomen, und die Neuartigkeit erkennt Beck-Lektor Ulrich Nolte im obigen Interview ja auch ausdrücklich an. Die Zeit, in der öffentliche Kritiker von Wissenschaftlern generell als Nestbeschmutzer diffamiert und verfolgt wurden, sollte ja nun auch vorbei sein. Ich führe die übertriebenen Behauptungen im Facebook-Posting mal darauf zurück, dass die Frage, wie man ohne Türhüter mit solchen Problemen umgehen sollte, noch nicht allgemein erprobt ist.

  10. Arne Janning

    Noch einmal:einverstanden.

  11. Beim Schreiben eines Buches hat man immer mehrere Texte vorliegen, noch mehr wahrscheinlich im Kopf repektive Hinterkopf. Ich habe mich nun noch etwas intensiver mit dem Opus beschäftigt: die Schilderungen der Seeschlachten, die sich an diversen Stellen der Literatur finden, gleichen sich fast wie ein Ei dem anderen. Manchmal mit, manchmal ohne Fußnoten. Insofern ist die „Schöpfungshöhe“ des vorliegenden Buches nicht unbedingt hoch. Unterhaltsam liest es sich allemal. Dabei würde ich es auch belassen.

    Der Beck-Verlag muss bereits rein juristisch auf die „Wissenschaftlichkeit“ des Werkes verweisen. Sonst kommt er nämlich zitierrechtlich in Teufels Küche, da für jedes „nichtwissenschaftliche“ Quellenzitat eine Lizenz eingeholt werden muss. Bei wissenschaftlichen Werken ist das bei korrekter Kennzeichnung nicht der Fall. Insofern wird die Reaktion des Lektors verständlich.

    Die Scheidelinie zwischen „Wissenschaft“ und „Kunst“ würde ich nicht so strikt ziehen. Nehmen wir ein jedem Hochschullehrer bekanntes Magazin wie „Forschung und Lehre“. Hier werden wissenschaftliche Ergebnisse referiert, hinter denen jede Menge Geist, Schweiß und Energie stecken. Erdichtet sind sie kaum. Diese Artikel als „nicht wissenschaftlich“ zu qualifizieren, weil der Fußnotenapparat fehlt, liegt mir persönlich fern.

    Mit was ist Herr Jannig einverstanden? Dass er das alles nicht so gemeint hat und er eigentlich ein ganz Lieber ist? Dann sollte er sich öffentlich für seinen „Fehler“ entschuldigen. Nochmals: Beim Durchsuchen des Buches ist mir eine weitere Verdachtsstelle marginaler Qualität untergekommen. Angeblich wird jetzt an allen Fronten tatkräfig recherchiert. Ich warte gespannt!

  12. So habe ich das noch nicht gesehen: das Plagiat als Kunst! Dann ist der Karl-Theo also in Wirklichkeit so etwas wie der „Andy Warhohl“ oder doch vielleicht eher ein Kujau? Und die Annette, na, die hat dann ihr Gewissen als Collage aufgefasst? Ja, so kann man sich das Ganze auch schön reden, so Schritt für Schritt. Jannig in Bausch und Bogen in dieser Logik zu diskreditieren (frei nach Monty Python, „Chleudert den Purchen zu Poden!“) erscheint mir ein bisschen streng und lässt mich fragen: cui bono? (nein, nicht Wikipedia).

  13. alleszuspaet

    @Erbloggtes
    In diesem Zusammenhang erinnere ich an meinen Kommentar vom 18. 04.
    Zitat:
    „@Erbloggtes
    Dein Blog ist wirklich ein wunderbares Sittengemälde der heutigen Zeit und ich drucke vieles aus, um es späteren Generationen zu erhalten. Leider betrachtest du aber die Welt immer nur durch deine eigene, schmale, wissenschaftliche “Schießscharte”.“

  14. Liebe Annette, die These, dass Kunst anspielen und kopieren darf, stammt von Erbloggtes. Ich sehe das durchaus anders,
    Mich ärgert nach wie vor, dass Janning ständig von weiteren Belegen spricht, aber nichts herausrückt (und ich einfach nichts finden kann). Seine „Follower“ setzen da gerne noch einen drauf. Die Bachmann-Preisträgerin Passig schreibt ganz frech: „Seltsam, dass sich bisher keiner der Berichtenden die Mühe gemacht hat, ein anderes Beispiel zu finden als die hier im Ausgangsbeitrag genannten. “
    Vielleicht gibt es einfach keine?! Wenn doch, dann könnte die Dame doch der „unfähigen“ Journalie mal auf die Sprünge helfen.
    „Cui bono“: Ich bringe meinen Proseminaristen auch bei, dass reines Lexikonwissen („am 28. Juli 1914 begann der erste Weltkrieg“) nicht mit einer vgl.-Fußnote belegt werden muss. Gang korrekt müsste man auf den Editionsort der Kriegserklärung an Serbien verweisen. Aber irgendwann wird es lächerlich und hemmt wissenschaftliches Arbeiten.

  15. @EJay (20:34):
    Der Begriff „Schöpfungshöhe“ ist da eine Nebelkerze. Schilderung einer Seeschlacht ohne Quellenangabe ist keine Wissenschaft, egal in welchem Buch sie steht.
    Dass der Beck-Verlag juristisch zum Lügen verpflichtet sei, bestreite ich. In § 51 UrhG ist als Zitatbedingung etwa von einem „selbständigen Sprachwerk“ die Rede. Der Hauptgrund für die Beanspruchung des Wissenschaftslabels ist wohl eher deren gesellschaftliche Stellung (siehe dazu auch Riebles Ausführungen zum drohenden Untergang dieser Stellung durch das Plagiatsverschleppen, vgl. nächster Blogartikel).
    „Forschung und Lehre“ ist meiner Ansicht nach sowas wie Wissenschaftsjournalismus, das würde ich schon an der Formulierung „wissenschaftliche Ergebnisse referiert“ festmachen und eine Trennung zwischen „wissenschaftliche Ergebnisse referiert“ und „wissenschaftliche Ergebnisse erlangt“ postulieren. Sicher ist das in einigen Disziplinen problematisch, aber in der Regel kann man doch recht gut zwischen wissenschaftlichen Arbeiten und ihren Derivaten unterscheiden.

    @Annette:
    Kujau war immerhin bereit, für seine große Kunst auch große Opfer zu bringen! – Janning zu diskreditieren dient klar dem Schutz des Nestes vor Nestbeschmutzern. Das ist das Lieblingsverfahren des Establishments, das weiß: Es gibt kein Problem mit Wissenschaftsbetrug – solange niemand drüber redet.
    Dieser Logik entspricht auch die nun erfolgte Abmahnung Jannings, seinen Facebook-Eintrag zu löschen. Ich zitiere Jannings entsprechende Kommentare von hier:

    Mittlerweile liegt mir auch eine Unterlassungsklage der Autoren vor: „Im Rahmen der Recherchen einiger technischer Details haben unsere Mandanten unter anderem auch auf die Online-Enzyklopädie Wikipedia zurückgegriffen.“ Aber: „Die von ihnen wiedergegebenen Buchzitate machen offensichtlich, daß diese den Vorwurf des Plagiats nicht stützen.“ Warum? „Da die betreffenden Satzteile urheberrechtlich nicht schutzfähig sind“ und dann zitieren sie ein irgendein BGH-Urteil von 1963. Das scheint die Argumentation zu sein: ja, wörtliche Übernahmen, aber egal, weil Wikipedia-Artikel keine „geistige Schöpfungshöhe“ erreichen und deswegen darf man mich jetzt verklagen, wenn ich das „Plagiat“ nenne.
    […] [Präzisierung:]
    Was ich bislang habe, ist eine Abmahnung inkl. Unterlassungserklärung und Drohung mit einer Unterlassungsklage und Strafen, „deren Höhe von den Unterlassungsgläubigern nach billigem Ermessen festzusetzen“ sind, wenn ich bis 27. 4. 2014 diesen Eintrag nicht lösche.

    Man sieht leicht, dass die Abmahnung sich auf die „Schöpfungshöhe“ stürzt und damit auf den urheberrechtlichen Aspekt. Womöglich finden selbst die Anwälte, dass die Bedeutung von Plagiat als wissenschaftlichem Fehlverhalten jenseits urheberrechtlicher Ansprüche ihre Position hier nicht stärken würde.

    @alleszuspaet:
    Die Perspektive der eigenen, schmalen, wissenschaftlichen „Schießscharte“ mag mit dem Gefühl der Belagerung zusammenhängen, das mich hier seit Jahren zur Feindbeobachtung treibt. Während die Burg der Wissenschaft von allen Seiten bestürmt wird, lässt sich aus meinem Turmgelass leider kein Blümelein und kein Schmetterling erblicken.

    @EJay (09:13):
    Immer wieder gut ist es, wenn wir hier über konkrete Beispiele diskutieren. In diesem Sinne möchte ich darauf hinweisen, dass die Behauptung, der Erste Weltkrieg habe am 28. Juli 1914 begonnen, nicht trivial ist. Es handelt sich da um einen lokalen Konflikt. Erst durch die Kriegserklärung des Deutschen Reichs an Russland am 1. August sind überhaupt zwei Großmächte miteinander im Krieg, und erst am 4. August mit dem Eintritt Großbritanniens entwickelt sich der Kontinentalkrieg zum Weltkrieg.
    Deshalb würde ich zustimmen, dass man in Proseminar-Arbeiten belegfrei behaupten darf, der Erste Weltkrieg habe 1914 begonnen – nicht aber, dass man das Datum und damit den initialen Akt des Weltkriegs ohne Verweis auf jene Position behaupten darf, auf die man sich dabei stützt. (Dass man dazu auf eine Quellenedition verweisen müsse, ist doch bloß Polemik.) Es gibt (gerade in der Geschichte) keine Tatsachen, die nicht bereits Ergebnisse einer Interpretation wären, und die Nachprüfbarkeit dieser Interpretationen ist der Kern von Wissenschaft. (Egal, ob man die einzelnen Schritte eines Experiments detailliert beschreibt, oder ob man die historischen Dokumente nennt, oder ob man die wissenschaftlichen Schriften anführt, auf die man jeweils aufbaut.)

    @all:
    Weitere Medienberichterstattung
    http://www.tagesspiegel.de/wissen/plagiatsvorwuerfe-auf-facebook-deutsche-historiker-sollen-bei-wikipedia-geklaut-haben/9801134.html
    http://www.welt.de/geschichte/article127278672/Die-Schlacht-ums-Plagiat-wird-zusehends-absurd.html
    http://meedia.de/2014/04/24/renommierte-historiker-beim-abschreiben-aus-wikipedia-erwischt/
    http://www.focus.de/wissen/plagiatsfall-bei-c-h-beck-historiker-beim-abschreiben-aus-wikipedia-entlarvt_id_3797202.html
    http://www1.wdr.de/themen/digital/plagiatseeschlacht100.html
    http://blogs.helmholtz.de/augenspiegel/2014/04/augenspiegel-17-14/
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/plagiatsvorwurf-unter-der-flagge-wikipedias-12909046.html

  16. alleszuspaet

    @Erbloggtes
    „Die Perspektive der eigenen, schmalen, wissenschaftlichen “Schießscharte” mag mit dem Gefühl der Belagerung zusammenhängen, das mich hier seit Jahren zur Feindbeobachtung treibt. Während die Burg der Wissenschaft von allen Seiten bestürmt wird, lässt sich aus meinem Turmgelass leider kein Blümelein und kein Schmetterling erblicken.“
    Dein Elfenbeinturm wird nicht lange standhalten, da nützt dir die Feindbeobachtung wenig. Drum: Ausfall!!! Hinaus in die feindliche Realität, da gibt’s noch Blümelein und Schmetterlinge.

  17. Wenn man Trivialitäten („Tatsachen“) falsch darstellt, wird die Falschheit dadurch weniger schlimm, dass eine Quelle angegeben ist. Ein Beispiel sehe ich hier unter 4.: http://www.hellojed.de/wp/2014/04/seeschlachtplag-ii/

  18. Zunächst muss ich ein Stück weit zurückrudern: Frau Passig hat auf FB auf eine weitere Stelle aus dem Friedrich II.-Buch aufmerksam gemacht, die ganz ohne Zweifel Plagiatscharakter trägt, zumal die Textbenutzung in der Tat noch an weiteren Passagen deutlich wird. Ich hatte nur an den online-verfügbaren Seiten des Seeschlacht-Buches recherchiert.

    @ Erbloggtes
    Gerne zum konkreten Beispiel: Bei dem Satz „Am 28. Juli 1914 begann der erste Weltkrieg“ (oder: „das Jahr 753 gilt als Gründungsdatum Roms…“) würde ich keine Fußnote erwarten. Es ist die offizielle und in jedem Konversationslexikon zu findende Version, über die weitgehender Konsens besteht. Natürlich wäre es in einem nächsten Schritt sinnvoll, wissenschaftlich zu differenzieren. Wenn das Thema der Arbeit: „Der Ausbruch des 1. WK“ lauten würde, wäre das auch unbedingt erforderlich. Ansonsten heißt historisch Forschen ja auch immer Reduktion von Komplexität (Modellbildung, Idealtypen etc.). Ich habe von einem meiner akademischen Lehrer den Satz verinnerlicht: „Die Erkenntnis, dass eine Sache komplexer ist, als man Anfang angenommen hat, ist für sich genommen noch kein wissenschaftliches Ergebnis sondern eine Selbstverständlichkeit“.

    Hinweisen möchte ich darauf, dass es durchaus verschiedene Textgattungen wissenschaftlichen Schreibens mit unterschiedlicher Belegtiefe gibt. Aus meiner England-Zeit kenne ich den Essay, der eben keine Fußnoten setzt. Wird eine spezielle These referiert, wird selbstverständlich auf deren Urheber hingewiesen, insgesamt aber sehr viel weniger belegt. Viele bedeutende Werke stellen solche Essays dar und ich möchte sie weder als unwissenschaftlich einstufen noch in die Nähe von Plagiaten rücken.

    Nochmals zu Janning: Der Unterschied zwischen einem legitimen und einer illegitimen Plagiatsvorwurf besteht weder in der Person des Boten noch in der Art des Mediums. Er besteht in der Frage, ob er zutrifft.
    Im vorliegenden Fall hat sich der Vorwurf, auf jeder Seite befänden sich Übernahmen aus der wikipedia, als eindeutig falsch erweisen. Insofern muss hier eine deutliche Grenze gezogen werden. Ich würde mir gerade von Dir, der Du insgesamt zu Recht auf saubere Arbeitsweise pochst, eine entsprechende Stellungnahme wünschen. Ein nicht belegbarer Plagiatsvorwurf scheint mir moralisch mindestens ebenso verwerflich wie ein Plagiat selbst.

  19. Zurückrudern kann ich auch, wenn auch vielleicht nicht dahin, wohin du meinst, EJay: Ich habe, wie ich irgendwo erwähnte, die Aussage, dass auf jeder Seite Wikipedia-Kopien zu finden seien, von Anfang an nicht ernst genommen, sondern als boulevardesk-plakative Übertreibung angesehen, die eher die Gefühle des Autors als den Sachverhalt ausdrückte.
    Wenn man sich an die Öffentlichkeit wendet, ist es meiner Ansicht nach günstiger, die eigenen Gefühle nicht durch scheinbare ehrenrührige Tatsachenbehauptungen zum Ausdruck zu bringen. Denn in Deutschland herrscht ein massives Ehrenschutzregime, das nicht anders als aus der das Rechtssystem prägenden Adelsherrschaft zu erklären ist. Soviel Ehre, wie in deutschen Gesetzen geschützt wird, haben wir doch gar nicht.

    Ich kritisiere also Aussagen wie die die von der durchgängigen Wikipedia-Kopie oder die vom DFG-Fördergeldmißbrauch gerne. Aber weniger als Verleumdung, eher als technischen/taktischen Fehler, der den eigentlichen Kernpunkt, den Vorwurf des verheimlichen Abschreibens aus Wikipedia, schwächt, indem er das Ablenken davon auf jene anderen Themen erleichtert. Aus meiner Sicht ist das ursprüngliche Facebook-Posting nicht von der Absicht getragen, die Autoren zu verleumden.
    Dass die Autoren einzig das Interesse haben, dass niemand etwas Nachteiliges über sie sagt, ist ja verständlich. Man kann sich mit diesem Interesse auch identifizieren. Aber „die Öffentlichkeit“ (womit ich uns identifiziere) hat m.E. primär das Interesse daran, einen korrekten Sachverhalt zu ermitteln und anhand dieses Sachverhalts die geltensollenden Normen und angemessenen Sanktionen zu diskutieren.

    Wenn ich das Facebook-Posting im Lichte dieses (meines) Hauptinteresses betrachte, muss ich sagen: Trotz Übertreibungen und falscher Vermutungen trägt es zur Sachverhaltsermittlung, Norm- und Sanktionsdiskussion in hohem Maße bei. Der Verlag erkennt einen Punkt an und prüft. Auch in anderen Arbeiten schaut man nach, ob es sich um durchgängige Praktiken handelt. Und das ganz ohne Politiker und Dissertation.
    Wir erinnern uns an die Causa Steinmeier: Kamenz hat in unverantwortlicher Weise (oder wie ich oben sage: als technischen/taktischen Fehler) einen „Prüfbericht“ verbreitet, der dem Facebook-Posting Jannings in der Übertreibung ähnelte, von mir entsprechend kritisiert wurde. Dennoch hat Kamenz damit den Anstoß zur Sachverhaltsermittlung, Norm- und Sanktionsdiskussion gegeben. (Dass die Uni Gießen der Ansicht war, auf Basis der bestehenden Funde http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws keine amtliche Sachverhaltsermittlung vornehmen zu müssen, fand ich hinsichtlich der Normen wissenschaftlichen Arbeitens falsch. Die Sanktion ist eben, dass ich nun die Uni Gießen für eine polithörige Klitsche halte.)
    Ähnlich jüngst der Fall Heidingsfelder/Gerd Müller: Regensburger Studenten schlagen weiterhin Krach, weil die Uni sich weigert, aufgrund unsubstantiierter Verdachtsäußerungen nach dem Rechten zu sehen. (Ich kann die Studenten verstehen, die nicht an einer Uni studieren wollen, wo CSU-Gefälligkeitspromotionen als Norm gelten. Aber eine einzelne Stelle ohne Anführungszeichen, aber mit Fußnote, rechtfertigt m.E. keine Untersuchung. Ebensowenig das allgemein niedrige Niveau der Arbeit.)

    Klaus Graf hat eine ähnliche Position vertreten wie ich:

    „Das ist genau die Position, die Einschüchterung an die Stelle des notwendigen freien Diskurses setzt. Sie liegt auf einer Linie mit unzähligen Versuchen, der Plagiatsdebatte im Internet einen Maulkorb zu verpassen“.[1

    Klaus Kusanowsky versucht in diesem Kommentar, das Neue am Phänomen „Plagiatsvorwürfe im Internet“ zu fassen und den Umgang mit alten Regeln abstrakt zu betrachten.

    Vor deiner These, EJay, die ich mal so reformuliere, kann ich nur warnen:

    Ein legitimer Plagiatsvorwurf unterscheidet sich von einem illegitimen Plagiatsvorwurf nur dadurch, ob er zutrifft.

    Wissenschaft erkennt man ja auch nicht daran, dass ihre Aussagen wahr sind. Das ist nichtmal ihr hervorstechendes Kennzeichen. Stattdessen würde ich folgende These formulieren:

    Ein legitimer Plagiatsvorwurf unterscheidet sich von einem illegitimen Plagiatsvorwurf nur dadurch, ob der Äußernde gute Gründe für die Annahme hatte, dass er zutrifft.

    Das Problem mag nun auf die Abgrenzung guter von schlechten Gründen verschoben sein. Aber wenn jemand 20 Stellen googlet und davon 10 in der Wikipedia wiederfindet, dann würde ich das schon als guten Grund ansehen. Denn die Erkenntnis, ob ein Plagiatsvorwurf zutrifft, kann m.E. erst am Ende der Debatte stehen, und nicht am Anfang.

    Ich habe hiernach 3 Bildern auf Wikimedia Commons gesucht und diese 3 auch gefunden. Hellojed hat daraufhin 13 von 17 gesuchten Bildern auf Commons gefunden. Wann sollten denn die Bedingungen dafür erfüllt sein, dass man legitimerweise sagen kann, dass das Buch sich großzügig bei Bildern aus der Wikipedia bedient hat, ohne das anzugeben? (Für mich ist das Bilderbeispiel interessant, weil es manche Probleme von Text-Plagiatsunterscheidungen umgeht, aber dennoch eine Arbeitsweise deutlich macht.)

  20. Möglicherweise ist der Wikipedia-Artikel zur Rumpfgeschwindigkeit ein Plagiat der Frage nach der Höchstgeschwindigkeit einer Schwalbe!

  21. An Wahrheit kann und muss man als Wissenschaftler nicht glauben. Wenn ich das schrieb, dann meinte ich vor allem eine intersubjektive Objektivität (siehe oben: Komplexitätsreduktion oder besser: Pointierung). Ethisch würde ich es so formulieren: Eine Aussage muss nicht wahr sein, aber ein Wissenschaftler sollte von der Wahrscheinlichkeit ihrer Wahrheit überzeugt sein. Alles andere ist in der Tat eine Frage des Diskurses.
    Die meisten Protagonisten von vroniplag glauben übrigens, dass ein Plagiat eine objektive Sache sei…
    Eine Stichprobe von 20 Stellen rechtfertigt allerdings kaum, mit gutem Gewissen von „komplett zusammenkopiert“ zu sprechen. Ich glaube, dieser Argumentation würde kein Gericht der Welt folgen (siehe: Wahrheitsfindung). Und auch kein Statistiker. Vor allem rechtfertigt sie nicht, diesen Vorwurf über Tage aufrecht zu erhalten.
    Man könnte natürlich auch formulieren: Ein legitimer Plagiatsvorwurf unterscheidet sich von einem illegitimen Plagiatsvorwurf dadurch, dass er intendiert ist, wahr zu sein. Das würde Herrn Janning möglicherweise entlasten. In diesem Fall spräche dieser gute Wille aber deutlich gegen seine wissenschaftliche Fähigkeiten: Er musste in fast allen Punkten zurückrudern. Schlechte Thesen sind kein Plagiat und moralisch vertretbar. Aber schlecht sind sie dennoch.
    Einen Anfangsverdacht darf natürlich jeder äußern. Wenn er ihn als solchen markiert, handelt in jedem Fall richtig,

  22. Als Formulierung eines Anfangsverdachts hatte ich das ursprüngliche Posting verstanden (wenn auch der Wortlaut dafür ziemlich vollmundig war).

  23. Sascha Pommrenke

    Jetzt wird es natürlich kompliziert. Ist ein Plagiatsvorwurf nur dann legitim, wenn er sich vollumfänglich bestätigt? Oder ist er bereits dadurch legitmiert, dass es überhaupt eine nennenswerte Anzahl an Plagiaten gibt? Oder reicht bereits ein einziges Plagiat?
    Ich mag ja etwas idealistisch an wissenschaftliche Arbeiten herangehen (oder zumindest an solche Arbeiten, die von sich selbst Exzellenz-Wissenschaft behaupten), aber ich finde bereits eine einzige aus der Wikipedia kopierte Stelle ziemlich seltsam. Es mag ja sein, dass die Fakten zum Standardwissen gehören – aber warum wird dann gleich der gesamte Text kopiert und nur ein, zwei Wörter mehr oder weniger sinnvoll ausgetauscht? Man stelle sich dieses Vorgehen in der quantitativen Sozialforschung vor – es sind ja nur Daten.
    Besonders frappant finde ich die Selbstverständlichkeit mit der solche Plagiate begangen, akzeptiert und verteidigt werden.
    Vielleicht hilft es, sich auf die Sachverhalte zu fokussieren und sich nicht am Ausgangsverdacht aufzuhängen, sonst wirkt es doch arg nach ad hominem-Argumenten, die nur ablenken wollen.

  24. Rechtlich betrachtet macht es durchaus einen Unterschied, ob ich einen Menschen als Dieb und Mörder oder nur als Dieb bezeichne. Sollte er tatsächlich „nur“ gestohlen haben, wäre ersteres ein justiziabler Fall von Rufschädigung. Nur darum geht es mir.

    Erbloggtes unterstellt Herrn Janning recht unkritisch gute Absichten, den Buchautoren dagegen harsch urteilend skanalöses Handeln. Meine Position ist eher: Die Textübernahme ist mindestens im Fall der Rumpfgeschwindigkeit ein absolutes no-go, das auch transparent und öffentlich dokumentiert werden sollte. Man kann ohne Schwierigkeiten auch auf einen einzelnen entlehnten Satz aufmerksam machen. Kritik gehört zum Geschäft der Wissenschaft.
    Der ursprüngliche Aufschrei „komplett zusammengeschrieben“ ist hingegen rundwegs unrichtig und sollte auch als solcher markiert werden. Er geschah unter Außerachtlassung aller publizistischen Sorgfaltspflichten und wohl auch wider besseres Wissen.

    Nochmals: Hier geht es nicht um Nebelkerzen. Ich möchte die Buchautoren nicht von dem, was sie zu Unrecht übernommen haben, entlasten. Auf der anderen Seite will ich aber klar machen, dass Plagiate eine ernste Angelegenheit sind. In Richtung von Herrn Janning: Mit soetwas spielt man nicht!

    Zum Thema „vollumfänglich“: Erbloggtes und ich sind uns insofern einig, dass Plagiate keine objektive Sache sind und diese Frage allenfalls „am Ende der Debatte“ als relativ geklärt gelten darf. Wichtig ist vielmehr, dass er aus Sicht des Rufers eine hohe Plausibilität besitzt. Je unreflektierter der Rufer, desto weniger darf man ihm wohl böse Absicht unterstellen (siehe unter: M. Heidingsfelder). Der Plagiatsdebatte haben solche Stimmen freilich bisher nicht gut getan.

  25. Pingback: Der Junge, der “Plagiat” schrie | Erbloggtes

  26. https://twitter.com/Untoter_Ostgote/status/461458054257848321

    Die abschließende Kulturkritik in der NZZ jedoch erscheint selten dämlich.

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