BdV-Präsident Bernd Fabritius: Dr. plag. auf Rumänisch?

Erreichte schließlich, nach der deutsch-serbischen Plagiatsfreundschaft, die Plagiatsenthüllungswelle auch Rumänien, so blieb der konservative Politiker als dominanter Typus dieser speziellen Art von „Balkanismus“ erhalten: Der designierte Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) steckt noch vor seiner für morgen geplanten Wahl in ernsten Schwierigkeiten.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass es in manchen Köpfen so zuging: „Och, Studium in Deutschland war so schwierig. Aber ein Doktor wäre doch schön für die Karriere. Gut, wenn man so enge Beziehungen nach Südosteuropa hat. Da nimmt man es ja nicht so genau mit der Doktorarbeit.“ Wie der Balkanismus so spielt, könnten dem einen oder anderen Wissenschaftsflüchtling aus Deutschland solche Gedanken auch vor Ort nahegelegt worden sein.

Insbesondere in Bayern scheint man vor Guttenberg stark an die hohen Ansprüche geglaubt zu haben, die angeblich an den bayerischen Universitäten an Dissertationen angelegt würden. Pustekuchen, muss man im Nachhinein sagen, da war die ganze Mühe mit dem Fremdsprachelernen oder Ghostwriter bezahlen irgendwie umsonst, wenn man auch in Bayreuth hätte „promovieren“ können, die richtigen Kontakte vorausgesetzt.

Dominic Stoiber war so ein Kandidat. Der ging zur Promotion nach Österreich, nachdem er’s in München nur so mit Ach und Krach zum Hochschulabschluss gebracht hatte. Andreas Scheuer machte in Prag sowas ähnliches wie einen Doktor. Ungarns Präsident Pál Schmitt stürzte über Plagiate seiner in Frankreich geschriebenen Dissertation. Und von derlei Geschichten gibt es noch weitaus mehr. Nun also auch Rumänien:

Hoffnungsträger der Vertriebenen

Bernd-Bernhard Fabritius, 1965 in Rumänien geboren und 1984 als Siebenbürger Sachse nach Deutschland migriert, ist seit 2013 CSU-Bundestagsabgeordneter (als 37. der Landesliste), daneben Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen und seit 2010 Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV). Nach Studien verschiedener staatsnaher Fächer in Bayern 1985-1996 war er seit 1997 als Rechtsanwalt in München tätig. Neben dem Beruf absolvierte er 2001-2003 das Kooperationsverfahren zur Promotion zum Dr. iur., das die Universitäten Tübingen und Hermannstadt/Sibiu gemeinsam anboten.[1]

Fabritius soll am morgigen Freitag, den 7. November 2014, den Olymp des Auslandsdeutschtums besteigen und Erika Steinbach als Präsident des BdV beerben. Das ist nach seiner einstimmigen präsidialen Nominierung bereits ausgemacht. Die Zeremonie findet zwischen 12:00 Uhr und 16:00 Uhr in der Hessischen Landesvertretung, In den Ministergärten 5, 10117 Berlin, statt. „Nach Abschluss der Wahlvorgänge kann ein Gruppenfoto vom neuen Präsidium gemacht werden.“ Presse nur nach ordnungsgemäßer Akkreditierung.[2]

Dass Fabritius‘ Dissertation gerade jetzt Gegenstand von Plagiatsnachforschungen wird, passt zwar gut ins Bild, ist aber – gut dokumentiert – Zufall: Bereits Anfang April 2014 wurden erste Verdachtsmomente in Blogkommentaren erwähnt und auch gleich mit Fabritius selbst diskutiert. Dieser fand die Vorwürfe umgehend abstrus:

„Zu Ihren Spekulationen zu meiner Dissertation kann ich weiterhelfen: diese wurde nach ‚Beschwerden‘ einiger Neider bereits doppelt von der Universität geprüft, sie wurde umfassend als mangelfrei und plagiatsfrei bestätigt. Bei der Prüfung dabei wurde auch der ‚Match‘ mit einigen Sätzen einer Studentenarbeit festgestellt. Zu beachten ist hier die Zeitfolge: meine Arbeit habe ich 2001-2003 erstellt, die Arbeit des Studenten ist einige Jahre später entstanden (ich meine 2008 wenn ich mich gut erinnere).“[3]

Bald darauf, die Abwiegelung hatte weitere Nachforschungen nicht verhindert, stellte man fest, dass die Studentenarbeit ordnungsgemäß aus einem Buch von 1993 zitiert hatte, Fabritius also nicht der Plagiierte gewesen sein konnte. Fabritius reagierte auf die intensivierte Plagiatssuche nun weniger entspannt und bediente sich einer anderen – auch nicht überzeugenderen – Kommunikationstrategie, die er wohl von den Schavanisten abgekupfert hat:

„OB EINE JURISTISCHE DISSERTATION PLAGIATE ENTHÄLT, KANN NUR EIN JURIST BEURTEILEN, DER DIE ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN AUSSAGE, WISSENSCHAFTLICHEM INHALT UND KONTRIBUTIVEM ASPEKT ERKENNEN KANN. JEDE ARBEIT ENTHÄLT NICHPLAGIATSFÄHIGE PASSAGEN, DIE NUR DER FACHWISSENSCHAFTLER VON PLAGIATSFÄHIGEN INHALTEN UNTERSCHEIDEN KANN.“[4] (Großschreibung selbstverständlich wie im Original)

Sprachkompetente Plagiatssucher und spezielle Plagiatsfunde

Der Diskussionskontext eines Blogs der deutsch-rumänischen Organisation Neuer Weg e.V. (benannt nach der 1949-1992 erschienenen Tageszeitung der Deutschen in Rumänien) verweist darauf, dass sich in diesem Frühjahr kritische Köpfe in der deutsch-rumänischen Community für Fabritius‘ Dissertation zu interessieren begannen. Erster Anknüpfungspunkt waren Fabritius‘ gebrochene Rumänischkenntnisse – bei deutlich besserem Sprachstil in einigen Teilen der Dissertation. Unter Federführung des Politikwissenschaftlers Hans Hedrich hat neuerweg.ro nun also eine Dokumentation von Plagiatsfunden in der Dissertation vorgelegt, und zwar unter dem barocken Titel:

Die Plagiatssucher, die offenbar keine Verbindungen zur deutschen Plagiatssucher-Community unterhalten, bedienen sich ungewöhnlicher Darstellungsmittel: Keinen Scan, keine Textversion der Dissertation und ihrer Quellen legen sie vor, keine automatisierte Einfärbung identischer Zeichenfolgen, sondern Farbfotos aus der Dissertation und den abgeschriebenen Werken, hübsch drapiert mit Stiften und Ähnlichem, die die identischen Passagen markieren – immerhin anschließend noch mit farbigen Umrahmungen, Anmerkungen u.ä. versehen. Es lohnt sich, das anzuschauen!

Gefunden haben sie – ausschließlich in den rumänischen Quellen – „mindestens 19 Plagiatsfragmente (‚PF‘) aus mindestens 6 Quellen (von insgesamt 60) auf mindestens 21 Seiten (von 206 Seiten), über einen Gesamtumfang von cca. 6 DIN A4-Seiten“. Die Dokumentation macht einen überzeugenden Eindruck, soviel ist auch ohne Rumänischkenntnisse festzustellen. Weitere Nachforschungen wollen die deutsch-rumänischen Plagiatssucher später zu den deutschen und französischen Quellen der Arbeit anstellen, wo sie dasselbe Muster vermuten. Die Arbeit, deren Titel übersetzt „Streitbeilegungsverfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit im europäischen Recht (Rumänien, Deutschland, Frankreich, EU-Recht). Eine rechtsvergleichende Studie“ lautet, basiert nur zu etwa einem Drittel auf rumänischer Literatur und ist – so das Rechercheteam – auch abgesehen von Plagiaten inhaltlich schwach.

Updates und Diskussionen darf man wohl in diesem Blogartikel erwarten. Eröffnet wurde die Diskussion bereits von dem Kommentar: „Plagiatoren werden in Deutschland – anders als in Rumänien – ihres Amtes enthoben. Vorbei die netten Bundestagsabgeordneten Bezüge.“ Da ist er auch wieder, der Balkanismus, hier vermutlich von einem Angehörigen der deutschen Minderheit in Rumänien. Denn wenn man genauer auf die Zustände in Deutschland schaut, dann sind die Unterschiede doch nicht so groß:

Politische Konsequenzen aus Wissenschaftsbetrug hängen stark vom persönlichen Umfeld ab. Annette Schavan zum Beispiel wurde vom Präsidenten einer Wissenschaftsakademie für einen wichtigen Wissenschaftspreis vorgeschlagen und als Festrednerin mit dem Thema „Wissenschaftspolitik in Europa“ zu seinem 70. Geburtstag geladen.[5] Vielleicht kann Bernd Fabritius als „100-prozentiger Europäer“ ja in Plagiatsdingen seinem Anspruch gerecht werden und als „Brückenbauer“ wirken.[6]

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7 Antworten zu “BdV-Präsident Bernd Fabritius: Dr. plag. auf Rumänisch?

  1. Pingback: Plagiator Dr. plag. auf Rumänisch? Der designierte Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) steckt noch vor seiner für morgen geplanten Wahl in ernsten Schwierigkeiten | zoom

  2. danke ihnen für diese ausführliche und korrekte darstellung unseres unterfangens!
    ja, der titel des berichtes ist recht „barock“ ;-))) und die arbeitsweise (handyfotos statt scan) eher unorthodox. das erklärt sich mit den umständen unter denen mein kollege und ich die arbeit einsehen konnten (kopien auf papier waren in der bibliothek auf 10 stück oder so beschränkt; der scanner ist langsam und die studenten stehen schlange, wir selbst sind alles andere als plagiatsjäger usw. – deshalb haben wir uns mit handys beholfen und haben alles zwischendurch und über längere zeit hinweg gemacht. nun wendenwir uns wieder anderen dingen zu – bis wir bei bedarf wieder der diss von BF zuwenden werden… mein erklärtes ziel ist es, BF den Dr-titel aberkennen zu lassen. soviel. (das reicht eigentlich schon. der rest ergibt sich von selbst.)

    PS: der barocke titel kommt auch daher, daß die arbeit außer den plagiaten auch die genannten anderen mängel aufweist – v.a. den fehlenden erkenntnisgewinn. außerdem wollte ich den ton des berichtes bewusst nüchtern und trocken halten, um keinen vorwand zu bieten, bei der zu erwartenden debatte ins subjektive und emotionale abzudriften -was BF in einer ersten stellungnahme wie zu erwarten getan hat. er rief als erstes „verleumdung!“

    was zu beweisen war… 😉
    mit gruß aus dem wilden osten
    hans hedrich

  3. Vielen Dank für den kleinen Einblick in Ihre Werkstatt – und in Bedingungen, auf die der hiesige Bibliotheksnutzer nicht nicht von selbst kommen kann.
    Bei dem Wunsch, dass der Doktortitel für eine untragbare Dissertation aberkannt werden möge, bin ich leider nicht sehr optimistisch, wenn es stimmt, dass ein Überprüfungsverfahren in Sibiu bereits stattgefunden hat. Aber auch eine erneute Überprüfung ist bei neuer Beweislage ja nicht ausgeschlossen, wie der Fall Margarita Mathiopoulos zeigt.
    Ich würde Ihnen raten, wenn Sie meinen, dass Sie einigermaßen fertig sind mit der Analyse, die für Fabritius gültige Promotionsordnung zu konsultieren. Bei binationalen Kooperationspromotionen gibt es ja spezielle Regeln, die sich vielleicht hemmend, vielleicht aber auch begünstigend auf eine Doktor-Aberkennung auswirken können. Was wäre z.B., wenn nur in Tübingen ein solches Verfahren Fortschritte machen würde? Und lassen Sie sich nicht von Ombudsleuten oder ähnlichen Schlichtungsstellen vertrösten. Wer einen falschen Doktor verliehen hat, muss ihn auch wieder aberkennen, oder er trägt die Folgen. In Deutschland ist das in aller Regel die Fakultät.

  4. sehr schöner Artikel. etwas unnötig, weil meiner Meinung nach nicht zum Thema passend- sondern wertend, ist die Bemerkung, dass er 37. der Landesliste gewesen sei. Da jeder CSU Kandidat ein Direktmandat gewonnen hat, macht der Kommentar keinen Sinn außer auf einen „Hinterbänkler“ hin zuweisen.

  5. Ich verstehe Ihren Einwand nicht so richtig. An der Stelle hätte ich andernfalls den Wahlkreis genannt, in dem Fabritius ein Direktmandat gewonnen hat. Sie finden Hinterbänklerstatus vielleicht ehrenrührig, ich halte die Reihenfolge der Landesliste und die Aufstellung von Direktkandidaten aber für eine relevante Information zur Einschätzung der innerparteilichen Stellung.
    Die offizielle CSU-Landesliste für die Bundestagswahl 2013 weist übrigens auch in eigenen Spalten aus, ob jemand einen „TItel“ hat oder von „Adel“ ist.

  6. Sehr geehrter Herr Hedrich, weitgehend unangefochten ist mein Vergleich von Doktorarbeiten mit Barockkirchen. Es ist nur konsequent, zur Einstimmung der Leserschaft barocke Titel zu verwenden. Mein Doktorvater hat sich mit seinem Traktat „Das Archimedes-Syndrom“ endgültig von seiner ursprünglichen Hoffnung verabschiedet, etwas Neues herauszufinden. Daran habe auch ich mich als sein treuester Schüler gehalten.

    Ihr Theo-Ullrich Ludwig von Eichenbach

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