Schlechte Nachrichten für Schavan

Ergab es ein schiefes Bild, viele Monate mangelnder Berichterstattungsqualität mit einem Tag erfreulichen Kontrasts aufzuwiegen, so dürfte es kaum bedeutungslos sein, wie sich die Schwerpunkte – plötzlich – verschoben haben: Nachdem seit mehr als acht Monaten in den Massenmedien vor allem Verteidigungen und Relativierungen Schavans und ihrer plagiierten Doktorarbeit vertreten waren, ließ sich gestern, am Vortag der lange erwarteten Fakultätsratssitzung am Dienstagnachmittag, erstmals der Eindruck gewinnen, dass erstens die Stellungnahmen überwiegen, die nicht von Schavans Plagiaten ablenken, sie rechtfertigen oder ihre Ahndung durch die Universität Düsseldorf verhindern wollen, und dass zweitens auch in den Massenmedien mehrheitlich kritisch über Schavan und ihre Unterstützer berichtet wird.

Der Tagesspiegel tut sich mit seiner Schavan-Berichterstattung schon seit einiger Zeit hervor. Nun liefern Anja Kühne, Amory Burchard und Tilmann Warnecke Artikel, die der Konkurrenz um Längen überlegen sind:

Die FAZ konnte sich nicht von der gefährlich schavannahen Position Heike Schmolls emanzipieren – was hier mehrfach scharfe Kritik provozierte. Roland Preuß bei der Süddeutschen versuchte dran zu bleiben, offenbarte jedoch zuletzt erstaunliche Verständnislücken. Und Manuel Bewarder demonstrierte der Welt allerlei Schieflagen in seinen Prämissen, Sprachbildern und Bedeutungszumessungen.[1] Den Journalistenchor dirigierten Stellungnahmen von Schavans Weggefährten und Soldempfängern. Doch die haben ihre hanebüchenen Angriffe auf die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf klar überzogen – und damit wohl das erwähnte Kontrastprogramm provoziert:

Imperium der Wissenschaftler gegen Rebellen-Allianz

Der Philosophische Fakultätentag (PhFT) glänzte durch eine Pressemitteilung seines Vorsitzenden Tassilo Schmitt, der an dem Statement der “Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen” kein gutes Haar ließ. Auch der Deutsche Hochschulverband (DHV) sprach sich deutlich gegen die Einflussnahmeversuche schavanfreundlicher Kreise auf das Verfahren aus, für das rechtlich und moralisch die philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf zuständig ist: Sein Präsident Bernhard Kempen warnte davor, die sachlich unbegründeten Attacken Schavans wissenschaftspolitischer Freunde könnten „den fatalen Eindruck entstehen lassen, politisch wünschenswerte Ergebnisse könnten öffentlich herbeigeredet werden“.[2]

Kempen sagte noch mehr, und Schärferes, berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Montag um 16 Uhr. Das wollte aber bis mindestens Dienstag Morgen kein deutsches Massenmedium der Öffentlichkeit mitteilen. Daher folgt nun der Werbeblock für das rein werbefinanzierte Portal für Berichte aus dem Bildungsbereich: news4teachers.de hat sich eine lobende Erwähnung dafür verdient, dass es als einzige von Google durchsuchte Internetseite einen DPA-Bericht an das Publikum weitergegeben hat, ohne ihn um die entscheidenden Passagen zu verstümmeln:

„Die Argumentation der Wissenschaftsorganisationen sei «an den Haaren herbeigezogener Unsinn», sagte Kempen. […] Kempen sagte weiter, sollte die Universität ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels einleiten, dann müsse Schavan sich fragen, «ob es dem Amt des Bundesbildungsministers wirklich gut tut, unter diesen Umständen weiterhin Ministerin zu bleiben».“[3]

Die CSU erhält eine Rücktritts-SMS. Von Markus A. Dahlem

Die CSU erhält die Rücktritts-SMS – Abbildung von Markus A. Dahlem

Damit fordert der DHV als Berufsvertretung von mehr als 27.000 habilitierten Professoren“[3] Schavan kaum verhohlen zum Rücktritt auf. Nur in dem äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass der Düsseldorfer Fakultätsrat heute kein Aberkennungsverfahren einleitet, sondern Schavan freispricht, könne sie Ministerin bleiben.

Die Zeit stellt derweil zwei Texte einander gegenüber, die das Problem der Rettet-Schavan-Lobbyisten demonstrieren: Sie haben keine validen Argumente. Während der emeritierte Philosophieprofessor und langjährige Schavan-Weggefährte Ludger Honnefelder seiner ersten Berufung als katholischer Priester nachkommt und zu Schavans Verteidigung anführt, er hätte sich bei der Lektüre der Arbeit nicht getäuscht gefühlt (Gott gewiss auch nicht – und das ist ja entscheidend), sagt Plagiatsexperte Volker Rieble in deutlichen Worten das Notwendige und schließt mit Zweifeln daran, wie der Fakultätsrat wohl entscheidet:

„Frau Schavan mag hoffen, Gnade vor Recht zu finden, wie der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann an der Universität Potsdam. Doch ist nicht bloß das Plagiat eine Frage der Ehre (Hegel), sondern auch die Plagiatabwehr. Ob Düsseldorf auf das Ehrwürdigkeitsniveau von Potsdam herabsinken will, wird man sehen.“[4]

Auf einen Gnadenakt setzt Jürgen König im Deutschlandfunk, nachdem er sich von Bernhard Kempen nochmal hat erklären lassen, dass dieser glaubt, „die Organisationen, die hier intervenieren, die leisten nicht nur der Wissenschaft einen Bärendienst, sondern nicht zuletzt auch Frau Schavan“.[5] Die Zeitung Neues Deutschland druckt derweil eine bittere Abrechnung des Berliner Doktoranden in Wissenschaftstheorie Peter Monnerjahn mit den wissenschaftlichen Krähen, die Schavan als eine der ihren ansehen.[6] Monnerjahn erklärt noch einmal grundlegend, warum die Verteidigungsversuche Schavans nicht nur scheitern müssen, sondern zudem ein Armutszeugnis für Wissenschaftler sind, die so etwas als Argument vorbringen wollen.

Das Schavan-Porträt von Ulrich Schulte in der taz führt vor, dass der Entzug des Doktortitels einen ganzen Lebensentwurf zerschlägt, der auf religiösen Netzwerken, pastoral-gelehrten Floskeln und wissenschaftlicher Hochstapelei basiert. Der NRW-Verfassungsrichter Joachim Wieland erklärt derweil in der Legal Tribune Online eindringlich das Befangenheitsproblem im Fall Schavan. Er beziffert die Überweisungen aus dem Bundeshaushalt an die „Allianz der Wissenschaftsorganisationen“ seit 2010 auf 27 Milliarden Euro und empfiehlt daher:

„Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen sollte zudem vor ihrer nächsten Presseerklärung prüfen, ob sie sich nicht der Besorgnis der Befangenheit aussetzt.
Immerhin äußert der Zusammenschluss sich zu einem Verwaltungsverfahren, in dessen Mittelpunkt die Ministerin steht, welche Entscheidungen über die finanzielle Förderung der Allianzmitglieder trifft. Bei einem unbefangenen Betrachter könnte der Eindruck entstehen, die Vereinigung handle nicht unbefangen, sondern ihre Funktionsträger fühlten sich der Ministerin verpflichtet.“[7]

Neuer Tag – neues Spiel

Früh am Dienstag Morgen veröffentlichte Roland Preuß seinen Artikel, in dem er die verschiedenen Stellungnahmen so resümiert:

„Die Frontlinie geht nun mitten durch die Wissenschaft: Die Max-Plack-Gesellschaft[sic], die Humboldt-Stiftung und andere Riesen der Forschungslandschaft haben das Plagiatsverfahren gegen Bildungsministerin Annette Schavan angegriffen – nun schlagen Hochschulvertreter zurück.“[8]

Richtig daran ist, dass nur Schavans Parteifreunde, ihre Netzwerker und die von ihr mit Milliarden finanzierten außeruniversitären Forschungsorganisationen das Düsseldorfer Vorgehen kritisiert haben. Aber das sieht Preuß offenbar nicht, sondern malt ein Bild von „Riesen der Forschungslandschaft“, denen „Hochschulvertreter“ gegenüberstehen. Entsprechend der „Frontlinie“ tritt neben Honnefelder, Benner, Tenorth, Winnacker, Frühwald und Co. am Dienstag auch noch der Staatsrechtler Rüdiger Wolfrum, der kurzerhand ein Gegengutachten zum von der Universität Düsseldorf in Auftrag gegebenen Gärditz-Gutachten verfasst und an die Rheinische Post gegeben hat. Wolfrum behauptet im Widerspruch zu dem monatelang erarbeiteten juristischen Fachgutachten eines Experten für Wissenschaftsrecht:

„Das Verfahren der Aberkennung weist Defizite auf, die sich aus allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen ergeben.“[9]

Das Verfahren der Aberkennung hat bislang noch gar nicht richtig begonnen. Aber Wolfrum, der seine Schavan-Affinität bereits früher unter Beweis gestellt hat,[10] kennt natürlich bereits die Defizite des Verfahrens (Gott gewiss auch – und das ist ja entscheidend).

Angesichts dessen muss die Bitte an die Düsseldorfer Fakultät lauten, das Verfahren kurz und schmerzlos zu gestalten. Die Fürbitte ist dem Bildungsministerium gewidmet, es möge eine gute Neubesetzung finden. Und der Dank geht an Annette Schavan, die große Verdienste um die Entlarvung von „Wissenschaftsgrößen“ und „Qualitätsjournalismus“ errungen hat.

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9 Antworten zu “Schlechte Nachrichten für Schavan

  1. ich gehe, was die freude angeht, heute lieber mal auf nummer sicher und feiere 50 jahre elysée-vertrag, da kann nicht viel schiefgehen.

    ich drück dir aber die daumen, daß dein „stoßgebet“ fruchtet. wäre ja nach sonntag zu schön, wenn madame merkel schon wieder ein taschentuch rausrücken müsste 😉

  2. Sollten doch noch Stimmen der Vernunft und des eigenständigen Denkens existieren? Die Presselandschaft insbesondere der vergangenen Woche nivellierte doch fast vollständig den Unterschied zwischen Forentrollen und Qualitätsjournalisten. Letztere verbrämen ihr Trollen ja gerne als unvoreingenommen und alle Seiten zu Wort kommen lassend. In Wirklichkeit scheint es ihnen aber, genau wie ihren Forengleichgesinnten, nur um den Krawall als Mittel zu gehen, Aufmerksamkeit zu erheischen. Aber es wird heute ganz bestimmt noch spannend, wenn die Qualitätstrolle der Faz, Sud (eten) deutsche, Allerwelt, Vergangenzeit und so weiter wieder ordentlich trollen, um ihre katastrophalen Auflagen zu steigern.

  3. RA Bongartz

    Der ehrenwerte Rüdiger Wolfrum hat u.a. als Präsident des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg gewässert, hat sich mit Fragen wie dem Antarktisvertrag, „Meerestechnik und internationale Zusammenarbeit“ oder „Umweltschutz durch internationales Haftungsrecht“ befasst und schippert jetzt auf seine alten Tage eben noch mal in fremden Gewässern. Sein Kurzgutachten soll wirklich kurz sein. Das Resümee, mit dem er den Kollegen Gärditz fertig macht, lautet angeblich: „See ich anders!“

  4. Dank gebührt diesem ehrlosen und gewissenlosen Charakter aber auch für die Demaskierung der Korruption in der Wissenschaft.
    Kaum zu glauben, was für bigotte Personen ohne Gewissen heute Minister werden können.

  5. @RA Bongartz: Der war gut!

  6. Theo-Ullrich Ludwig von Eichenbach

    Zumindest um Zeit zum Aufatmen zu gewinnen, erscheint die Religion ideal; Herr Stäubner beispielsweise nutzte den Überrumpelungseffekt guter Sakral-Rhetorik, als man seine Tochter am Kragen gepackt hatte. Mehr kann und möchte ich in dieser kritischen Phase nicht sagen.

    Theo-Ullrich Ludwig von Eichenbach

  7. OT: Kompliment zum neuen Layout!

    Da schon alles gesagt wurde bzw. mir nichts mehr einfällt außer warten, vielen Dank für die Layoutänderung: Ich finde es ansprechend und viel angenehmer für die Augen 🙂

  8. „Das Schavan-Porträt von Ulrich Schulte in der taz führt vor, dass der Entzug des Doktortitels einen ganzen Lebensentwurf zerschlägt, der auf religiösen Netzwerken, pastoral-gelehrten Floskeln und wissenschaftlicher Hochstapelei basiert.“

    Dazu paßt die Stilblütenlese, die Astrid Geisler aus Schavans Gesamtwerk zusammengestellt hat:

    http://www.taz.de/Doktorarbeit-von-Bildungsministerin/!109502/

  9. Peter Monnerjahn

    Danke für Zusammenstellung und Kommentierung der Links sowie Erwähnung des ND-Artikels!

    Ich hoffe nur, daß die Abrechnung nur für die absurden Verteidiger (und Verteidigungen) der Frau Schavan bitter ist, und nicht der Ton des Textes an sich. 😉

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