Koch-Mehrin, ohne Doktor. Was denkt das Volk? Und wann geht es weiter?

Erstaunt es, wenn heute bereits der 20. Juli als nächster Plagiatsaffären-Höhepunkt ausgemacht ist? Bisher waren doch lediglich der 16. Februar, der 1. März, der 11. Mai und – seit heute – der 15. Juni 2011 als wichtigste Termine in einem politisch-wissenschaftlichen Skandal ungeheuren Ausmaßes bekannt. Die Autoren von Jahresrückblicken 2011 können bereits zur Feder greifen und die Entwicklungen im ersten Halbjahr skizzieren. Warum aber sollte der 20. Juli 2011 bereits als neues Datum feststehen?

Für diesen Termin spricht zunächst die Statistik: Nach Guttenbergs Rücktritt am 1. März dauerte es 10 Wochen, bis am 11. Mai erneut die Zeitungen voll waren von Plagiatsmeldungen. Seither sind genau 5 Wochen vergangen, in denen es trotz weiterer Plagiatsfunde eher ruhig war im Blätterwald. War nun der 15. Juni überhaupt ein markantes Datum? Das muss jeder selbst entscheiden. In den Medien meinte man aber unabhängig voneinander, nicht nur über Koch-Mehrin berichten zu müssen, sondern auch über Plagiatsverdächtige, deren Betrug noch nicht universitär oder gerichtlich bestätigt ist:

Eine Presseschau

Zur heutigen Aberkennung des Doktorgrades von Silvana Koch-Mehrin überschlugen sich freilich die Nachrichten. Google News will gerade von genau 400 Artikeln zum Thema wissen; hier nur die wichtigsten:

Was denkt das gemeine (Journalisten-)Volk?

Zeitungen von bloß regionaler Bedeutung kommentieren den Entzug des Doktorgrades wie folgt: Es sei hart und konsequent, Koch-Mehrin habe „keine Gnade verdient“, aber wie könne einem Doktorvater so etwas nicht auffallen? (Mannheimer Morgen) – Für eine richtige Promotion „kann im harten Politikeralltag kaum Zeit bleiben“. (Lübecker Nachrichten) – „Im Grunde sind die Plagiatsaffären eine Werbestunde für das Internet – und eine Sternstunde dazu. Ohne dieses Medium wären weder Guttenberg noch Koch-Mehrin überführt worden. Um die medial gut aufbereitete Jagd jedoch einem konstruktiven Ende zuzuführen, ist die Einführung von Plagiatsprüfungen zwingend erforderlich. Für jeden Hochschulabsolventen. Damit akademische Titel auch in Zukunft mehr Wert sind als das Papier auf dem sie stehen.“ (Rhein-Neckar-Zeitung) – Nun „dürfte die Karriere der liberalen Hoffnungsträgerin beendet sein.“ Doch Koch-Mehrin sehe das womöglich anders, wie ihre „erste fast patzige Reaktion auf die harsche Begründung der Hochschule“ zeige. „Am Pranger stehen […] ebenso die aktuellen Prüfungspraktiken. Die Universitäten sollten schleunigst dem fatalen Eindruck entgegenwirken, Prominenz sei beim Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit schon die halbe Miete.“ (Nordwest-Zeitung) – Zitate nach Abendblatt.de.

Zum Vergleich der oft müden Plagiatsberichterstattung seit dem 11. Mai und dem heutigen Hype siehe auch den VroniPlag-Pressespiegel. Es gibt sogar Kommentatoren, die einen Zusammenhang zwischen Koch-Mehrins (noch) Behaltenwollen des Abgeordnetenmandats und dem bloß halben Rücktritt Westerwelles sehen wollen.

Und der 20. Juli? Der ist nicht nur statistisch prädestiniert für eine neue Runde Doktoraberkennungsberichterstattung. Als Mittwoch ist es auch der traditionelle Gremientag vieler Universitäten, das heißt ein Datum, an dem ein weiterer Promotionsausschuss – Tübingen, Bonn, Köln oder Hamburg – zusammentreten könnte, um einem der verbleibenden Depromovenden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Oder sollte dem eine andere Uni mit einem weiteren Fall zuvorkommen? Nein. Aber da der 20. Juli erst so spät im Semester liegt, dass in vielen Universitäten da bereits die Sommerpause ausgerufen sein könnte, bleibt zu hoffen, dass sich die genannten Unis ranhalten und die Schlagzahl vielleicht auf einen Zwei-Wochen-Rhythmus erhöhen. VroniPlag hat das schließlich auch geschafft.

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