Einfach nur Bijan Djir-Sarai, ohne Doktor

Erinnerte sich noch jemand an den Mai 2011? Damals, als Guttenberg schon weg, Koch-Mehrin aber noch Doktorin war, wandelte sich das Verhältnis von Öffentlichkeit und Plagiaten langsam: Es wurde deutlich, dass Guttenberg kein Einzelfall gewesen sein konnte. Und die Universitäten gingen dazu über, lange zu prüfen, was sie mit Plagiatsverdächtigen tun sollten.

Es war eine lange Schwangerschaft, die die Universität Köln mit dem Plagiatsfall Bijan Djir-Sarai austrug. Am 21. Mai 2011 wurde auf VroniPlag „Ein Fund“ erwähnt, am 5. März 2012 folgte die notwendige Konsequenz aus Plagiatsfunden auf zuletzt 67,22 Prozent der Seiten von Djir-Sarais Doktorarbeit:

„In ihrer heutigen Sitzung hat die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln beschlossen, die im Jahre 2008 an das Mitglied des Bundestages Bijan Djir-Sarai erfolgte Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen.“[1]

Der Plagiator zeigte sich einsichtiger als einige seiner prominenteren Vorgänger und kommentierte:

„Bereits zu Beginn des Verfahrens hatte ich allerdings den festen Entschluss gefasst, das Ergebnis – egal wie es ausfallen würde – nicht im Nachhinein gerichtlich anzufechten.“[2]

Ein Rückblick auf die hier im Mai und Juni 2011 publizierten Beiträge macht einige Aspekte der zuletzt lange kaum noch köchelnden Affäre wieder lebendig: Djir-Sarai frühzeitig als „Plagiator Nummer 6“ (27. Mai) zu identifizieren, fand erstmal ein Kommentator empörend. Allerdings ließen sich schon da unwiederlegbare Beweise präsentieren. Die ließen düster in die „Zukunft der FDP“ (30. Mai) blicken, was man bei der Partei allerdings nicht wahr haben wollte, so dass jemand aus dem Bundestag sich die Freiheit nahm, den Wikipedia-Eintrag von Djir-Sarai zu manipulieren.

Zugleich entzündeten sich in VroniPlag Konflikte, die schon länger bestanden hatten, und ließen das Wiki, das sich angeschickt hatte, die FDP zu entdoktorn, den „Liberalen“ gar nicht so unähnlich erscheinen: Streit um „Machtpositionen, persönliche Eitelkeiten und taktische Allianzen“ warf die Frage auf, ob sich aus der Uneinigkeit der Plagiatssucher eine neue „Chance für die FDP“ (1. Juni) und ihre Plagiatoren ergeben würde. Zugleich überschritten die Funde auf VroniPlag aber die 10-Prozent-Marke und erzeugten den ersten „Barcode für Bijan Djir-Sarai“ (1. Juni). Bald darauf kam der Verdacht auf, Djir-Sarai habe sich „Mehr als Plagiate“ (5. Juni) geleistet, nämlich Interviewfälschung oder Manipulation der Forschungsdaten. Darauf kam die Uni Köln in ihrer abschließenden Pressemitteilung nicht zu sprechen.

Insgesamt war die „Medienaufmerksamkeit“ (14. Juni) für den Bundestags-Hinterbänkler Djir-Sarai allerdings vergleichsweise sehr gering. Das wirft die Frage auf, ob sich seine Doktor-Affäre nun ziemlich folgenlos ausschleichen wird. Rücktritte darf man von FDP-Politikern wohl nicht erwarten, die wurden ja alle nicht als wissenschaftliche Assistenten engagiert. Aber ist die Partei so in Personalnot, dass sie Ämter und Listenplätze auch künftig an überführte Plagiatoren vergeben muss, während sie sich andererseits auf die Fahnen schreibt, „Urheberrechte schützen“ zu wollen?

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4 Antworten zu “Einfach nur Bijan Djir-Sarai, ohne Doktor

  1. Ich habe hier ein paar Probleme:

    1. …“das Wiki, dass sich angeschickt hatte, die FDP zu entdoktorn“. Echt?

    2. Die Anspielung auf das Urheberrecht („während sie [die FDP] sich andererseits auf die Fahnen schreibt, “Urheberrechte schützen” zu wollen.“) gefällt mir nicht. Ich hoffe, dass Sie die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen nicht als eines der VP-Hauptanliegen sehen. Auch wenn das manchmal behauptet wurde (ich glaube, es steht sogar im Wikipedia-Artikel über VP): Es geht nicht um Urheberrechtsverletzungen. Es geht um Wissenschaftsplagiate und um Redlichkeit in der Wissenschaft. Wissenschaftsplagiate führen dazu, dass wissenschaftliche Arbeiten ihren wesentlichen Zweck verfehlen: Neue Erkenntnisse zu liefern. Sie führen dazu, dass falsche Autoren zitiert und verfälschte und unreflektierte, manchmal unrichtige Inhalte wiedergegeben werden. Sie konterkarieren den Fortschritt. Sie führen zur Verschwendung von Forschungsgeldern. Sie führen dazu, dass ungeeignete Personen Professoren werden oder andere Führungspositionen erlangen. Damit dies alles nicht geschieht, ist Redlichkeit in der Wissenschaft so wichtig. Selbst wenn Sie eine Doktorarbeit nur auf eine reine Prüfungsleistung (ohne Forderung nach Erkenntnisgewinn) reduzieren würden, dann ist das etwas anderes als z.B. GEMA-Rechte zu verletzen. Das Urheberrecht ist nur ein beiläufiger Teilaspekt im Zusammenhang mit Plagiaten in Dissertationen.

    3. „die wurden ja alle nicht als wissenschaftliche Assistenten engagiert.“ Das erinnert mich an den kapitalen Fehler von Frau Dr. Angela Merkel in ihrem viel zitierten Kommentar zum Fall Guttenberg. Wahr ist, die Politiker sind nicht als wissenschaftliche Assistenten tätig. Implizit steckt in dieser Begründung aber eine Bagatellisierung des Betrugs bzw. Missachtung der mehrjährig in Doktorarbeiten erbrachten Leistungen. Auch nicht zu verachten: Höhe der Stipendien für Dissertationen bzw. Gehälter von Doktoranden als angestellte Assistenten. Schon manch anderer Politiker kam für Geringeres in Bedrängnis. (Weiß aber nicht, ob Bds finanziell unterstützt wurde).

  2. Ich stimme Ihnen da voll zu. Indem man die „Begründung“, dass Politiker keine wissenschaftlichen Assistenten sind, akzeptiert und daher Rücktritte für nicht notwendig betrachtet, dadurch werden Doktoranden missachtet und wird Promotionsbetrug bagatellisiert. Auch Djir-Sarai war übrigens Stipendiat der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Mir sagte mal jemand aus dem Umfeld, dass diese (wie auch andere parteinahe Stiftungen) eigentlich nur noch ihre Nachwuchspolitiker finanziere, andere Kriterien bei der Förderung keine Rolle mehr spielten.
    Nein, VP ist sicher nicht die Urheberrechts-Lobby. Aber wenn die FDP schon keine Partei ist, die für Ehrlichkeit und Wissenschaft (und beides zusammen) steht, dann könnten sie wenigstens die „Werte“ verteidigen, die sie sich explizit auf die Fahnen schreiben. Und das sind Urheberrechte, insbesondere Verwertungsrechte zur Förderung des „Wissenschaftsstandorts“ Deutschland.
    Ja, echt. VroniPlag war zu diesem Zeitpunkt im Begriff, die FDP in eine Personalkrise zu stürzen. Man müsste mal das Öffentlichwerden von FDP-Plagiatsfällen mit den Umfragewerten der Partei korrelieren. Da das nicht die Intention von VP war, freute man sich dort doch, als dann endlich auch mal einer von der SPD gefunden wurde. Ich glaube, danach haben die liberalen „Parteifreunde“ auch langsam damit nachgelassen, VroniPlag zu einer Kampagne des politischen Gegners zu erklären.
    Ich weiß gar nicht, wo Sie Probleme haben. Lesen Sie doch nochmal meinen Artikel, die einzige Stelle, an der ich Ihren Widerspruch erwarte, ist das Zitat, dass Streitigkeiten um „Machtpositionen, persönliche Eitelkeiten und taktische Allianzen“ in der FDP wie in VroniPlag zum Problem zählten.

  3. @ER
    Danke für die Erläuterung. Die Probleme habe ich danach in der Tat nicht mehr.

  4. Hansgert Ruppert

    @Hood, was meinst Du. Wäre es möglich zu sagen, ok, VP hatte eine Krise. So wie die FDP. Aber VP überwindet sie. Jeder Aktive, jeder interessierte „Ehemalige“ frisst Kreide. Jeder traut dem anderen zu, Kreide zu fressen. Wir beginnen nochmal von vorne. Zusammen sind wir eine Macht.

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