Bijan Djir-Sarai, Plagiate und die Zukunft der FDP

Erhaltene sachdienliche Hinweise oder selbst Erlesenes haben die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Wochenende auf die Spur des FDP-Bundestagsabgeordneten Bijan Djir-Sarai geführt, dessen Doktorarbeit „Ökologische Modernisierung der PVC-Branche in Deutschland“ das VroniPlag Wiki zur Zeit auf Plagiate hin analysiert.[1] Nachdem am 23. Mai erste Andeutungen über die neuesten VroniPlag-Recherchen auf guttengate.de erschienen waren,[2] liefen am Freitag die virtuellen Druckerpressen an,[3][4] die dem FAZ-Artikel und der folgenden Medienaufmerksamkeit vorausgingen.

Durch die FAZ war erstmals zu erfahren, dass Djir-Sarai „zur Zeit keinen Anlass zu einer Stellungnahme“ sieht. Da sich fast die gesamte folgende Diskussion auf den FAZ-Artikel „Plagiatsverdacht in der FDP. Kreativ zitiert“ bezieht,[5][6] kann die bürgerlich-konservative Zeitung den Djir-Sarai-Scoop für sich verbuchen und hat damit ihre Vormacht in der Plagiatsberichterstattung gefestigt. Sogar linke Webseiten klauen ungeniert den FAZ-Text.[7] Es kann dabei durchaus als Qualitätsmerkmal gelten, dass die FAZ in dieser Frage gegen die vermuteten Sympathien ihrer Kernleserschaft berichtet, die wohl lieber von Skandalen um linke Politiker lesen würde.

Vogel-Strauß-Taktik in der Berliner FDP-Zentrale

Vor der Wahrheit, die ans Licht will, scheinen Djir-Sarai selbst, seine FDP-Parteifreunde im Bundestag oder sein Büro derweil die Augen verschließen zu wollen: Den unbestreitbaren Fakt, dass die FAZ über den Plagiatsverdacht von VroniPlag berichtet hatte, versuchte die IP-Adresse 193.17.232.1 heute mehrfach aus dem inzwischen gesperrten Wikipedia-Artikel zu Bijan Djir-Sarai zu löschen.[8] Dass diese IP vom Internetanschluss des Bundestages aus agiert, ist für jeden ersichtlich und demonstriert zudem, wie wenig die „jungen, hochqualifizierten Liberalen“ mit dem Internet anfangen können. Dieses Unvermögen wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die mit Copy-&-Paste aus Online-Quellen zusammengestohlenen, respektive „kreativ zitierten“ Doktorarbeiten.

Die Sekundanten Alexander Alvaro (FDP) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP), die nun auf das angebliche anonyme Denunziantentum und den mittelalterlichen Pranger im Internet schmipfen, können doch nicht erwarten, dass sie gebildete Wählerschichten wie Selbständige und andere Akademiker, die traditionell zur Kernklientel der FDP zählen, halten können, indem sie dummdreiste Beschuldigungen verbreiten, um von den beschämenden, öffentlich nachprüfbaren Fakten zu abzulenken. (Ach ja: In seinem Medienspiegel erwähnt Djir-Sarai natürlich nichts von den Vorwürfen.[9])

Warum die ehemaligen FDP-Wähler darauf nicht reinfallen

Soviel kognitive Dissonanz ist selbst FDP-Wählern nicht massenhaft zuzutrauen. Ein idealtypischer Arzt oder Anwalt um die 50 müsste ja, wenn er noch hinter so einer FDP stehen will, seinen Kindern empfehlen:

Nun geht mal schön an die Uni, sucht euch Ghostwriter oder andere Methoden, um euch durchzuschummeln, plagiiert noch schnell einen Doktor obendrauf, da gebe ich euch auch gern das Geld zu. Und dann ist auch etwas Tolles aus euch geworden: Lügner und Betrüger, auf die man stolz sein kann.

Plagiarismus hat aber keine Lobby im tiefsten Herzen der geistig arbeitenden Schichten dieser Gesellschaft. Er untergräbt ihre Existenzgrundlage, das Monopol auf Texte und andere Werke. In diese Richtung dürfte auch der Gruner+Jahr-Verlag gedacht haben, als er seinen designierten Wirtschafts-Online-Chef Sven Scheffler kurz vor Amtsantritt absägte, da diesem ein zusammenkopierter Handelsblatt-Artikel nachgewiesen werden konnte.[10] Ein einzelner Zeitungsartikel, dazu vielleicht ein Kommentar – „ein Ausrutscher, keine Methode“.[10] Als ehemaliger promovierter FDP-Politiker wird man es künftig schwer haben, eine Anstellung in Verlagswesen und Journalismus zu finden.

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14 Antworten zu “Bijan Djir-Sarai, Plagiate und die Zukunft der FDP

  1. Pingback: Djir-Sarai: Manipulation bei Wikipedia? | Guttengate - Plagiatsvorwürfe Doktorarbeit Guttenberg & Koch-Mehrin

  2. Dr. Schröter

    Tja, diese Partei, die die bürgerliche Mitte sein will, besteht offensichtlich nur noch aus Betrügern, Karrieregeilen und Popostechern ! Igitt, ich muss kotzen !!

  3. Dr. Schröter

    Schon alleine der Titel: …PVC-Branche…läßt auf einen schnellen Titel schließen, bei einem Thema, das banaler nicht sein kann, was der Titel selbst schon verrät !

  4. Nanana, bitte mäßigen Sie Ihre Ausdrucksweise. Die korrekte Bezeichnung lautet „machtgeile Blender, skrupellose Karrieristen und substanzlose Großsprecher“.[1]

    Übrigens weist GuttenPlagWiki auf Twitter darauf hin, dass die Bundestags-IP-Adresse 193.17.244.1 heute Morgen versucht hat, in den VroniPlag-Funden wörtliche Übernahmen ohne Anführungszeichen, aber mit Quellenangabe dadurch zu rechtfertigen, dass dies „gebräuchlichen Zitierregeln“ entspräche.[2]

    An welcher Universität soll das gebräuchlich sein? Uni Köln? Oder auch Chatzimarkakis‘ Uni Bonn? Den Unterschied zwischen Zitat und Paraphrase („indirekte Rede“) lernt man doch eigentlich schon in der Schule. Zumindest sollte das so sein, spätestens in der Sekundarstufe II. Aber da muss man wohl Götz Alys Überlegungen zum allgemeinen Verlottern von Bildungseinrichtungen zustimmen.[3]

  5. Ich sehe derzeit nichts, was die FDP noch vor der Bedeutungslosigkeit retten sollte.

  6. querdenker

    Ich hoffe doch sehr, dass die FDP auf dauer erstmal keine Zukunft hat… 4 Jahre in der Regierung waren schlimm genug!

  7. Die FDP ist zu einer Verona-Feldbusch-Partei geworden. Man hält sich mit nichts als Schlagzeilen über sich selbst im öffentlichen Gedächtnis.

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