Journalisten, Politiker, Wissenschaftler. Netzwerkanalyse und der Fall Schavan

Ermitteltes Problem in der Schavan-Berichterstattung ist die immer wieder offen sichtbare (und messbare) Nähe zwischen primärem Thema (Schavans Dissertation), Berichterstattern (Journalisten) und Kommentatoren (Journalisten und O-Ton-Lieferanten). Das Zusammenwirken zwischen PolitikerInnen, Wissenschaftlern (keine Wissenschaftlerin zu bemerken) und JournalistInnen ist dabei so eng, dass regelrechte Verschwörungen (also geheime Absprachen über wechselseitiges Verhalten, um bestimmte Ziele zu erreichen) naheliegend erscheinen.

Nun liefert aber zu einem anderen Thema die aktuelle Journalismusforschung einige Ergebnisse, die auch ohne konkrete Verschwörung den offenbaren Gleichklang der Seelen erklären können, der eine solche Dominanz der Pro-Schavan-Berichterstattung zur Folge hat: @thelepathy leitete auf Twitter Hinweise des Stern-Investigativjournalisten Dirk Liedtke ‏@dirkliedtke weiter, die sich auf die Berichterstattung über Außen- und Sicherheitspolitik bezogen, aber hier klar übertragbar sind:

Die Vorstellung des folgenden neuerschienenen Werkes hält die These fest, dass das Verhalten der Medien „mit Hilfe von Pressure Groups und sozialen Netzwerken erklärt“ werden kann, und zwar auf Basis eines theoretischen Modells, „das vorhersagt, dass Leitmedien mehr oder weniger den laufenden Diskurs der Eliten reflektieren, aber dessen Grenzen nicht überschreiten und dessen Prämissen nicht kritisch hinterfragen.“[1]

  • Uwe Krüger: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-­Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse, Herbert von Halem Verlag, Köln 2013.

Genaueren – und bildhaften – Einblick in die empirische Analyse der außen- und sicherheitspolitischen Meinungsmacher gibt diese Powerpoint-Präsentation:

Aus eingehenden Analysen von Vernetzungen und produzierten Medieninhalten ergibt sich demnach: „Journalisten werden von Eliten nur bei Wert-Homophilie kooptiert, Einbindung in das Elitenmilieu verstärkt wahrscheinlich die Konformität“. Daraus ergeben sich für Krüger Forderungen für die Berufsethik von Journalisten: „Ein ‚Sicherheitsabstand‘ zwischen Journalisten und Eliten müsste diskutiert und kodifiziert werden“.

Die Bedeutung für den Fall Schavan dürfte klar sein. Jürgen Kaube skizziert den Prozess, in dem der schwerste Schaden der Causa Schavan entstanden ist, so:

„Aus dem Nutzfreundschaftsnetzwerk Schavans – von Ernst-Wilhelm Winnacker bis Wolfgang Frühwald – meldet sich ganz spontan eine Stimme nach der anderen mit objektiven Urteilen, woraufhin auch die Gegenseite polemisch aufrüstet.“[2]

Dass Kaube einigen Sicherheitsabstand zu diesem Netzwerk hält, erkennt man schon daran, dass er die Namen der Beteiligten falsch schreibt: Er meint Ernst-Ludwig Winnacker. (Wo Kaube allerdings eine polemisch aufgerüstete Gegenseite gefunden haben will, wenn nicht in einigen dieser subalternen Internetblogs, das muss wohl offen bleiben. Da wird neuerdings beispielsweise erläutert, warum die Täuschung in Schavans Dissertation bereits gerichtsfest nachweisbar ist, egal was sie über ihre angeblichen Absichten kundtut – und wie es um Schavans Integrität steht.)

Über die Nähe zwischen Journalisten und Polit-Eliten hinaus ist in diesem Fall auch der fehlende „Sicherheitsabstand“ zwischen einer maßgeblichen Politikerin und ihrem Wissenschaftlernetzwerk überdeutlich geworden, der die Autonomie beider Bereiche – Politik und Wissenschaft – zerstört.

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23 Antworten zu “Journalisten, Politiker, Wissenschaftler. Netzwerkanalyse und der Fall Schavan

  1. Zu diesem interessanten Beitrag passt dann die von einem Leser treffend als „Home Story“ bezeichnete Märchenstunde „Ein Jahr mit Annette Schavan“ in der Zeit. Sie ist damit eines von vielen Beispielen, wie tief die Abtreter dieser schreibenden Zunft gefallen sind, wobei es aber weiter munter abwärts geht. Interessant übrigens auch die Nibelungentreue mancher vorgeblicher Abonenten der Zeit auf Facebook. Insofern möchte ich dem Paar Elite und Schurrnallist noch den deutschen Michel hinzufügen. Er glaubt, dass mit dem Kauf einer Kwallitätszeitung Niwoh auf ihn überspringt. Was für BSE gilt, trifft aber offensichtlich hier nicht zu.

  2. Eine gute Analyse, da fehlt jetzt eigentlich nur noch eine graphische Aufarbeitung des Netzwerkes um Schavan.
    Wichtig ist auch darauf hinzuweisen, dass die Eliten das Netzwerk bestimmen können und Journalisten bei „Fehlverhalten“ daraus ausschließen können. Wer gute Kontakte in einem dieser politischen Netzwerke hat, sei es in der Außen- und Sicherheitspolitik oder in der Wissenschaftspolitik, der bekommt ja aus dem Netzwerk Informationen, die für den eigenen Job elementar sind. Grätscht dann Frau Schmoll öffentlich gegen Frau Schavan, versiegen diese vielen kleinen, unter der Hand erhaltenen Hinweise, Recherchetipps, Interviewmöglichkeiten und Abende an der Hotelbar. Für eine Journalistin in dem Sektor ist das dann der absolute Super-GAU, da kann man dann gleich einen neuen Job suchen.

  3. Naja, die graphische Aufarbeitung wäre ja nur die Illustration von erst noch empirisch zu ermittelnden Vernetzungen (die wir empfinden oder sehen, aber nicht gemessen haben). Die Analyse muss also noch gemacht werden. „Ich bin dran“, würde ich sagen, wenn ich eine Doktorarbeit über die Schavanisten schreiben wollte. Das wäre aber einer wissenschaftlichen Laufbahn nicht sehr zuträglich, fürchte ich.

    Die Perspektive, dass diese Insiderinformationen (oder auch nur Zugang zu Interviewterminen) für die journalistische Arbeit als hilfreich oder gar notwendig empfunden werden, kann ich verstehen. Allerdings ist es nur eine bestimmte Art von Hofberichterstattung, für die der Ausschluss aus dem Netzwerk als GAU erschiene.

  4. Wer hätte zu Beginn gedacht, dass die Annette doch noch für die Wissenschaft interessant würde. Zugegeben, nicht ihre Patchworkdiss, aber dafür ihr Verhalten und ihr Netzwerk. Ironie der Geschichte, vermute ich einmal.

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  6. Journalisten besitzen ja ein Netzwerk an Quellen und Informanten. Personen, die als Ansprechpartner fungieren, Personen, die Informationen „aus gut informierten Kreisen“ leaken und so weiter. Wenn durch eine bestimmte Berichterstattung ein Teil des Netzwerkes verloren geht, ist das immer schädlich. Selbst wenn etwa mehrere parallele Informations-Netzwerke betrieben werden, ist ein Schaden entstanden. Frau Schmoll müsste etwa, um kritisch über Schavan zu berichten, sich einen großen Teil ihres Netzwerkes wegbeißen und das ist natürlich ein folgenschwerer Schritt.

    (Nebenbei darf man da sicherlich auch noch anmerken, dass die Netzwerke um Frau Schavan & Co eben nicht nur journalistische oder politische sind, sondern durch die evangelische Kirche laufen. Diese religiöse Komponente sollte man nicht vernachlässigen)

  7. Ja, und die katholische Kirche, und die wissenschaftliche Kirche, ähm, „Forschungslandschaft“.

  8. Was mir übrigens an dieser Sache irgendwie etwas stinkt: Das wirklich interessante Thema wird nicht angesprochen. Ok, Frau Schavan hat ihre Doktorarbeit plagiiert. Ok, sie hat Netzwerke in der Politik, Kirche und Presse. Was aber leider nicht angesprochen wird, ist ihre reale, praktizierte Bildungspolitik. Da gibt es so viele skandalöse Dinge, dass man eigentlich gar nicht über ihre Doktorarbeit reden müsste…

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