Schavanisten! Jetzt gilt’s!

Erübrigt es sich, wieder und wieder zum Fall Schavan zu bloggen, nur weil stets die selben Muster auftauchen, nach denen sich Spitzenfunktionäre von Forschungsfinanzierungsorganisationen als „Die Wissenschaft selbst“ ausgeben, um den Ruf einer Plagiatorin auf Kosten des Ansehens der Wissenschaft selbst zu verteidigen? Es ermüdet. Der folgende Überblick über den letzten Monat, bevor der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf sich mit dem Fall befasst und gleich darauf die Ulmer CDU Schavan für den Bundestag nominieren will, zeigt: Die Schlagzahl der Rudersklaven steigt. Das Schiff nimmt Fahrt auf.

24. Dezember 2012: Annette Schavan erklärt: „Jeder trägt Verantwortung für das, was er öffentlich sagt.“ Doch auch was man hinter vorgehaltener Hand sagt, kann unverantwortlich sein. Ihr Jahresrückblick lautet: „Das gehört zu den guten Erfahrungen dieses Jahres, auf wie viele Menschen ich mich in dieser Situation verlassen kann. Zum Beispiel solchen, die sich intensiv mit meiner Arbeit beschäftigt haben. Natürlich fragt man sich selbst immer wieder: Liegst du richtig? Dann ist das Gespräch mit jenen, die viel Erfahrung in der Wissenschaft haben, wichtig.“[1]

1. Januar 2013: CDU-Generalsekretär Gröhe beantwortet die Frage, ob Schavan nach Aberkennung ihres Doktorgrades Ministerin bleiben könne, ausweichend. Verschiedene Medien lesen darin Verschiedenes.[2][3]

12. Januar 2013: Annette Schavan ruft vor Parteifreunden aus, das Plagiatsprüfungsverfahren gegen sie sei politisch motiviert. Wissenschaft werde so „für andere Zwecke missbraucht“. „Gerade deshalb“ wolle sie wieder in den Bundestag und weiter Bildungsministerin bleiben.[4]

16. Januar 2013: Die Universität Düsseldorf veröffentlicht das von einem Experten für Wissenschaftsrecht erstellte umfängliche Rechtsgutachten über die Korrektheit ihres Vorgehens im Fall Schavan. Gutachter Gärditz sieht „keinen Grund zur Beanstandung“.[5]

18. Januar 2013: Die „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen“, deren Funktionäre auch früher schon Schavans servilste Gefolgsleute waren, „nimmt diese Bewertung zur Kenntnis und weist darauf hin, dass verfahrensrechtliche Korrektheit […] nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung [sei], um die Entscheidung über die Aberkennung eines Doktorgrades zu begründen.“[6] Für SpOn ist das „ein umständlich formulierter Frontalangriff auf die Uni Düsseldorf“.[7] Tilmann Warnecke, der im Unterschied zur „Allianz“ Experten befragt hat, sieht hingegen kaum wirksame Angriffsmöglichkeiten gegen das Vorgehen der Düsseldorfer. Als Schavans einzige Chance auf Erhalt des Doktortitels beschreibt er einen Gnadenakt der Universität.[8]

19. Januar 2013: Auf dieser Grundlage hat selbst Schavans Sprecher „am Freitag Festlegungen über das Verbleiben der Ministerin im Amt vermieden“, meldet die FAZ (S. 8), die aus „Führungskreisen der Koalition“ gehört haben will, „falls Frau Schavan im Streit um ihre Promotionsarbeit ihren Doktortitel verlöre, könne sie nicht im Kabinett verbleiben.“ Der Lokalpresse sagten dies auch „Beobachter der Berliner Szene“. Günter Bannas gibt dem Fakultätsrat in der FAZ auch gern noch einen Rat: „Mindestens müsste er weitere Gutachten einholen.“ Wessen Ansicht das sei, seine eigene, die von Heike Schmoll, oder die von jemandem, der etwas mehr davon versteht, das verrät Bannas jedoch nicht.

Was sonst noch war?

In einem anderen Plagiatsverdacht entscheidet trotz der Befunde auf VroniPlag der Präsident der TU Berlin (alleine!), dass „Mängel in der Zitierweise“ die „wissenschaftliche Qualität der Dissertation von Herrn Dr. Goldschmidt nicht in Frage“ stellen, so dass „eine wesentliche Voraussetzung für die Verleihung des akademischen Grades nach wie vor“ bestehe.[9] Goldschmidt behält seinen Titel,[10] muss aber die 2009 mit Bestnote versehene Arbeit, in der er sich unter anderem auf die wissenschaftlichen Vorarbeiten der Super-Illu stützte,[11] überarbeiten und sie dann „unverändert, aber mit korrekter Zitierweise“ vorlegen.[9] Sofern ihm diese logische Unmöglichkeit gelingen sollte, hätte er den Doktor mehr als verdient.

Als wäre die Wirklichkeit nicht phantastisch genug, berichtet das Blog Causa Schavan, dass „sich die deutschen Spitzenforschungsorganisationsspitzen geschlossen gegen Schavan“ gestellt hätten.[12] Bloggerin Simone G. muss sich da aber geirrt haben. Denn die „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen“ hatte sich ja bereits geschlossen hinter Schavan gestellt. Die Begründungen, mit denen die „Allianz“ sich gegen „die Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens“ wandte und es „für nicht akzeptabel“ erklärte, dass eine Plagiatorin die Wissenschaft in „Deutschland vertritt“, stammten denn auch aus dem Rücktrittsaufruf der „Allianz“ an Silvana Koch-Mehrin.[13]

Solche Forderungen gelten selbstverständlich nur für ein kleines Licht im Europäischen Parlament und nicht für die strahlende Schutzherrin der „bedeutendsten deutschen Forschungsorganisationen“,[13] die ihre Liebe zur Wissenschaft ja durch jährliche Überweisung von Milliarden Euro an eben jene – gemessen am Jahresetat – „bedeutendsten deutschen Forschungsorganisationen“,[13] unter Beweis stellt. „Daher werde ich auch einen Expertenrat einberufen“,[1] versprach sie allen braven Kindern als Weihnachtsgeschenk. Denn sie hatte ja gemerkt, „auf wie viele Menschen ich mich in dieser Situation verlassen kann.“[1]

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17 Antworten zu “Schavanisten! Jetzt gilt’s!

  1. Gerade mal hier gelesen, nachdem ich mich über heutige Schlagzeilen gewundert hatte:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Ludger_Honnefelder

    Ah ja, ein alter Cusanuswerk-Kumpel hat nun selbst ein Gutachten erstellt. Öhmmmmmm. Und ich dachte, absurder könne es bis Dienstag nicht werden.

  2. Irrtum. Und ich sage voraus, dass die Absurditäten *noch* zunehmen. Mit Honnefelder befasse ich mich gerade.

  3. Gibt es eigentlich irgendwo einen Artikel, der auch mal hinterfragt, was es mit diesem Honnefelder-Gutachten auf sich hat? Die Nachrichtenmeldungen dazu sind ja, äh… ach ich schreib besser nicht, was ich denke.

    Dienstag wird Schavan selbst übrigens nur schwer abtauchen und sich vor der Öffentlichkeit verstecken können, es sei denn, sie schwänzt das Jubiläum 50 Jahre Élysée-Vertrag.

  4. Das ist alles überhaupt nicht absurd. Da wird einfach Propaganda gemacht. Genau wie damals bei Guttenberg. Mit denselben fadenscheinigen „Argumenten“. Taktisches Ziel: Die Kleinen sollen gehängt werden, die Großen sollen davonkommen.
    Es geht nur noch darum, wie man das alles den deutschen Doofbacken am besten verkauft. Falls das Verkaufen gelingt, dann kann man auch eine Wissenschaftsbetrügerin im Amt belassen. Nur wenn der Schaden für Merkel und Konsorten zu groß wird (also politisch, wahltechnisch, innerparteilich usw.), dann wird die Frau S beseitigt. Von Unrechtsbewußtsein, Gewissen oder gar Wissenschaftsinteresse ist bei diesem Prozess von Seiten der CDU-Lakaien keine Spur zu sehen. Die ganze Sache wird als „politischer Kampf“ aufgefasst.
    Das Betrüger aus Führungspositionen entfernt werden müssen – das ist bei der CDU noch nicht angekommen. Wie auch? Anscheinend befinden sich dort nur Hochstapler in Führungspositionen.

    Interessant ist dabei eigentlich nur noch eines: Lassen sich die Düsseldorfer von dem ganzen Propagandabetrieb manipulieren oder gibt es eine wissenschaftliche Attitüde dort vor Ort? Ein Wissenschaftler fällt auf so eine Pro-Schavan-Kampagne nicht herein. Ein Trottel schon.

  5. Die Qualitätspresse lässt sich jedenfalls von solchen Manövern manipulieren. (Anders gesagt: Sie wird ihrem eigentlichen Wesen gerecht.)

  6. Pingback: Gute Nachrichten für Schavan? Teil 1 | Erbloggtes

  7. @Erbloggtes
    Die Qualitätspresse geht reihenweise pleite. Übrigbleiben tun diejenigen, die Geld für Auftragsarbeiten entgegennehmen. It’s a business, Mr. Beale.

    Im Rahmen der weiteren Privatisierung der Unis wird übrigens immer wieder ein Umbau des Journalistik-Studiums angesprochen. Es sollen zukünftig PR-Schreiberlinge ausgebildet werden. Also: Es sollen Propagandisten herangezüchtet werden, die im Sinne der „tatsächlichen“ Kundschaft schreiben. Bei den „tatsächlichen“ Kunden handelt es sich um die Werbekunden.

    s.a. beispielsweise:
    Zeit Online: Der Journalismus siecht
    http://www.zeit.de/2011/04/S-Rotes-Kloster

  8. Ja. Beobachte ich auch so. Das ist sogar noch schlimmer als ein öffentlich-rechtliches Mediensystem, in dem von politiknahen Leuten nach Proporz entschieden wird. Denn bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt es immerhin Richtlinien.

  9. Pingback: Gute Nachrichten für Schavan? Teil 2 | Erbloggtes

  10. Es ist doch nun wirklich nichts Überraschendes, wenn sich gerade diejenigen Hochschulprofessoren und Wissenschaftler hinter sie stellen, die von ihr zur „Elite-Universität“ erklärt wurden und finanziell von Schavan abhängen.
    Viel überraschender ist doch, dass die Bildungsjournalisten sie so wohlwollend bearbeiten. (Bis natürlich von Heike Schmoll von der FAZ, da ist die Loyalität zu ihrer Freundin ja verständlich.)

  11. Mal ein Beispiel, das ich heute Morgen gesehen habe:

    http://www.welt.de/politik/deutschland/article112904587/Schavan-startet-die-Operation-Titelverteidigung.html

    “ In einer Vorprüfung kam der Promotionsausschuss zu dem Ergebnis, dass Schavan der Titel aberkannt werden sollte.“ – Das Ergebnis ist eine Empfehlung zur Einleitung eines Verfahrens, an dessen Ende nicht zwangsläufig die Aberkennung des Titels steht.

    „Und: Rohrbacher habe in seiner Analyse nicht die maßgebliche Frage erörtert, ‚ob die Arbeit einen selbstständig erarbeiteten wissenschaftlichen Beitrag erbringt, der die Vergabe des Doktortitels rechtfertigt‘, zitiert der ‚Focus‘ aus einem Gutachten des emeritierten Philosophie-Professors Ludger Honnefelder, das dieser auf eigene Initiative erstellt habe. Vielmehr orientiere sich der Ausschussvorsitzende in seiner Darstellung an ‚formalen Textvergleichen‘.“ – Das wirkt so, als könne das auf eigene Initiative von Honnefelder erstellte Gutachten das von der Universität in Auftrag gegebene Gutachten von Rohrbacher mal einfach so außer Kraft setzen. Auch hier wird wieder nicht hinterfragt, wer genau eigentlcih Ludger Honnefelder ist, warum er auf eigenen Faust ein Gutachten erstellt hat. Darf jetzt jeder ein Gutachten schreiben und es der Universität schicken und gleichzeitig dazu eine Pressemitteilung herausgeben?

    „Im Frühjahr veröffentlichte ein anonymer Blogger die Plagiatsvorwürfe. Schavan betonte umgehend ihre Unschuld. Seitdem wehrt sie sich mit allen Mitteln – zu Recht. Schnell war klar, dass es sich hier nicht um einen zweiten Fall Guttenberg mit massenhaften Übernahmen handelt.“ – Sie wehrt sich mit allen Mitteln? Mit welchen Mitteln genau? Genau, es ist kein zweiter Fall Guttenberg, da darf man schon mal Freunde um Gutachten, Zeitungsartikel etc. bitten und die Anwälte losschicken, um eine öffentliche Diskussion abzuwürgen. Bestimmt alles zum Wohle der Wissenschaft. Nur um die beanstandeten Textstellen geht es bei ihr nicht. Dazu könnte sie sich doch mal öffentlich äußern.

    „Selbst bei den nicht zimperlichen Plagiatsjägern der Internetplattform VroniPlag fand sich keine Mehrheit, um Schavans Arbeit als Plagiat zu brandmarken.“ – Nicht zimperlich, brandmarken, kein Kommentar, bei der Stelle hätte ich mich beinahe schon am Kaffee verschluckt.

    „Sie bat die Uni Düsseldorf also um eine Prüfung – und kassierte mit Rohrbachers Untersuchungsbericht eine krachende Niederlage.“ – Niederlage? Ist es ein Wettkampf?

    „Die Uni steht dumm da, weil ein Zwischenstand nach außen gedrungen ist, der eigentlich nur den Titelentzug zur Folge haben kann.“ – Steht dumm da? Und was spricht eigentlich dagegen, dass das Gutachten öffentlich wurde? Wissenschaft ist doch öffentliche Diskussion. Oder ist das evtl. nur schlecht, weil vielen der Inhalt des Gutachtens nicht gefiel? Wenn schon alle mit Gutachten um sich werfen, sollte der Autor mal das Gutachten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Verfahrens an der Uni Düsseldorf lesen.

    „Universität steht eine Gradwanderung bevor“ – Ähmmm.

    „Doch natürlich wird das Agieren für Annette Schavan als Bundesbildungsministerin mit jedem Tag ohne Freispruch schwerer.“ – Genau, warten auf den Freispruch.

  12. Danke für die Analyse! Und das von einem Journalisten, der sich eigentlich näher für Plagiatsfälle interessiert hat. Die Feststellung „Nur um die beanstandeten Textstellen geht es bei ihr nicht.“ ist entscheidend. Dadurch, dass sie von Schavan nicht thematisiert werden und die Uni schweigt, und die Journalisten sie nicht von selbst thematisieren, dadurch existieren die beanstandeten Textstellen in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht. Und das ist das Hauptziel der Schavanistenpropaganda.

    Es ist wohl eher Bewarder, der im Lauwarmen wandert. Die Uni Düsseldorf wandert ganz oben auf dem Grat, wo sie jederzeit links und rechts abstürzen kann.

  13. Schavan gibt’s jetzt auch international: http://schavan.tumblr.com

  14. Pingback: Schlechte Nachrichten für Schavan | Erbloggtes

  15. Heike Schmoll heute in der Phoenix-Runde…

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