Norbert Lammert – Plagiator ohne Plagiate?

Ermittelte seit dem 30. Juli die Ombudsperson der Ruhr-Universität Bochum (RUB) im Fall Norbert Lammert,[1] so lässt sich zunächst feststellen, dass der Bundestagspräsident bisher offensiver mit den von Lammertplag veröffentlichten Plagiatsvorwürfen umgeht als Annette Schavan im Mai 2012 auf Schavanplag reagierte. Zum Vergleich bieten sich beide Fälle aus verschiedenen Gründen an, wichtiger ist aber in nächster Zeit der Vergleich von Lammerts Dissertation mit ihren Quellen. Dabei hilft nun eine hier downloadbare durchsuchbare Version der von Lammert selbst online gestellten Arbeit. Doch betrachtet man zunächst die von Lammertplag als „Bemerkenswerte Fundstellen“ aufgelisteten Übernahmen, kann man den ersten Eindruck gewinnen, dass es sich um einen der Causa Schavan nicht unähnlichen Fall von wissenschaftlichem Fehlverhalten handelt.

Vergleichsaspekte

Lammert hat die Auseinandersetzung mit (teilweise klassischen) politikwissenschaftlichen Texten in einigen Fällen lediglich simuliert, indem er aus Überblickstexten – insbesondere aus dem Sammelband „Partei und System. Eine kritische Einführung in die Parteienforschung“ – abschrieb oder umschrieb, ohne dies durch Nennung dieser Texte kenntlich zu machen. Das konstituiert – wie bei Schavan – eine nicht unwesentliche Täuschung des Lesers über die Eigenleistung Lammerts.

Dissertation Koch-Mehrins, S. 43: Fast vollständig zusammengesetzt aus zwei Quellen (Grafik: VroniPlag)

Indem Lammertplag auf 42 von 116 Haupttextseiten der Dissertation Mängel feststellt, erreicht es eine Plagiatsquote von 36,2%. Schavanplag hatte dagegen „nur“ auf 97 von 325 Seiten in Schavans Dissertation Funde gemeldet und damit eine Plagiatsquote von 29,8% erreicht. Beide Quoten liegen in dem Bereich, in dem etwa auch Silvana Koch-Mehrin ihren Doktorgrad verlor, doch während bei Koch-Mehrin auch Copy-&-Paste-Plagiate des Guttenbergschen Typus zu finden waren, hat Lammert seine Vorlagen offenbar noch intensiver umformuliert als Schavan.

Es handelt sich bei der auf Lammertplag durchgeführten Analyse also nicht um das schnöde Zählen identischer Zeichenketten, sondern um aufwendige Archäologie des Textes im Hinblick auf seine Abhängigkeiten von ungenannten Vorlagen. Das war auch bei der Analyse von Schavans Plagiat durch die Uni Düsseldorf notwendig, wie sich die Älteren erinnern werden.

Vergleich Schavan, S. 312, mit Hupperschwiller, S. 54f.

Vergleich Schavan, S. 312/Hupperschwiller, S. 54f.: Nur einzelne identische Wortgruppen, dennoch tiefgehende ungekennzeichnete Übernahmen.

Und auch im Bochumer Fall wollen nun viele Kommentatoren die Indizien, die bisher für ein durchgängig nachweisbares wissenschaftliches Fehlverhalten sprechen, nicht wahrhaben. In Düsseldorf hieß es damals, es könne doch nicht sein, dass jemand, der über das Gewissen promoviert … naja. Wer mit solchen Begründungen kommt, die gibt auch an, das größte Problem an Lammerts Arbeit sei, dass sie sich einer etablierten wissenschaftlichen Methode bediene. Ja gut, das ist natürlich die Heike Schmoll, und die hat von den ethnologischen Standards der teilnehmenden Beobachtung ungefähr so viel Ahnung wie von Büchern, Zeitschriften und wissenschaftlichem Fehlverhalten. Sie stellt erstmal als Gemeinsamkeit mit dem Fall Schavan heraus, dass der Fall Lammert „Kein Fall Guttenberg“ sei:

„So ähnlich vieles erscheinen mag, spricht im gegenwärtigen Fall wenig dafür, dass es sich bei Lammert um Plagiate im Sinne wörtlicher Übernahmen oder nicht eigenständiger Paraphrasen handelt.“

Im Gedenken an A. M. Schnierl differenziert der geneigte FAZ-Leser streng zwischen wörtlichen Übernahmen und nicht eigenständigen Paraphrasen auf der einen Seite – und den ganz im Gegensatz dazu stehenden eigenständigen Paraphrasen auf der anderen Seite. Denn diese eigenständigen Paraphrasen, das weiß ja jedes Kind, die sind es, was so ein Universitätsstudium ausmacht. Abschlussklausuren werden bekanntlich regelmäßig so gestellt: „Paraphrasieren Sie eigenständig…“

Für die dummen Köpfe, die sich nicht hinter einer großen Zeitung verstecken mögen, um Bildungsstand zu simulieren, sei gesagt: „Eigenständige Paraphrasen“ gibt es gar nicht. Es ist ein Oxymoron, die „nicht eigenständige Paraphrase“ demnach eine Tautologie. Denn Paraphrasen sind immer abhängig vom Paraphrasierten. Soweit einleuchtend? Nun der Punkt, den die meisten bei der ganzen bildungsbeflissenen Differenzierungskunst vergessen: Beim wissenschaftlichen Arbeiten geht es darum, die Quellen anzugeben, von denen die eigenen Ausführungen abhängig sind oder von denen sie abstammen, egal wie wörtlich oder umformuliert sie sein mögen.

Welche Art Fehlverhalten die RUB nun untersuchen muss

Im Fall Schavan hat Stefan Rohrbacher in einem 75seitigen Gutachten untersucht, welche Hinweise sich in Schavans Dissertation auf ungekennzeichnete Übernahmen finden lassen, und was daraus für die Arbeitsweise der Doktorandin und hinsichtlich der sprichwörtlichen „leitenden Täuschungsabsicht“ folgt. Die beste Kenntnis dieses Gutachtens verdankt die Öffentlichkeit nicht etwa einem Whistleblower und dem Spiegel, sondern Heike Schmoll und der FAZ, in der am 17. Oktober 2012 diese bunte Abbildung von S. 39 des Rohrbacher-Gutachtens erschien:

FAZ-Abbildung aus dem Rohrbacher-Gutachten, S. 39

Abbildung aus dem Rohrbacher-Gutachten, S. 39. Quelle: FAZ vom 17.10.2012, S. 4.

Woher Heike Schmoll als einziges Presseorgan mehr als nur knappe Zitate aus dem Fazit des Rohrbacher-Gutachtens hatte, und das sogar in Farbe, muss man heute vielleicht gar nicht mehr fragen. Wichtig für den Vergleich mit dem Fall Lammert ist vielmehr die Argumentation des Schavan-Gutachtens, die aus der Grafik ersichtlich ist: Es demonstriert, dass Schavan von Gerhard Klier nicht einfach nur abgeschrieben (gelb) und das Abgeschriebene umgestellt (Lücken zwischen gelben Markierungen) hat, sondern dass sie auch umformulierte (grau) und eigene Fragmente (weiß) zwischen die Übernahmen setzte. Außerdem nicht zu vernachlässigen sind aus der Sekundärliteratur übernommene Zitate aus Primärtexten (blau), deren ungekennzeichnete Übernahme aus der Sekundärliteratur sich jedoch anhand von Indizien nachweisen lässt – etwa durch falsch abgeschriebene Namen oder Formulierungen.

Solche sachlichen Fehler sind nicht selbst als wissenschaftliches Fehlverhalten zu bewerten – werden aber in der Presse häufig so gedeutet und dann als vernächlässigbar abgetan. Das Bohei um falsche Titelangaben Lammerts basiert auf diesem Missverständnis. Sie sind vielmehr Indizien für das eigentliche Fehlverhalten, die Quelle der eigenen Ausführungen zu verschweigen und sie damit als gedankliche Eigenleistung auszugeben. Plagiat nennt man das, zuweilen auch Ideenplagiat, um es vom wörtlichen Textplagiat zu unterscheiden.

Beispielsweise belegt Schavans oben sichtbarer Fehler (die Behauptung, Erikson habe etwas als „bedeutsame Leistung“ bezeichnet, obwohl er das nicht getan hatte), wie abhängig ihre Ausführungen auf S. 84 von Gerhard Klier sind. Schavan beschreibt immer Eriksons Aussagen, dabei stützt sie sich auf Aussagen Kliers, ohne diesen zu erwähnen. Eine solche Analyse wird man nun auch in Bochum noch durchführen müssen, um zu erwägen, inwiefern Lammerts Ausführungen im Detail von den 21 Quellen abhängig sind, die Lammertplag als ungekennzeichnet identifiziert hat – oder natürlich von weiteren Quellen.

Daraus ergibt sich die Feststellung, ob Lammert wissenschaftlich gearbeitet oder seine Quellen mehr als nur versehentlich weggelassen hat. In Bochum weiß man:

„Ein wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang bewusst oder grob fahrlässig Falschangaben gemacht werden“.[2]

So bestimmen es die „Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis und Grundsätze für das Verfahren bei vermutetem wissenschaftlichen Fehlverhalten“ der RUB in der Fassung vom 4. Januar 2012 (post-Guttenberg). Nun ist Norbert Lammert hochangesehen und „fraktionsübergreifend geschätzt wie kaum ein zweiter Politiker“.[3] Da möchte man an wissenschaftliches Fehlverhalten vor 40 Jahren natürlich ungern glauben.

„Durch alle Parteien kommen vorsichtige Töne: Keine Vorverurteilungen, Lammert habe völlig richtig gehandelt, sofort die Uni Bochum, an der er promoviert hat, für eine Prüfung einzuschalten…  kein schriller Ton, kein Schreck.
Die Uni prüft auch schon. Business as usual.“[3]

Abwarten. In der Wissenschaft kommt es nämlich nicht auf’s Glauben an, sondern auf Argumente, die auf theoretischen und empirischen Fundamenten stehen. Das ist am Tag nach Lammertplag leider auch vielen Experten nicht ganz klar gewesen (oder ihre Statements wurden nach Wunsch der Zeitung zurechtgestutzt).

Expertentum und seine Simulation für die Medien

Bereits einige haben in dem Sinne kommentiert, dass sie nichts finden konnten, was als Plagiat zu bewerten sei. Immerhin einer hat sich die Mühe gemacht, die Ergebnisse von Lammertplag eingehend zu analysieren, und zwar Stefan Weber, der seine Erfahrung so schildert:

„Man muss sich m. E. den ganzen Spaß ausdrucken und mit Textmarker arbeiten (so wie ich es heute Nacht getan habe). Dann stehen einem die Haare schnell zu Berge“.[4]

Was er dabei festgestellt hat, fasst Weber hier zusammen. Daraus folgt für die ersten Kommentare der anderen Experten:

„Alle, die gestern und heute ‚positive‘ Wortspenden abgegeben haben (Weber-Wulff, Rieble, Jäger, Mühleisen), haben genau den Fehler gemacht, vor dem seit Jahren gewarnt wird: Eine oberflächliche, kursorische Lektüre von Lammertplag lässt tatsächlich den Eindruck entstehen, hier sei etwas an den Haaren herbeigezogen. Weber-Wulff und Rieble haben genau das gemacht, was sie ansonsten jenen Betreuern vorwerfen, die Plagiate übersehen – schade.“[4]

Manche „Experten“ haben nicht nur ungekennzeichnete Übernahmen übersehen, sondern bloß mal überflogen und rasch ein Urteil gefällt. So wie Manuel René Theisen, der laut Deutschlandradio Wissen findet, „ein Drittel des Textes sei geprüft, dabei seien viele Unstimmigkeiten aufgetaucht.“[5] An diesem Fehler erkennt man viele vermeintlich kompetente Beiträge. Tatsächlich ist Lammertplag nämlich erst nach dem Auffinden von Verdachtsstellen auf über einem Drittel der Seiten an die Öffentlichkeit gegangen – und hat dafür deutlich mehr als als nur ein Drittel des Textes geprüft.

tl;dr: Der regelmäßige Vergleich mit der Causa Schavan verspricht gute Einsichten in den Fall Lammert. Man muss allerdings bei Lammert noch genauer hinschauen, als es Journalisten ad hoc zumutbar scheint, um den Kern der Vorwürfe überhaupt zu erfassen. Experten sollten daher lieber Grundlegendes zur Methode öffentlich erklären, statt schnelle vorurteilsbelastete Gesamtbewertungen abzugeben. Eine seriöse Gesamtbewertung erfordert noch ein gutes Stück Arbeit für die Uni Bochum.

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18 Antworten zu “Norbert Lammert – Plagiator ohne Plagiate?

  1. Danke für diesen Beitrag, ich fürchtete schon, es käme nichts. Wie man allerdings selbst beim oberflächlichen Lesen des Lammertplags das systematische ideenmäßige Plagiieren *nicht* erkennen kann, muss wohl vermutlich bei einer nicht unbedeutenden Zahl von Politiker- und Zeitungsköppen an der eingeschränkten Sicht liegen: mit dem Kopf hinter einem nicht nur undurchsichtigen, sondern sogar noch teilgeschwärzten großen Blatt Papier lässt es sich die Wirklichkeit davor leider nicht mehr sehen und erkennen. Menschen, die ihren Kopf mit ihren Augen nicht hinter einem Blatt Papier verstecken, sind wohl im Vorteil.

    Aber zurück zu dem, was auch meiner Meinung nach ein Problem oder alternativ perfides Spiel mit der Kernidee korrekter wissenschaftlicher Arbeit ist: die Zitation von Ideen und Gedankengängen … und nicht nur nicht identischer Textketten. Plagiate geschehen nur in Ausnahmefällen im exorbitanten Ausmaß auf lexikalischer Ebene, sondern viel einfacher, weil scheinbar nicht beweisbar, auf semantischer Ebene. Dieser fundamentalen Grundlage der Wissenschaft zuwider erfolgt dementsprechend das ausgiebige Astroturfing in den Kommentarspalten der Gazetten, ebenso wie in den Reihen von DFG und Politik.

    Und genau hier sind bestimmte Gesellschaftsgruppen prädestiniert: Juristen, Politiker, diese zumeist in Personalunion, und nicht zuletzt Schurrnallisten wissen um die Macht der Verwirrung, die sie bei unbedarften Menschen im perfiden Spiel auf lexikalischer und semantischer Ebene gezielt einsetzen.

    Zudem lebt ein ganzer Berufsstand der Journalisten davon, fremde Ideen zitationsfrei zu übernehmen und durch lexikalische Spielchen als eigene gedankliche Errungenschaft zu präsentieren.

  2. Ich präferiere ja die Hypothese interessierter Selbstverwirrung gegenüber der Theorie planmäßiger Desinformation (so viele Spin-Doctors können in der Sache gar nicht unterwegs sein, so dumm, wie die Missverständnisse manchmal daher kommen). Aber dass Journalisten berufspraxisbedingt die Sicht auf die nötige Kennzeichnung von Ideenübernahmen verstellt ist, das ist absolut einleuchtend.

  3. Es ist ja keine abgesprochene Desinformation erforderlich. Es genugt5ja schon das von Harry Frankfurt so schön hervorgekramte bull shitting vollauf. Und da es jeden einzelnen Bull Shitter regelmäßig belohnt, bedarf es keiner Absprache oder zentraler Instanz, das gesamte System konvergiert automatisch dorthin. Der Volksmund hat das, was heute gerne als Schwarmintelligenz verbrämt wird, schon sehr lange treffend benannt: jedes Volk hat die Herrscher, die es verdient. Tausche Herrscher gegen Manager, Gesetzgeber und so weiter und die Erkenntnis bleibt.

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  5. [Sorry, moderierter Kommentar aufgrund des Leistungsschutzrechts:

    Aus dem Zitat: Denunziantentum, Verjährungsfrist, anonyme Vorwürfe, Vermummungsverbot

    Quelle: wiwo.de
    http://is.gd/iQEHlO
    Ende der Moderation]

    Wundert es einen noch, daß es ein ehemaliger Pressesprecher im Bundesministerium für Bildung und Forschung ist, der auf solche Ideen kommt?

  6. Vielen Dank für den Hinweis! Ich muss leider einen neuen Umgang mit „Presseleistungen“ in den Kommentaren finden. Wer weiß schon, wann Zitate für abmahnfähig gehalten werden. Die wichtigste Info stammt ja nun nicht von Knauß, sondern von dir, sol1.
    Vielleicht wäre es auch eine Option, keine anklickbaren URLs zu posten, also ohne http:// davor? Mal sehen, muss sich erst einspielen.

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  8. Schön finde ich auch den Schwurbelsatz, durch den Robert Schmidt erst auf die Spur von Lammert gebracht wurde:

    „Ganz offensichtlich hängt die Frage nach der Autorität der Kirche in diesen dramatischen Prozessen der Veränderung auch an ihrer Fähigkeit sowie ihrer Bereitschaft zur geschichtlichen Aktualisierung als Kirche Jesu Christi.“

    http://www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/2006/016.html – zitiert in welt.de/politik/deutschland/article118611976/Als-Lammert-und-Schavan-die-gleichen-Worte-waehlten.html

    Der Verdacht drängt sich auf, daß die Politik mittlerweile „ihre Fähigkeit sowie ihre Bereitschaft zur geschichtlichen Aktualisierung“ als Demokratie und Rechtsstaat eingebüßt hat und sich stattdessen bei der „Frage nach ihrer Autorität“ auf eine Simulation beschränkt.

  9. Ja, so scheinen mir Presselinks ganz sinnvoll gesetzt, zumal mein Browser die URL beim Kopieren in die Adresszeile automatisch vervollständigt, danke!
    Ganz richtig, Autorität soll durch Simulation erzeugt werden, Simulation von Rechtschaffenheit, auch Simulation von Terrorgefahr u.ä.
    Legitimität ist als Autoritätsquelle offenbar schon nicht mehr verfügbar, so weit sind wir schon.

  10. Sofern man mich als Plagiatsexperten gewichten will, stimme ich in den Chor der Verharmloser ein, was ich ja auch in Archivalia schon zum Ausdruck gebracht habe. Vielleicht sollte man den Begriff Fußnotenplagiat für das Zitieren aus zweiter Hand einführen. Während ich bei Schavan die Entziehung des Doktorgrads begrüßt habe, sehe ich bei Lammert keinen vergleichbaren Unrechtsgehalt. Wissenschaftlich korrekt wäre, darin sind wir uns inzwischen alle einig, dass man „zitiert nach“ zu verwenden hat, wenn man aus zweiter Hand zitiert. Das wurde so schon auch in den 1970er Jahren gesehen, aber die konkrete Praxis in den Arbeiten war vermutlich eine andere. Zitieren/Belegen aus zweiter Hand wurde weitgehender toleriert als heute. Von daher erscheint mir eine deutliche Rüge für Lammert geboten, aber auch ausreichend.

  11. Danke schön, im Unterschied zu den „Experten“ sind Sie als Experte aber bereit, Argumente zu erwägen. Ich werde demnächst detailliertere Erläuterungen veröffentlichen, was die Vorwürfe von Lammertplag genau bedeuten und wie sie methodisch zustande gekommen sind. Das eigentliche Fehlverhalten besteht ja nicht darin, fehlerhafte Literaturangaben abzuschreiben. Da weise ich Sie dann nochmal drauf hin. Ungekennzeichnete Übernahmen liegen zweifellos vor – wie das zu ahnden ist, wird die RUB sehr genau erörtern müssen.

  12. Ich bin durchaus nicht dagegen, dass man Jagd auf die Lammerts dieser Welt macht und Studierenden daran verdeutlicht, was geht und was nicht. Ob man dann aber zur gravierenden Sanktion des Entzugs des Doktorgrads greift, steht auf einem anderen Blatt. Für mich sind Zitate aus zweiter hand weit weniger gravierend als Textplagiate. Wenn ich nichts übersehen habe, wurde für genau eine Stelle dokumentiert, dass Lammert eine Formulierung ohne Beleg übernommen hat.

  13. zu soli1, „schwurbelsatz“
    Das Zitat von den „dramatischen Prozessen“ verwendet Schaven auch in ihren Reden vom 28.09.2007 und 10.03.2009, also nach Lammerts Rede. Er hat das Zitat gekürzt und offensichtlich nicht verstanden, jedenfalls nicht so, wie Schavan es gemeint hat. Schavans Worte stellen aber auch eine Zumutung dar: da „hängt“ eine „Frage“ an der „Fähigkeit“, was soll das bedeutren? Auch die „Aktualisierung der Kirche“ ist sprachlich und grammatikalisch unklar.

  14. Derartiges Schwurbelsprech gibt es öfter bei Lammert (auch in der Diss., auch in Verbindung mit ungekennzeichneten Übernahmen), so dass man nicht weiß, ob er eigentlich selbst weiß, was er sagen möchte. Angesichts des Plagiarismusverdachts stellt sich die Frage: Möchte er überhaupt etwas sagen oder nur eine wohlklingende Performance abliefern, die den Eindruck intellektueller Politikertiefsinnigkeit erweckt?

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